Erfolgreiche Hofübergabe ausserfamiliär: Altbauer und Jungbäuerin berichten

Miteinander reden und offen sein – immer wieder

Der Wahlbacherhof wurde im Mai dieses Jahres ausserfamiliär übergeben. Altbauer Manfred Nafziger und Jungbäuerin Marlene Herzog berichten von diesem gemeinsam durchlebten Prozess. Ihre Erfahrungen machen Mut und zeigen zugleich, dass es viel Entgegenkommen von beiden Seiten braucht.
 „Für uns war klar, wir möchten unser Lebenswerk, den Hof, als Ganzes erhalten und nicht nur das Land ökologisch verpachten“, so Manfred Nafziger (63) über den Startpunkt der Suche nach einem Nachfolger für den Hof. Dies stellte sich als gar nicht so einfach heraus. Doch dann fand eine junge Familie zu ihnen. Marlene Herzog (33) und ihr Partner Marc Grawitschky (33) bewirtschaften den Hof heute nach dem Prinzip der Solidarischen Landwirtschaft. Das junge Paar mit inzwischen drei Kindern ist sehr zufrieden, dass die Übergabe so gut geklappt hat: „Wir haben unseren Traumhof gefunden. Hier können wir unsere Ideen einer tier-, menschen- und umweltfreundlichen Landwirtschaft leben. Die Unterstützung des Ehepaares Nafzigers war entscheidend dafür, dass die Übernahme und unser Start so gut gelingen konnten.“

Altbauer: Bei sich selber anfangen

Der Altbauer: Bei sich selber beginnen

Man braucht Zeit, mindestens vier bis fünf Jahre sollte man für die Übergabe des eigenen Hofes einplanen. Zunächst muss man sich fragen: Was will ich, was wollen wir in der Partnerschaft und was möchten die Kinder? Was ist möglich auf dem Betrieb? Man muss sich ganz offen und klar über die jetzige Situation unterhalten.
Bei uns hat sich aus der Beschäftigung mit all diesen Fragen als erste Priorität der Erhalt des ökologischen Betriebes in seiner Vielfalt und mit der regionalen Direktvermarktung herausgestellt. Wir haben uns ausserdem entschieden, auf dem Hof zu bleiben, da meine Eltern auch noch hier leben.
Und es kamen neue Fragen auf: Wie ist es, wenn eine fremde Familie den Hof übernimmt? Sind da nicht Konflikte vorprogrammiert? Kann man loslassen oder will man immer noch bestimmen, schliesslich hat man ja alles lange gut gemacht und ob die jungen Menschen dies auch so können? Wie gross wird das Vertrauen sein und wie sieht es aus, wenn man mal Hilfe braucht?
Meine persönliche Essenz aus diesem Prozess ist: Ich bin hier auf der Erde zu Gast und habe viele Gründe, dankbar zu sein. Sehr lange habe ich den Hof anvertraut gehabt und nun darf ich die Verantwortung weitergeben. Loslassen gehört eben auch zum Leben. Doch einige Punkte legten wir von vornherein fest.

