Kommunikation Teil I: Von Heilpflanzengärten und Kräuterfestivals

Interview mit Beatrice Bissig-Odermatt

Die Berührungspunkte zwischen der landwirtschaftlichen und der nicht landwirtschaftlichen Bevölkerung sind zahlreich. Trotzdem ist das gegenseitige Verständnis nicht immer da. Um die Kommunikation zwischen Stadt und Land zu fördern, gibt es diverse Projekte. Einige Landwirt*innen engagieren sich auch persönlich sehr stark in diesem Bereich. In dieser Beitrags-Reihe möchten wir euch zeigen, wie Betriebe sich zu diesem Thema engagieren, was sie motiviert und welche Schwierigkeiten sie überwinden mussten. In einem ersten Interview soll Beatrice Bissig-Odermatt zu Wort kommen. Beatrice ist Kräuterbäuerin und Ethnobotanikerin und bewirtschaftet mit ihrem Ehemann einen Hof im Engelbergertal.

Kräuterfestival auf Hof Neufallenbach (Bild: Hubert Würsch)

Beatrice, das Thema dieses Interviews ist die Kommunikation mit der nichtlandwirtschaftlichen Bevölkerung. Euer Betrieb kommuniziert auf viele verschiedene Arten: Die Homepage, dein Instagram-Kanal, deine Kurse und natürlich der botanische Heilpflanzengarten. Und dann habt ihr kürzlich ja noch ein Kräuter-Festival durchgeführt. Habe ich noch etwas vergessen?

(lacht) Nein, das ist glaub’s alles.

Apropos Festival: Wir haben euer Kräuterfestival besucht und waren etwas überwältigt vom Andrang. Wie war die Planungsphase, wie lange war das schon ein Thema?

Die Idee für das Festival hatten wir im letzten Oktober und ab Januar wurde es dann konkret. Wir waren die letzten drei Monate eigentlich Vollzeit damit beschäftigt, das Festival zu organisieren, alles andere musste hinten anstehen. Und trotzdem haben wir zum Beispiel die Speakerin Tanja Frieden erst einen Monat vor dem Festival engagiert. Für so einen Grossanlass ist das extrem kurzfristig!

Wir leben doch eigentlich im Paradies und die Natur bietet uns so eine Fülle, dass es uns an nichts fehlen müsste. Wir möchten die Leute inspirieren, diese Fülle zu sehen und zeigen, was als Lebensraum nur schon im eigenen Garten möglich wäre.

Beatrice Bissig-Odermatt

Was war euer Hauptbeweggrund, so einen grossen Anlass durchzuführen?

Wir befassen uns seit über 20 Jahren mit den Themen Heilpflanzen und Coaching. Wir hatten lange Jugendliche in schwierigen Lebenssituationen auf dem Betrieb. Und wir sehen es zum Teil auch bei den Kund*innen: es gibt so viele junge Leute ohne Energie und Antrieb. Darum war unser Ziel mit diesem Festival einen Pflock einzuschlagen: Macht die Augen auf und schaut! Schaut was möglich ist!

Wir leben doch eigentlich im Paradies und die Natur bietet uns so eine Fülle, dass es uns an nichts fehlen müsste. Wir möchten die Leute inspirieren, diese Fülle zu sehen und zeigen, was als Lebensraum nur schon im eigenen Garten möglich wäre. Das wollten wir auch mit der Dekoration (den Strohballen) und dem Essen am Festival zeigen. Nahrungsmittel, so einfach und unverarbeitet wie möglich. Essen, mit vielen Wildkräutern und Fleisch vom Hof, denn auch das gehört bei uns zum Betrieb. Wir wollten zeigen, dass mit einfachen Mitteln viel möglich ist. Auch im botanischen Heilpflanzengarten wollten wir zeigen, was man mit sogenanntem Unkraut machen kann.

Sitzbereich am Kräuterfestival (Bild: Hubert Würsch)

Ich habe am Festival Blackuns (Capuns mit Blackenblättern; Blacke = Ampfer) gegessen und später meinen Eltern vom Blackenbrot erzählt. Sie waren total begeistert davon, dass diese Pflanze, die ja sowieso überall vorkommt, für die menschliche Ernährung genutzt werden kann.

