Kommunikation Teil II: Stallvisite bei Konrad
Interview mit Konrad Stalder
Im zweiten Teil der Reihe zu Kommunikation mit der nichtlandwirtschaftlichen Bevölkerung führten wir ein Interview mit Konrad Stalder. Konrad bewirtschaftet zusammen mit Toni Barmettler einen grossen Grünland-Pachtbetrieb im Eigental im Kanton Luzern. Der Betrieb weist einige Besonderheiten auf. Direkt neben dem Betriebsgelände befinden sich Baracken der Schweizer Armee, und zwischen Haus und Stall befindet sich ein Restaurant mit grossem Parkplatz für Spaziergänger und Wanderer. Das Eigental (mit seinen Ortschaften Eigenthal und Schwarzenberg) gehört nämlich zum Naherholungsgebiet der Stadt Luzern. Und auch die Bushaltstelle ist nur wenige Meter vom Betriebszentrum entfernt. Die Mitarbeitenden des Betriebes müssen also zwangsläufig damit umgehen können, dass häufig fremde Menschen über den Hofplatz laufen oder den Weg versperren. Doch der Betrieb ist auch proaktiv in seiner Kommunikation und bietet Stallvisite an. Das heisst, die Ställe sind für Besucherinnen und Besucher offen und dürfen betreten werden.
Stallvisite erklärt: Bei der Stallvisite handelt es sich um Programm, das vom Schweizer Bauernverband ins Leben gerufen wurde. Landwirtschaftsbetriebe, die besichtigt werden dürfen, können sich auf einem Portal eintragen. Menschen, die wiederum gerne einen Bauernhof besuchen würden, können auf dem Portal nach Landwirtschaftsbetrieben in ihrer Nähe suchen. |
Konrad, wie lange bietet ihr schon Stallvisiten an und was hat euch dazu bewogen?
Da muss ich gerade kurz überlegen. Ich war ja 2017 und 2018 als Lehrling auf dem Betrieb und damals war das auf jeden Fall schon so. Ich würde also sagen, wir machen das seit mindestens 10 Jahren. Toni hat damals gedacht, die Bushaltestelle ist ja so nahe am Betrieb und die Leute schauen sowieso in den Stall rein, da kann man die Gelegenheit nutzen und es ihnen auch offiziell erlauben.
Merkt ihr viel von den BesucherInnen im Stall?
Das ist wirklich noch speziell, ich habe eigentlich nicht das Gefühl, das wir viel Besuch haben. Deshalb habe ich mir auch schon überlegt, wieder damit aufzuhören. Andererseits hatten wir schon Besucher, ich habe dann etwas mit ihnen gesprochen und sie sagten mir, sie seien immer mal wieder hier. Ich habe diese Leute aber vorher noch nie gesehen! Aber dadurch, dass wir in zwei Ställen arbeiten und die Ställe den ganzen Tag für die BesucherInnen offen sind, merken wir einfach auch nicht unbedingt, wenn Leute da sind.
Wirklich? Das finde ich jetzt recht überraschend!
Es ist aber wirklich so, solange die Leute nicht gschiiren ( Anm. d. Red.: eine Unordnung veranstalten, sich nicht an die Regeln halten), merkt man wirklich nicht, ob jemand im Stall war oder nicht. Und damit hatten wir bis jetzt eigentlich keine Probleme.
Was ist der Grund dafür, dass ihr keine fixen Öffnungszeiten nur während der Stallarbeit habt, wie es viele andere Betriebe machen?
Bei uns ist die Bushaltestelle so nah und die Menschen kommen sowieso auf den Betrieb, unabhängig davon, ob wir im Stall sind, oder nicht. Deshalb denke ich, dass eine Beschränkung der Öffnungszeiten wenig sinnvoll ist.
Was sind für euch die Vorteile, so nahen Kontakt mit der Bevölkerung zu haben?
Man kann den Leuten die Landwirtschaft näherbringen und Dinge erklären. Zum Beispiel waren wir mal draussen am Klauen schneiden und ein Besucher hat nicht verstanden, was das soll. Wir haben ihm dann erklärt, was die Klauenpflege für einen Zweck hat und dann war alles klar. Oder ein anderes Mal hat uns eine Besucherin im Sommer gefragt, wieso die Kühe denn jetzt im Stall und nicht auf der Weide seien, die Tiere bräuchten doch Weidegang. Ich habe ihr dann gesagt, dass wir bei hohen Temperaturen im Sommer Nachtweide machen und dass das viel besser so sei für die Tiere. Als ich ihr das so erklärt habe, hat sie das tipptopp verstanden.