Betriebliche Eckpunkte und neue Investitionen

Der Hofladen sollte von meiner Frau Marianne Nafziger als eigenständiges Unternehmen weiter geführt werden und so lange in ihrer Hand bleiben, wie sie es möchte. Ausserdem sollte der langjährige gute Mitarbeiter weiterhin auf dem Hof arbeiten können. Als Vorsitzender und freier Mitarbeiter beim Bioland-Landesverband Rheinland-Pfalz/Saar hatte ich ein Nebeneinkommen. Dies bedeutete, dass der Betrieb nach mir, um als Vollerwerbsbetrieb zu funktionieren, dann mehr anbauen und vermarkten müsste. Hierfür brauchte es Investitionen, die ich mit der Perspektive einer Nachfolge auch zu tätigen bereit war.
Nun machten wir uns auf die Suche nach einem Nachfolger. Zunächst versuchten wir es über die Hofgründerbörse (www.hofgruender.de). Hier können Hofsuchende sich anonym auf eine Anzeige bewerben. Als Abgebende konnten wir dann entscheiden, zu welchem der 20 Bewerber wir Kontakt aufnehmen. Nach einem längeren Reifungsprozess gab es schliesslich eine gegenseitige Zusage, die jedoch keinen Bestand hatte.
 Schliesslich bewarben sich Marc Grawitschky und Marlene Herzog. Seit fast einem Jahr leben sie jetzt mit ihren drei Kindern hier bei uns in einer eigenen Wohnung und arbeiteten bis zum Mai dieses Jahres jeweils mit einer halben Stelle im Betrieb mit. Gleichzeitig haben wir begonnen, den Anbau zu intensivieren, mehr Gemüse und Kartoffeln anzubauen, ein Hühnermobil ist angeschafft worden und die beiden haben die Solidarische Landwirtschaft auf den Hof gebracht. Wir haben also schon vor der Übernahme, die am 1. Mai 2015 stattfand, investiert, sowohl ich als auch die Nachfolger.

Kommanditgesellschaft als Lösung

Es war schon frühzeitig klar, dass potenzielle Übernehmer unseres Hofes nicht über genügend Eigenkapital verfügen würden. Deshalb habe ich mich bei der Regionalwert AG in Freiburg informiert, welche Möglichkeiten es gibt, Höfe, Kapital und junge Menschen zusammenzubringen. Mit der Kommanditgesellschaft (KG) haben wir die für uns passende Rechtsform gefunden. Ich bringe meinen Hof mit allem Inventar in die KG ein. Der Wert wurde zuvor durch einen Gutachter geschätzt. Gleichzeitig wurden unser Wohnrecht und auch das Wohnrecht meiner Eltern bewertet und von meinem Anteil abgezogen. Unsere Nachfolger bringen nach ihren Möglichkeiten ebenfalls einen Anteil in die KG ein. Beide werden Komplementäre und übernehmen die Verantwortung für den gesamten Betrieb für die nächsten 30 Jahre. Ich selber bin nur beschränkt mitspracheberechtigt und haftbar. Gewinne und Verluste werden entsprechend den Anteilen an der KG verteilt, allerdings haben wir eine Vorabgewinnverteilung vorgenommen in Form einer Aufwandsentschädigung für die Komplementäre als Betriebsleiter.
Der Hof ist so geschützt; es kann zu keiner Erbengemeinschaft meiner Kinder kommen. Wenn ich sterbe, geht mein Anteil an die Kinder über. Nach Ablauf der 30 Jahre könnte der Hof wieder von eventuellen Enkelkindern mit der entsprechenden Neigung weitergeführt werden.
Manfred Nafzigers Resümee: „Mit der Solidarischen Landwirtschaft hat die junge Familie eine gute Zukunft für sich und den Betrieb geschaffen. Und ich kann sagen, eine ausserfamiliäre Hofübergabe geht, wenn man bei sich selbst anfängt und sich bewusstmacht, was man will, was möglich ist und wie man es umsetzen kann.“

