Pflügen oder nicht pflügen?

Was ist das für eine Frage?!

Reduzierte, oftmals pfluglose Bodenbearbeitung ist heute Gegenstand heisser Debatten, wo gestandene Leute mit guten Gründen manchmal recht stark aneinandergeraten können. Da ist es wirklich gut, je nach Boden und Agrarökosystem genau und über längere Zeit hinzuschauen: Was bewirkt man beim Ackerbau bei der Bodenphysik, Bodenchemie und dem Bodenleben, wenn man zu welchen Zeiten wie oft mit welchen Geräten wie tief in den Erdboden eingreift? Überraschungen sind praktisch garantiert.

International sind reduzierte, pfluglose, minimale Bodenbearbeitung usw. vor allem ein Merkmal von Glyphosatwirtschaft. Grauenvoll leere Agrarsteppen werden in Nord- und Südamerika, auch in anderen Gebieten, auf diese Art monokulturell gehandhabt. Eine starke Lobby verkauft das als Humusaufbau und Klimaschutz, obwohl die wissenschaftlichen Belege dafür arg dünn sind. Viele Untersuchungen zu Kohlenstoffspeicherkapazitäten durch reduzierte Bodenbearbeitung zeigen, dass die Kohlenstoffspeicherung über die gesamte Bodentiefe gesehen langfristig nicht höher als in konventioneller Bodenbearbeitung ist, da eher eine Konzentration von Humus in den oberen Zentimetern erfolgt (wissenschaftliche Quellenangaben beim Autor auf Anfrage). Schert man weltweite Studienergebnisse alle über einen Kamm, dann ist deren Streuung allerdings so gross, dass für den Einzelfall keinerlei vernünftige Aussagen abgeleitet werden können. Es kommt eben wirklich nicht nur auf einen Faktor an, sondern die Kunst der Landbewirtschaftung kennt viele Elemente und Spielarten.

Pfluglos im Bioanbau in der Schweiz

Im Biolandbau gibt es einige sehr bemerkenswerte Höfe, die seit Jahrzehnten pfluglos, öko-logisch und meist wirtschaftlich erfolgreich wirtschaften. Wissenschaftlich begleitet wurden sie in der Regel allenfalls in den letzten Jahren. Das FiBL Schweiz hat neue Versuche mit Minimalbodenbearbeitung im Biolandbau durchgeführt, über die in Kultur und Politik berichtet wurde. Auch hier ist immer mehr als ein Faktor im Spiel. In diesen Versuchen wurden für die Schweiz die stärksten Verminderungen von bodenbürtigen Lachgas-, Methan- wie auch CO2- Emissionen beim Ersetzen von synthetischem durch organischen Dünger, von Gülle durch Mistkompost und von stark mechanisierter durch reduzierte Bodenbearbeitung gefunden. Die Potenziale dieser Einzelmassnahmen in einer Kombination von Biolandbau und reduzierter Bodenbearbeitung brächte demnach eine rund 130-prozentige Emissionsreduktion, also eine Nettospeicherung von organischem Kohlenstoff, wo vor allem verschiedene Humusarten im Boden aufgebaut werden.

Doch auch in ökologischem Kontext ist eine Polarisierung von «pflügen oder nicht pflügen» gar nicht so sinnvoll, da viele, zum Teil neue, interessante Techniken eh dort dazwischenliegen, zum Beispiel im Bereich flachen ‹Schälens› oder Unterschneidens und nur oberflächlichen Einarbeitens von Zwischenfrüchten, Spontanwuchs oder Ernteresten. Und auch von einem seit über 20 Jahren im Prinzip pfluglos arbeitenden Betrieb habe ich vom Bauern gehört, dass er manchmal dann eben doch wieder einen Pflug verwendet.

Nikola Patzel, Bodenwissenschaftler und -kommunikator, Überlingen, 2021

Dieser Text (leicht gekürzt) ist bereits in Kultur und Politk, Zeitschrift des Bioforum Schweiz erschienen, in Ausgabe 2/2020. https://www.bioforumschweiz.ch/kultur-und-politik/

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