Ein weiterer Vorteil ist auch, dass wir einen Brotkübel installiert haben, in dem die Leute trockenes Brot für die Schafe und Ziegen abgeben können. Dort kommen rechte Mengen an Brot zusammen. Ich habe das Gefühl, dass viele Menschen nach dem Spaziergang das ungegessene Brot bei uns abgeben.
Was empfindet ihr eher als Nachteil?
Manchmal wünsche ich mir, die Leute würden ein bisschen nachdenken, bevor sie etwas sagen. Ich bin oft erstaunt darüber, was die Leute für Annahmen haben. Es wäre wünschenswert, wenn die Menschen zuerst nachfragen würden, bevor sie sich eine Meinung bilden. Man merkt halt oft, dass die Leute sehr wenig Ahnung von der Landwirtschaft haben.
Wie macht ihr die Besucherlenkung, wie verstehen die Leute, welche Bereiche sie betreten dürfen und welche off-Limit sind?
Unser Stall ist zweistöckig. Der untere Bereich ist für die Besucher zugänglich, im oberen Stock sind die Türen immer zu, es sei denn, die Mitarbeiter sind vor Ort. Dadurch ist den Leuten eigentlich klar, wo sie hin dürfen und wo nicht. Zudem haben wir bei den Eingangstüren Schilder mit den Regeln aufgehängt, die bei uns gelten. Dazu gehören:
- Tiere mögen keinen Lärm
- Im Stall wird nicht gerannt
- Die Tiere dürfen nicht gefüttert werden
- Hunde bleiben draussen
Hat sich Toni, als er mit der Stallvisite begonnen hat, sich bezüglich Versicherung, Unfallgefahr etc. beraten lassen?
Ich weiss nicht, ob sich Toni damals hat beraten lassen. Aber bei uns ist es wirklich so, dass es im unteren Teil des Stalls, der den Besuchern zugänglich ist, eigentlich keine Gefahren wie Maschinen, Heukran oder absturzgefährdete Stellen hat.
Unter welchen Bedingungen würdet ihr einem Betrieb empfehlen, sich für so ein Programm anzumelden?
Man muss halt etwas ein dickes Fell haben und es ertragen können, wenn die Besucher gewisse Fragen stellen. Man sollte eine offene Persönlichkeit sein und gerne mit den Leuten reden. Wenn ich sehe, dass wir Besuch haben, nehme ich mir gerne auch mal Zeit, gehe zu den Leuten und fange ein Gespräch mit ihnen an. Beispielsweise hatten wir kürzlich junge Lämmer. Als ich dann eine Familie im Stall gesehen habe, habe ich sie gefragt, ob sie die kleinen Schäfli sehen wollen und das Lamm schnell herausgeholt, damit sie es streicheln können. Und man muss wirklich auch sagen, die Leute sind sehr dankbar. Besonders die Kinder freuen sich sehr und sind zum Teil hell begeistert. Das gibt einem viel zurück.
Ich kann mir vorstellen, dass es emotional anstrengend sein kann, sich jederzeit auf Besuch einstellen zu müssen. Wie geht ihr damit um?
Ja, das ist schon so. Ich nehme den Besen sicher etwas häufiger in die Hand, damit alles ordentlich aussieht. Andererseits gefällt es mir selber ja auch sehr gut, wenn alles gut aussieht.
Hast du eine bestimmte Anekdote zu der Stallvisite, die du unseren LeserInnen erzählen möchtest?
Wir haben ja wie gesagt, den Sammelkübel für Brot. Als ich dort kürzlich den Deckel gewechselt habe, war gerade eine ältere Dame dort, um Brot zu bringen. Wir haben angefangen, miteinander zu reden. Sie war sehr begeistert und hat erzählt, dass sie, wenn sie vorbei kommt, immer Brot für die Schafe und Ziegen mitbringt. Und es stimmt wirklich, sie bringt immer schon perfekt gewürfeltes Brot für die Tiere. Mit solchen Leuten als Besucher macht die Stallvisite auch wirklich viel Freude.
Hilft euch die Stallvisite bei der Vermarktung eurer Produkte?
Wir vermarkten zwar einen gewissen Teil unseres Natura-Beefs und unserer Gitzi direkt, aber bei unseren KundInnen handelt es sich eher um Verwandte und Bekannte von Toni. Zudem verkaufen wir den grössten Teil unseres Natura-Beefs an den Uelihof. Für die Vermarktung ist die Stallvisite also nicht von Bedeutung.
Vielen Dank, Konrad, für das interessante Gespräch.
Laura Gisler, 2024
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