Laubfutter – Superfood für Wiederkäuer?

Tierfutter wird immer teurer und immer mehr Tierhalter und Tierhalterinnen wollen Alternativen zu kommerziellem Tierfutter suchen. Um Alternativen zu finden, kann man in die Vergangenheit blicken und recherchieren, welche Futtermittel früher genutzt wurden. Dann stösst man relativ schnell auf die Verfütterung von Laub. Laubblätter wurden über Jahrhunderte frisch oder getrocknet verfüttert, oder Bäume wurden auf die Weide gesetzt. In diesem Artikel möchte ich die Laubfütterung erklären und einschätzen, ob diese für gewisse Schweizer Landwirte eine Alternative darstellen kann.

Ich habe an der ETH in Zürich meine Bachelorarbeit über Laubfütterung geschrieben. Diese Arbeit habe ich hier zusammengefasst. Während der Arbeit habe ich Interviews mit Vertretern aus der Forschung und Beratung und eine Umfrage bei Tierhaltern durchgeführt. Die Umfrage wurde durch Hofbesuche ergänzt. All diese Informationen hatten zum Ziel, die Laubfütterung zu analysieren und in grösserem Kreis bekannt zu machen. Auf Nachfrage kann die Arbeit zugestellt werden.

Eine vergessene geschneitelte Esskastanie. Sie steht neben einem Hof an einem Bach. Sie dient als Schattenspender, sichert den Hang und ist ein Habitatbaum

Service oder Selbstbedienung

Es gibt grundsätzlich zwei verschiedene Ansätze um das Laub zu verfüttern. Der erste Ansatz besteht darin, dass das Laub von dem Landwirt gesammelt wird und im Stall oder auf der Weide den Tieren zu Verfügung gestellt wird. Das kann entweder durch das Schneiteln passieren oder durch die Verwertung von anfallendem Laub oder Schnittgut erfolgen.
Der zweite Verfütterungsansatz besteht darin, dass die Tiere verschiedene Bäume oder Sträucher auf der Weide haben und sich selbst heraussuchen, was für sie am besten ist. Das Resultat der Umfrage hat gezeigt, dass zirka ein Viertel der Tierhalter das Laub den Tieren durch Bäume auf der Weide oder am Weiderand zu Verfügung stellen.

Auf welche Weise wird das Laub / Gehölz den Tieren zur Verfügung gestellt? Resultat aus der Umfrage bei Tierhaltern.

Fütterung den Tieren überlassen

Bei der Laubfütterung auf der Weide hat das Tier mehr Freiheiten. Dadurch lässt man die Tiere selbst das Laub von den Bäumen fressen, sie dürfen auch selbst entscheiden, was sie fressen wollen. Bei den Hofbesuchen ist klar geworden, dass ein typisches Bild dafür die teils frisch abgefressenen Bäume auf der Weide sind. Äste von Haselnusssträuchern können die Tiere mit Hörnern oder mit dem Körper verbiegen, um an mehr Laub zu kommen. Ziegen reissen ausserdem an Bäumen gerne die Rinde junger Triebe ab. Je nachdem müssen Schutzvorrichtungen getroffen werden, dass die Tiere nicht den Stamm der Bäume verletzten und ihn somit töten. (Anm. d. Red.: siehe dazu z.B. den Artikel Baumstämme vor Schafzähnen schützen.)

Eine geschneitelte Platane als Zierpflanze. Aus den Köpfen wachsen einjährige Rauten.

Die Laubfütterung auf der Weide kann auch zum Offenhalten von Landwirtschaftsflächen genutzt werden. In alpinen Regionen werden Ziegen und Schafe auf Almen getrieben, um dort gegen die Überwucherung von Grünerle und anderen Sträuchern zu kämpfen. Die Sträucher werden von den Ziegen geschält und sterben dadurch ab. Die Sträucher können jedoch im folgenden Jahr wieder von den Wurzeln austreiben.
Als Futterbäume sind auch Tannen, Eschen, Fichten, Weiden und Linden sehr beliebt. Auch die meisten Obstbäume sind sehr beliebt und die Äste werden nach dem Schnitt gerne verfüttert.

Gesundheitsförderung als (Neben)-Effekt

Laub ist ein tanninreiches Futtermittel mit vielen sekundären Inhaltstoffen, die gesundheitsfördernden Wirkungen bei den Tieren haben. Zum Beispiel kann der Druck der inneren Parasiten bei Ziegen reduziert werden, die Fruchtbarkeit gefördert werden und die Gesundheit der Tiere kann sich verbessern. Da die Tiere eine reiche Nahrung bekommen, können sie auch wählen, welches Laub mit welchen Nährstoffen für sie am geeignetsten ist. Tierhalter haben beobachtet, dass ab und zu Tiere auf der freien Weide mit Bäumen sofort zu Tannen gehen, während andere direkt zu Haselsträuchern und andere wiederum andere Vorlieben haben. Es besteht eine Unsicherheit in der Forschung über den genauen Nährstoffgehalt verschiedenen Bäume. Tiere wissen jedoch gut, was sie brauchen und was sie nicht brauchen – einfach ihnen vertrauen!

Jungvieh sucht Schutz unter einem Walnussbaum. Die unteren Äste, die die Tiere ohne Probleme erreichen können, sind abgefressen.

Die Nährstoffzusammensetzung hängt stark von dem Schnittzeitpunkt ab. Das Laub ist im Herbst sehr faserreich, während im Frühling das Laub einen höheren Proteinwert zeigt. Durch die Umfrage hat sich gezeigt, dass die meisten Tierhalter das ganze Jahr über Laub verfüttern. Die Tierhalter, die nicht über das ganze Jahr Laub verfüttern, verfüttern es am liebsten im Winter.

