Dürre und Borkenkäfer

Welcher Umgang mit den Schäden?

Dass es den Bäumen und Forsten im Sauerland (NRW) nicht gut geht, erkennt man auf den ersten Blick. Braune Fichten allerorten und riesige Holzstapel entlang der Waldwege. Lichte Kronen auch bei Laubbäumen.
Bei uns fahren manchmal 15 Schiffscontainer pro Tag am Haus vorbei, in jedem 30 Festmeter Fichtenholz für den Export nach China. Für den Waldbesitzer / die Waldbesitzerin bleibt dabei nichts oder nicht viel übrig: die Aufarbeitungskosten lassen sich in den meisten Fällen decken, aber das war es dann auch schon. Kein Gewinn, und mindestens für die nächsten 40 Jahre kein Ertrag über den Holzerlös. Aber die Verpflichtung, neue Wälder anzulegen – verbunden mit nicht geringen Kosten.

Kompletträumung sinnvoll?

Will man die Hilfen des Landes NRW nach der Extremwetter-Förderrichtlinie in Anspruch nehmen, bedeutet dies, dass die Flächen komplett geräumt sein müssen. Alles Holz, was potentiell dem Borkenkäfer als Brutstätte dienen könnte, muss entfernt oder gemulcht werden. Das bedeutet, die abgesägten Bäume werden komplett zum Weg gezogen und dort entastet, Resthölzer werden zu Hackspänen verarbeitet. Oder ein Vollernter fährt alle 20m durch den Bestand, astet die Bäume auf dem Fahrstreifen, wo in einem weiteren Arbeitsdurchgang das entstandene Astpolster gemulcht wird. Doch will man dies? Ist es ökologisch sinnvoll, in Zeiten starker Dürre und intensiver Sonneneinstrahlung ganze Flächen komplett zu räumen, ast- und holzfrei zu machen? Und wenn bei der Aufarbeitung der trockenen oder vom Käfer befallenen Fichten kein Geld übrig bleibt oder man noch darauf zahlen muss: warum lässt man sie nicht gleich stehen?

Dürrständer und langsam vermoderndes Holz haben auch Vorteile – sie speichern Wasser und bieten zahlreichen Lebewesen Unterschupf. Junge Bäume sind geschützter als auf abgeräumten Flächen.

Bäume stehen lassen

Darüber ist eine Debatte entstanden und es ist für jedeN Betriebsleiterin / jedeN Waldbesitzerin eine schwierige Entscheidung: die sogenannten Dürrständer auf der Fläche. Zusammenbrechende Bäume und langsam vermoderndes Holz wird in den kommenden Jahren als Wasserspeicher dienen und die biologische Vielfalt auf den Flächen erhöhen, durch das Belassen des Holzes in der Fläche entstehen keine Kosten und der Boden wird nicht befahren. Die Nährstoffe bleiben auf der Fläche. Und auch die Naturverjüngung oder ggf. neu gesetzte Bäume sind geschützt: vor Wind, vor intensiver Sonneneinstrahlung, und auch ein wenig vor dem starken Verbiss-Druck durch Rehe.
Allerdings gibt es Nachteile: insbesondere die Sicherheit für Arbeiten in den Flächen wird gefährdet. Die trockenen Bäume werden nach 2-5 Jahren zerbrechen, in sich zusammen fallen, umstürzen. Menschen, die dort Pflanz- oder Kulturpflegearbeiten durchführen, oder ggf. einfach nur Pilze suchen, setzen sich einem sehr hohen Risiko aus. Arbeitgeber werden es nicht verantworten können, ihre Mitarbeiter*innen in solche Flächen hineinzuschicken. Und natürlich werden dann zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt keine Einnahmen erzielt, weder aus dem Holzverkauf noch aus Fördermitteln.

Umfallende Bäume dürfen Waldbesucher und -arbeiter nicht gefährden.

Gleichzeitig gilt es zu beachten, dass aufgrund der Verkehrssicherungspflicht entlang von Waldwegen oder Straßen die Dürrständer auf jeden Fall entfernt werden müssen – oder man es zu seiner eigenen Gewissensberuhigung besser machen sollte: Als Waldbesitzer möchte ich nicht beteiligt sein, wenn ein vertrockneter Baum in einigen Jahren einen Radfahrer schwer verletzt oder dieser dadurch umkommt. Auch wenn es sich vielleicht um eine „waldtypische Gefahr“ handelt. Eine bis zwei Baumlängen, 20-40m, sind dann schon baumfrei. Ein Risiko, dass sich durch die Dürrständer der Borkenkäfer weiter verbreitet sehe ich nicht – denn diese sind i.d.R. käferfrei. Grundsätzlich ist das Ziel der Forstwirtschaft, frisch befallene Bäume, die dann noch grün sind, aus den Beständen zu holen, um die Ausbreitung des Käfers zu reduzieren. Dies ist aber meiner Erfahrung nach in der Gesamtfläche schon nicht mehr möglich, zu viele Individuen des Käfers sind unterwegs.

Differenziert entscheiden

In meinem Betrieb werde ich je nach Hanglage, Größe der Schäden und Fläche entscheiden. In dem Bestand, der auf den beiden Photos zu sehen ist, werden, falls weitere Schäden entstehen, die Bäume zum allergrößten Teil nicht mehr geerntet, aber ggf. noch umgesägt. Dann bleibt die Biomasse zumindest auf der Fläche, kann als Totholz Wasserspeicher und Artenreservoir sein – aber es geht von den Bäumen keine Gefahr durch mögliches Umstürzen mehr aus.

Gregor Kaiser, NRW, 2021

Betriebsspiegel:
Naturlandbetrieb Vielfalt Wald
https://www.vielfalt-wald.com/
83ha Wald,
8ha Weihnachtsbäume,
3ha Grünland,
15 Mutterschafe,
1 Pony.

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