Die Jungbäuerin – eigene Vorstellungen auch mal über Bord werfen

Jungbäuerin: Eigene Vorstellungen auch mal über Bord werfen

Man braucht Geduld, Kraft, Zuversicht, Nerven, Mut, Unterstützung und Geld. Hört sich viel an. Ist es auch. Wir wussten zum Glück nicht, was eine Hofübergabe bedeutet. Jetzt wissen wir es und sind glücklich, alles so gut bewältigt zu haben. Mein Mann und ich haben uns beim Studium der ökologischen Landwirtschaft in Witzenhausen kennen gelernt. Nach mehreren Jahren Arbeit auf verschiedenen Betrieben haben wir uns dazu entschlossen, selber einen Betrieb zu übernehmen, um unsere eigenen Ideen und Vorstellungen umsetzen zu können. Ein vielfältiger Hof mit Tierhaltung, Gemüse- und Ackerbau sollte es sein, nur einen Einstieg mit Milchvieh konnten wir uns nicht vorstellen. Wir wollten unbedingt auf dem Hof wohnen und er sollte in der Nähe meiner Eltern im Saarland sein, damit diese hin und wieder auf unsere Kinder aufpassen könnten. Schon die Suche nach diesem „Traumhof“ war eine anstrengende, krisenbeladene Zeit. Vor zwei Jahren erfuhren wir über eine Bekannte von dem Bioland-Gemischtbetrieb von Marianne und Manfred Nafziger, die eine Nachfolgefamilie suchten. Wir waren gleich begeistert von der Vielseitigkeit des Betriebes und der Lage der Flächen. Dabei hatten wir unsere eigenen Ideen für die Gestaltung einer artgerechten Tierhaltung und es war klar: Den Gemüsebau wollen wir ausweiten. An beidem arbeiten wir jetzt und wachsen in den Betrieb hinein. Seit einem Jahr wohnen wir nun schon auf dem Hof. Seit dem 1. Mai sind wir offiziell verantwortlich für den Betrieb. 
Verstehen wir uns?
 Zuvor mussten wir uns jedoch auf einiges einlassen, manches akzeptieren und ein paar Vorstellungen über Bord werfen. Das Erste und für mich Wichtigste, womit wir uns auseinandersetzen mussten, war das Menschliche. Es galt herauszufinden, ob wir uns mit dem Altbauern und der Altbäuerin verstehen. Ob es gemeinsame Ziele gibt, ob wir auf Toleranz für unsere eigenen Ideen stossen, ob wir eigene Fehler machen dürfen und ob beide Parteien fähig sein werden, bei Konflikten und Auseinandersetzungen Lösungen zu finden. 
Denn eins stellten die beiden von Anfang an klar: Altbauer und -bäuerin mitsamt Mutter und Vater von Manfred Nafziger wollten lebenslanges Wohnrecht auf dem Hof. Zack. Das war vor allem für mich eine Aussage, an der ich lange zu knabbern hatte. Will ich wirklich für die nächsten Jahrzehnte gemeinsam mit den vorherigen Bewirtschaftern auf dem Hof arbeiten und leben?
 Es stellte sich jedoch bald heraus, dass wir mit Manfred nicht nur grundlegende Ziele teilen – den Hof und seine Vielfalt erhalten sowie den langjährigen Mitarbeiter übernehmen – sondern dass die Nafzigers uns sehr sympathische Menschen sind, die uns mit grosser Offenheit und Akzeptanz entgegenkommen. Dies machte es mir leicht, eigene Vorstellungen zu überdenken und mich an die Idee des gemeinsamen Lebens mit allen Konsequenzen zu gewöhnen.

Unterschiedliche Vorstellungen

Eine weitere Hürde stellte der Wunsch von Marianne Nafziger dar, den Hofladen für mindestens zehn Jahre weiterzubetreiben. Das bedeutete für uns, auf eine entscheidende Einnahmequelle zu verzichten. Es musste also eine zusätzlicher Vermarktungsweg mit hoher Wertschöpfung gefunden werden. Die Direktvermarktung in dieser Region ist eher schwierig, da viele Wochenmärkte schon belegt sind. An den regionalen Einzelhandel wollten mein Mann und ich uns möglichst nicht binden. Der Bioland-Berater empfahl uns eine Intensivierung der Produktion. Doch wir entdeckten die Solidarische Landwirtschaft (Solawi – in der Schweiz meist Vertragslandwirtschaft genannt) für uns: unabhängig vom Markt, gemeinsam mit den Verbrauchern, vielfältig, sicher und zukunftsfähig.
Einmal damit befasst, liess uns dieses Konzept nicht mehr los. Mein Mann und ich haben uns informiert, Netzwerktreffen besucht, andere Höfe angesehen und viel, viel geredet. Die Nafzigers waren skeptisch. Im Grunde glaubte keiner daran, dass es funktionieren könnte. Doch Manfred vertraute uns trotzdem und liess uns diesen Weg einschlagen.
Die Zeit der Gründung und der Suche nach Mitmachern der Solawi, die wir grösstenteils zu zweit stemmen mussten, war eine sehr kräftezehrende und belastende Zeit, mit vielen Sorgen und Ungewissheiten, die sich mit der Einarbeitung in den Betrieb und den Hofübergabewidrigkeiten überschnitt. In diesem ersten Jahr hat Manfred Nafziger uns angestellt und uns so die Planung, die Einarbeitung und unsere Haushaltsfinanzierung ermöglicht.