Laub nur für Kleinwiederkäuer?

Eine interessante Frage der Arbeit war, für welche Tierarten die Laubfütterung interessant sein kann. In der Umfrage hat sich herausgestellt, dass mehr als 80 % des Laubes an Ziegen oder Schafe verfüttert wird. Nur wenige Tierhalter verfüttern das Laub an Rinder. Gewisse Tierhalter haben Laub auch an Lamas oder Alpakas verfüttert. Generell waren es robuste Rassen, die extensiv oder wenig intensiv gehalten worden sind. Ich habe vorwiegend Ziegenhöfe besucht. Die Laubfütterung wurde von den Tierhaltern oft als sehr artgerecht und abwechslungsreich eingestuft.

Lieblingsmenu der Weidetiere

Aus den Erfahrungen der Tierhalter hat sich dieses Menu ergeben:

  • Esche
  • Berberitze
  • Haselnuss
  • Zitterpappel
  • Weissdorn
  • Brombeeren und Himbeeren
  • Birken
  • Esskastanie
  • Ahorn
  • Getrocknete Brennessel
  • Weidenarten: am liebsten Silberweide und Mandelweide
  • Gewöhnliches Pfaffenhütchen
  • Ulme
  • Tanne
Ziege mit einem Stück Rinde von einem Haselstrauch.

Weidetiere haben folgende Pflanzen weniger gerne:

  • Klebrigen Salbei
  • Horstbildende Gräser
  • Schwalbenwurz
  • Einjährige Berufkraut
  • Hagebutte
  • Adlerfarn
  • Wurmfarn: in grossen Mengen giftig!
  • Sadebaum
  • Schwarzdorn
  • Ginster: nur kleine Mengen bei Ziegen, wenig bei Rindern

Eine Frage des Aufwands

Die Laubfütterung bleibt eine Möglichkeit als Futterergänzung. Nur die wenigsten Tierhalter nutzen die Laubfütterung als die eigentliche Futterration. Durch den hohen Arbeitsaufwand wird das Laub oft frisch verfüttert: weniger als die Hälfte der Tierhalter trocken das Laub. Das wurde bei den Hofbesuchen bestätigt. Der Mehraufwand zur Trocknung ist sehr hoch und der Lagerpatz begrenzt. Trotz allem kann das Laub auch getrocknet werden. Wenn die Möglichkeit besteht, die geschnittenen Äste in der Sonne zu trocknen wird es auch dann von den Tieren gerne gefressen. Die Blätter müssen nicht von den Ästen getrennt werden: Ziegen mögen es sehr an der Rinde zu knabbern.

Die Umfrage zeigt die Vor- und Nachteile der Laubfütterung. Der am meisten genannte Vorteil war die gewinnung des Futters auf dem eigenen Hof und die sehr kurzen Transportwege. Im Bereich Tiere wurden der hohe Mineral- und Fasergehalt der Blätter, die Reduktion von Darmparasiten bei Ziegen und Schafen und das Beheben von Mikronährstoffmangel als Vorteile genannt. Auch die Verbesserung der Landschaftsqualität, die Erhöhung der Nachhaltigkeit des Hofes, die höhere Biodiversität und das Erhalten der bäuerlichen Traditionen wurden oft genannt. Bei den Nachteilen wurde am meisten der hohe Arbeitsaufwand erwähnt. Andere Nachteile sind das wenige Wissen über Laubfütterung bei den Beratungsstellen und zu den Nährstoffgehalten, sowie die nicht vorhandene Förderung durch Direktzahlungen.

Beispiel einer Waldweide.

Es liegt vor den Füssen – oder Hängt am Baum

Die Laubfütterung ist eine naturnahe Form der Tierfütterung. Es bietet die Möglichkeit, Futtermittel einzusetzen die auf dem Betrieb zu Verfügung stehen und kann die Nachhaltigkeit des Hofs erhöhen. Die lokale Produktion reduziert auch den Zukauf von Futtermittel. Auch das Tierwohl im Stall und auf der Weide wird damit unterstützt. Hauptsächlich bei einer nicht intensiven Haltung von Ziegen und robusten Schafsrassen kann man sich diese alternativen Überlegungen manchen. Jedoch bleibt sie auch sehr arbeitsaufwendig, was die Umsetzbarkeit auf mehreren Höfen verhindert. Bei der Haltung von Hochleistungstieren ist die Laubfütterung wegen einem hohen Arbeitsaufwand ungeeignet. Jedoch haben Bäume auch auf einem intensiven Hof einen wertvollen Beitrag zur Biodiversität, als Schattenspender und zur Abwechslung. Ein weiterer negativer Punkt ist die strikte Trennung zwischen Forst und Landwirtschaft. Tierhalter müssen zuerst mit dem Lokalem Förster auseinandersetzen und die Möglichkeiten besprechen. Je nach dem kann eine Zusammenarbeit durch die Nutzung einer Waldweide möglich sein oder nicht.

Schliesslich muss jeder einzelne Tierhalter das Potential auf dem eigenen Hof abklären. Es hat bestimmt noch versteckte Möglichkeiten, die eine oder andere Art von Laubfütterung einzuführen!

Juliane Ebenhög, 2022

Auf Nachfrage wird für interessierte Bäuerinnen und Bauern gerne die komplette Arbeit zugestellt (julianee@ethz.ch).

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