Genau! Es kommt immer darauf an, von welcher Seite man etwas betrachtet. Es gibt nichts, was nur schlecht ist. Wie es dabei herauskommt, hängt davon ab, wie sehr man bereit ist, den eigenen Standpunkt zu überdenken und zu ändern. Und schlussendlich soll das Leben vor allem Freude machen. Ich war beim Blacken stechen auf jeden Fall nie fröhlich.

War denn das Festival aus eurer Sicht ein Erfolg?

Wir bekommen immer noch täglich Feedback. Ich denke, wir konnten ein Gefühl für Lebensräume vermitteln und die Menschen auch inspirieren. Über das gesamte Wochenende haben insgesamt 6’000 Personen das Festival besucht und die Stimmung war stets sehr friedlich und harmonisch.

Ich glaube wir konnten die Menschen wirklich bewegen und ich denke, es ist uns gelungen, das Bewusstsein für die Natur, dass wir Teil der Natur sind, zu stärken. Daraus resultiert das Bewusstsein, nicht immer kämpfen zu müssen. Das bringt dann auch mehr Respekt. Und punkto Respekt: Ich biete momentan keine Wildpflanzenspaziergänge an, denn dann würde ich mich auf einer fremden Wiese bewegen. Ich möchte, dass die Leute bewusster im eigenen Garten schauen. Die Leute verstehen meist sehr schnell, dass sie es auch nicht gerne hätten, wenn fremde Menschen ihren Garten betreten. Daraus kann dann auch neuer Respekt für die Landwirtschaft erwachsen und die Menschen überlegen sich, dass sie einen Bauern fragen könnten, ob sie die Blacken auf seiner Wiese ernten dürfen.

Die Blacke (Rumex obtusifolius), von vielen als Unkraut verunglimpft (Bild: Beatrice Bissig-Odermatt)

Waren die Beweggründe für den als botanischen Heilpflanzengarten ähnlich wie beim Kräuterfestival oder hatte diese Öffnung auch marketingtechnische Elemente, beispielsweise, dass Leute, die im Schaugarten waren, direkt noch Tee im Gartenkiosk kaufen?

Bei uns steht immer die Freude am Anfang. Ich wollte schon immer einen Garten haben. Ich gehe für mein Leben gerne Gärten anschauen. Und weil Teilen Freude macht, möchte ich meinen Garten auch anderen Leuten, die Freude daran haben, zeigen. Mir ist sehr wichtig, dass Dinge schön sind, ich würde nie einfach einen viereckigen Garten in die Landschaft geklatscht wollen. Der botanische Heilpflanzengarten ist sehr ästhetisch und ich freue mich, wenn er anderen Menschen als Inspiration dienen kann.

Zum Verkauf muss man sagen, dass wir sehr viel Ware über Wiederverkäufer absetzen. Wenn die Leute etwas ab Hof kaufen, ist dies sicher ein Mehrwert für uns, auch weil somit eine höhere Marge haben. Aber wenn man Verkauf ab Hof anbietet, muss man auch bereit sein, Leute ums Haus herum zu haben. Ich glaube nicht, dass der reine Verkauf für mich ein genügend grosser Beweggrund wäre, das zu wollen. Dafür muss man Menschen gerne haben. Ganz wichtig ist es auch, das Angebot auf die Kundschaft zuzuschneiden, die man auf dem Betrieb haben will. Das sind kleine Schrauben, die man einstellt. Eine Preisanpassung beispielsweise kann das Kundensegment radikal verändern. Man muss wissen, was man will.

Führung durch den botanischen Heilpflanzengarten (Bild: Beatrice Bissig-Odermatt)

Was waren Herausforderungen bei der Erstellung des Schaugartens? Auf was habt ihr geachtet punkto Besucherlenkung, Infos, etc.?

Wir haben nur eine Tafel mit Regeln. Das ist in den meisten botanischen Gärten anders, dort sind die Regeln bei jedem Ein- und Ausgang aufgestellt. Wir sind da also relativ dezent. Wir haben aber noch eine grosse Tafel, auf der die Gartenräume beschrieben sind. In einem botanischen Garten ist es für die Besucher*innen wichtig zu wissen, welche Pflanzen sie in welchen Bereich des Gartens finden.

Aber ja, es ist extrem wichtig, dass klar ist, welche Bereiche privat sind und welche öffentlich. Wir versuchen das mit Besucherlenkung zu machen. Beispielsweise, dass Türen, die in unsere Privatwohnung führen, schwer zu öffnen sind. Oder mit dem Durchgang auf unsere private Terrasse, der schmal ist, sodass die Leute dort gar nicht durchgehen wollen. Das funktioniert von Jahr zu Jahr besser. Das liegt aber sicher auch daran, was für eine Klientel wir anziehen. Unsere Kund*innen sind meist sehr ruhige und respektvolle Leute, es wird selten laut.