Finanzierung

Nun galt es noch die letzte grosse Schwierigkeit zu überwinden: Wir hatten kein Geld. Als ehemalige Studenten und Angestellte der Landwirtschaft mit Kindern, ohne reiche Erbtante oder Lottogewinn fehlte uns ein ansehnliches Vermögen. Hier hatte Manfred sich jedoch schon lange Gedanken gemacht und schloss mit uns einen Vertrag der Kommanditgesellschaft ab. Der gesamte Hof mit Inventar wurde in die Gesellschaft eingebracht. Mein Mann ist nun Geschäftsführer und wir sind für die kommenden 30 Jahre hauptverantwortlich für den Betrieb. Wir haben unsererseits all unser Erspartes und alles Geld, das wir auftreiben konnten (hauptsächlich aus dem eigenen Familienkreis), als Investition oder Vermögen in die Gesellschaft eingebracht. Steuerberater und Rechtsanwalt haben uns bei der nervenaufreibenden Ausarbeitung des Vertrages geholfen.
Ohne die finanzielle Unterstützung, Offenheit und Hilfe des Altbauern und des angestellten Meisters sowie vieler Mitmacher(innen) der Solidarischen Landwirtschaft und ohne den stetigen Austausch mit den ehemaligen Betriebsleitern wäre alles sehr viel schwieriger für uns gewesen. Jetzt sind wir sehr glücklich mit unseren Entscheidungen und darüber, dass wir endlich auch Bauer und Bäuerin sein können!
„Ich glaube, dass die Hofübergabe deswegen so gut funktioniert, weil beide Seiten offen waren und bereit zu reden, eigene Vorstellungen zu überdenken und sich auf Neues einzulassen. Und weil das Finanzielle ein gewichtiger Punkt ist, braucht es immer Menschen, die bereit sind, für Jungbauern und die Zukunft eines weiteren Bauernhofes zu investieren“, fasst Marlene Herzog ihren Blick auf die Hofübergabe zusammen.

Passendes Hofmodell gefunden

Marlene und Marc haben auf dem Wahlbacherhof eine besondere Form der Solidarischen Landwirtschaft umgesetzt: Die Verbraucher tragen die Kosten des landwirtschaftlichen Betriebes und erhalten dafür den Ernteertrag.

Marlene: „Für uns ist die Solidarische Landwirtschaft das passende Modell, um einen vielfältigen Hof zu betreiben. Wir leben in einem kleinen Paradies. Natürlich gibt es sehr viel Arbeit. In der Aufbauphase haben wir manchmal von morgens 6:00 bis in die Nacht hinein gearbeitet. Doch es lohnt sich. Wir haben unser Einkommen. Und obwohl wir abgelegen wohnen, sind immer viele Menschen auf dem Hof. Ich geniesse den Austausch und auch die Rückendeckung, die wir von den Mitgliedern erfahren. Und es ist toll, dass wir selber etwas bewirken können in puncto Ökologie und Regionalität bei der Lebensmittelerzeugung.“

Sonja Korspeter / Marlene Herzog / Manfred Nafziger, 2015, Saarland

Hinweis: Versionen dieses Artikels sind in der „Unabhängigen Bauernstimme“ vom Juli 2015 und in der „Kultur und Politik“ 4/2015 erschienen.

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