Beschriftungskonzept im Botanischen Heilpflanzengarten (Bild: Beatrice Bissig-Odermatt)


Apropos Kundschaft: Wie finden die Leute allgemein zu euch?

Die Leute kommen über viele verschiedene Kanäle zu uns. Manche kommen wegen Mund zu Mund Propaganda, wieder andere wegen dem Instagram-Kanal oder sie entdecken uns per Zufall beim Wandern. Viele Leute an unseren Kursen sind aus der Region. Trotzdem ist unser Publikum sehr breit gefächert. Bei einem kleinen Kurs wie dem Salbenkurs kommt fast jede*r Teilnehmer*in aus einem anderen Kanton! Und dann haben wir immer noch Leute, die über einen Artikel oder die SRF-Sendung zu uns finden. Die Schweizer*innen sind extrem langfristige Planer, die Leute merken sich Dinge zum Teil jahrelang. Ich bin früher viel gereist und das war im Ausland ganz anders. Wenn du in Deutschland im Fernsehen kommst, läutet das Telefon bereits fünf Minuten nach der Sendung und danach für zwei Tage ununterbrochen. Nachher interessiert es aber auch niemanden mehr. In der Schweiz ist das anders. Wir merken, dass solche Beiträge auch Jahre später noch passive Werbung sind. Seit wir den Betrieb führen, haben wir nur ein Inserat geschaltet. Das Kräuterfestival war unser erster Werbeanlass seit 20 Jahren.

Wie ist es denn mit Werbung über Plattformen wie das Tourismusverzeichnis?

Ja, auf der Website von Engelberg Tourismus sind wir verlinkt. Allgemein sind wir in diesem Bereich aber nicht so stark. Es gibt auch zahlreiche Landwirtschaftliche Plattformen, auf denen man sich eintragen kann, aber das pflegen wir nicht allzu sehr. Ich persönlich finde es schwierig abzuschätzen, wie viel so ein Eintrag wirklich bringt. Dazu kommt noch, dass es sich beim Erstellen solcher Einträge klar nicht um unsere Kernkompetenz handelt. Auch unsere Website ist alt und wir sind daran, diese aufzufrischen. Aber wir sind einfach stärker darin, Dinge anzupacken und Sachen zu kreieren, als eine Plattform zu pflegen.

Du hast mehr als 3’000 Follower auf Instagram und betreibst dort auch aktiv Werbung für deine Kurse, das Kräuterfestival und so weiter. Welche Bedeutung hat Instagram für dich?

Instagram ist ein sehr wichtiger Kanal für mich. Über Instagram erreichen wir auch ein internationales Publikum. Beispielsweise waren Follower von mir in Engelberg in den Ferien und haben bei dieser Gelegenheit dann auch einen Kurs bei mir besucht. Wir bieten auch Kurse auf Hochdeutsch oder teilweise sogar noch in weiteren Sprachen an.

Über Instagram habe ich während dem Festival rund 50’000 Konten erreicht, die Reichweite war also enorm. Instagram war während dem Festival sehr wichtig für mich. Am Freitag vor dem Festival war klar, dass wir den Parkplatz, den wir eigentlich für unsere Gäste nutzen wollten, aufgrund einer Überschwemmung nicht zur Verfügung hatten. Daraufhin habe ich auf Instagram gepostet, die Leute sollen doch bitte mit dem Velo anreisen. Und es hat funktioniert. Am Sonntag war unser Velo-Parkplatz von tausenden Velos besetzt! Freunde aus Stans haben mir erzählt, dass sie viele Autos mit Velos auf dem Gepäckträger gesehen haben. Es ist fantastisch, wie gut die Kommunikation über Instagram funktioniert. Zudem schätze ich, dass aufgrund der Filter und Einstellungen, auch wirklich Leute angesprochen werden, die sich für unsere Themen interessieren.

Wie viel Zeit verwendest du pro Woche für Instagram?

Instagram ist für mich sehr zeitaufwändig, ich verwende etwa sieben bis acht Stunden darauf. Während dem Festival war es aber bedeutend mehr. Dort kam es sogar so weit, dass ich andere Personen engagieren musste, die den Feed am Laufen hielten. Ich hatte aber das Gefühl, dass das während des Festivals sehr wichtig war und denke, die Parkplatzgeschichte gibt mir recht. An Instagram schätze ich sehr, dass ich nicht in eine Leere hinaus kommuniziere. Beispielsweise künde ich über Instagram einen Kurs an und sehe später, dass auch Buchungen von dort kommen.

Ihr nutzt digitale Kanäle, gleichzeitig ist der Botanische Heilpflanzengarten natürlich sehr analog. Was sind deine Herausforderungen bei den jeweiligen Kommunikationsarten?

Für gewisse Leute ist sehr schwierig sich vorzustellen, dass Pflanzenkurse digital stattfinden sollen. Ich ignoriere das aber. Ein Zoom-Kurs hat viele Vorteile: Der Fokus liegt nur auf einem Thema. Den meisten Menschen fällt es online viel einfacher, sich zu konzentrieren, als im Garten. Dort sind viele Leute total überfordert mit der Pflanzenfülle.

Die Vorteile jeden Mediums hängen davon ab, was du suchst. Bei einer Life-Veranstaltung vor Ort muss man sich sauber anziehen und oft noch recht viel Material vorbereiten. Gleichzeitig ist es vor Ort einfacher, eine Bindung mit den Menschen aufzubauen und sie zur Interaktion zu animieren. Digital trauen sich die Leute oft weniger, Fragen zu stellen. Zudem kaufen die Menschen bei Kursen vor Ort noch viel mehr landwirtschaftliche Produkte, während ich bei Online-Kursen vor allem meine Pflanzenbroschüren verkaufe. Grundsätzlich ist es eine Konzeptfrage.

Die Viefalt des botanischen Heilpflanzengartens fasziniert die Besucher: Übersichtstafel (Bild: Beatrice Bissig-Odermatt)

Zum Schluss noch ein Blick in die Zukunft: Ihr plant ja einen Weg der Heilkultur. Was darf ich mir darunter vorstellen und wie weit ist dieses Projekt fortgeschritten?

Ja, dabei handelt es sich um ein Gruppen-Projekt. Ich bin Mitglied im Kompetenzzentrum für Heilkultur im Alpenraum. Und diese Heilkultur soll auch thematisiert werden. Der Lehrpfad soll einem bestehenden Wanderweg folgen und Themen wie Heilpflanzen, Landschaft, Wasser und Kraftorte thematisieren. Das Projekt ist schon so weit fortgeschritten, dass wir mit den kantonalen Behörden konkrete Gespräche zu der Umsetzung führen. Auf der Bewilligungs-Ebene sieht auch alles sehr positiv aus, jetzt geht es noch darum, die Finanzierung zu klären. Ein solches Projekt kann unsere Gruppe finanziell natürlich nicht alleine stemmen.

Beatrice, möchtest du zum Thema Kommunikation mit der Nicht-Landwirtschaftlichen Bevölkerung noch etwas sagen?

Je ehrlicher die Kommunikation ist, desto besser wird die Aussage verstanden. Wenn ich sage, wie ich mich bei einem bestimmten Thema fühle, kann dies eine Diskussion entschärfen. Häufig muss man sich gar nicht zu stark erklären. Wenn man die persönliche Ebene ins Spiel bringt, ist ein bestimmtes Thema meist schnell erledigt.

Weiter versuche ich, das zu tun, was ich liebe und dazu zu stehen. Es ist normal, dass nie alle Leute alles gut finden, was ich mache. Gewisse Differenzen kann man nicht ausdiskutieren, sondern nur so stehen lassen.

Und drittens ist alles ständig im Wandel, beispielweise die Meinungen über Gesundheitsthemen. Hier versuche ich, mich zurückzunehmen, aber trotzdem interessiert zu bleiben.

Und zuletzt gibt es Bereiche, die per se konfliktbelastet sein können, wie beispielsweise Wanderwege auf der Betriebsfläche oder Hunde im Alpgebiet. Dort muss man auch bereit sein, klar zu kommunizieren und zu sagen, wenn ein bestimmtes Verhalten nicht akzeptabel ist.

Laura Gisler, August 2024

Anmerkung der Redaktion: Inzwischen ist klar, dass Beatrice und ihr Team das Kräuterfestival im nächsten Jahr wieder durchführen werden. Wir freuen uns darauf.

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