Partnerschaft auf dem Bauernhof: (k)ein Buch mit sieben Siegeln

Gute, offene Gespräche und eine gerechte Rollenverteilung sind beste Grundlagen für eine, die Bäuerin und den Bauern erfüllende Partnerschaft. Gegenseitige Achtung, Rücksichtnahme und Toleranz sind Zauberworte des Zusammenlebens.

Das Zusammenleben auf dem Bauernhof ist in der Regel spannend und erfüllend. Damit das so ist, ist eine funktionierende Partnerschaft die beste Grundlage. Wichtig ist, als Bauernpaar einen guten Start auf dem Hof zu haben. Meist kommt eine junge Frau oder ein junger Mann neu auf den Hof. Gegenseitige Achtung, Rücksichtnahme und Toleranz sind die Zauberworte des Zusammenlebens. Wenn sich Alt und Jung gegenseitig achten, ist schon sehr viel Gutes da. Die abtretende Generation sollte sich bewusst sein, dass eine neue Persönlichkeit auf den Hof kommt: Meist ist das eine Person, die in einer anderen Umgebung und auch in einer anderen Familienkultur aufgewachsen ist. Der/dem Zugezogenen sollte ebenfalls klar sein, dass er/sie in eine Familie kommt, die bis anhin bestimmte Traditionen pflegte und die ihre eigenen Wertmassstäbe hat. Wichtig ist, dass die eigenen Ideale und Vorstellungen nicht aufgegeben werden müssen. Trotzdem darf es nicht sein, dass von einem Moment auf den anderen alle auf dem Hof gelebten Traditionen verschwinden müssen. Der Idealzustand ist, wenn das junge Paar eine eigene Kultur entwickeln darf.

Mietrecht statt Wohnrecht

Häufig steht vor dem Einzug der/des Partnerin/Partners ein Umbau oder ein Neubau des Bauernhauses an. Auch in diesem Punkt gibt es Möglichkeiten, den Frieden zu unterstützen. Ein gemeinsamer Haushalt mit der älteren Generation sollte grundsätzlich verboten werden! Das nahe Zusammenleben kann gut gehen – aber nur, wenn die beiden Familien ihren Freiraum haben und diesen gegenseitig respektieren. Wo es möglich ist, sollte darauf geachtet werden, dass vom einen Haus aus der Eingang des anderen Hauses nicht gesehen wird. Es ist nicht nötig zu wissen, wer bei der anderen Generation ein und aus geht oder wann jemand das Haus verlässt. Es ist nicht mehr zeitgemäss, den Eltern bei der Hofübergabe ein Wohnrecht zu gewähren. Wenn die Eltern unbedingt auf dem Hof bleiben wollen, gibt es beispielsweise die Möglichkeit eines Mietrechts. Diese Variante zementiert die Strukturen etwas weniger.

Ob Bauernleben im Tal- oder im Berggebiet: Eine der besten Grundlagen ist eine Partnerschaft, die beiden Freude macht.

Heutige Bauern/Bäuerinnen haben vielfältige Hintergründe

In der Schweiz werden jährlich mehr als 40 Prozent der Ehen geschieden. Wenn die genaue Zahl auch nicht bekannt ist – man weiss, dass bei Bauernpaaren die Anzahl der Scheidungen massiv zugenommen hat. Es gibt vielfältige Gründe, die zur Zerrüttung einer Ehe führen. Die letzte oder vorletzte Generation wuchs in der Regel auf einem Bauernhof auf. Dadurch war das künftige Arbeitsumfeld bekannt. Man wusste, dass man zeitig aufstehen muss und dass ein zünftiges Arbeitspensum auf einen wartet.
Heute verfügen viele über einen Beruf oder haben ein Studium absolviert. In vielen Berufen gilt heute die 42-Stunden-, beziehungsweise die Fünftagewoche. Dazu kommen rund vier Wochen Ferien pro Jahr. Wenn nun die junge Frau, der junge Mann einen Bauern/eine Bäuerin kennenlernt, wird sie mit anderen Arbeitszeiten konfrontiert. Auf den wenigsten Höfen wird es möglich sein, dass das Bauernpaar jedes Wochenende zwei Tage frei machen kann. Ebenso dürfte es schwierig sein, sich jedes Jahr vier Wochen Ferien zu gönnen.

Wahl der Rollenteilung als Chance

Wichtig ist, dass sich das Bauernpaar schon beim Aufbau der Beziehung Gedanken macht über die zukünftige Rollenverteilung. Das darf kein Tabu-Thema sein! Kein Bauer, keine Bäuerin darf annehmen, dass er/sie eine/n Partner/in gefunden hat, welche genau die Arbeit der Mutter/ des Vaters – oder noch ein wenig mehr – verrichten wird. Eine Generation und viele gesellschaftliche Veränderungen liegen dazwischen. Wenn der/die künftige Partner/in im Teilzeitpensum in ihrem erlernten Beruf arbeiten möchte, sollten unbedingt Wege gefunden werden, um das zu ermöglichen. Dies kann für die junge Familie wie für den Hof eine Chance sein. Der Vater kann dadurch unter Umständen eine tiefere Beziehung zu seinen Kindern entwickeln. Wichtig ist, dass die Rollen genau definiert und gerecht verteilt werden, und dass der Hof der Situation angepasst wird. Vereinfachungen müssen eingeführt werden. Es kann in dieser Situation nicht sein, dass der Haushalt von der Bäuerin allein erledigt werden muss! Das Allerwichtigste ist: Beide Partner müssen sich mit ihrer Rolle identifizieren können – dann ist der Bauernberuf nach wie vor eine sehr gute Grundlage für eine dauerhafte und gute Partnerschaft.

Eine erfüllende Partnerschaft entsteht nicht „einfach so“ – es braucht immer wieder Einsatz.

„Rede mitenand“

Gespräche, die von gegenseitiger Offenheit geprägt sind, sind die Grundlage einer guten Partnerschaft. Es geht nicht, ohne dass man die eigenen Vorstellungen und Bedürfnisse kundtut und gleichzeitig dem Partner zuhört. Auch vor dem Start muss sich der/die zukünftige Bauer/Bäuerin Fragen beantworten: Kann ich als junger Mensch mit den Vorstellungen meines/r künftigen Partners/Partnerin klarkommen? Bin ich bereit, mich mit seinen/ihren Vorstellungen zu identifizieren? Auch als Bauer/Bäuerin muss ich mir bei Beginn der Partnerschaft wichtige Fragen stellen: Liebt mein/e Partner/in auch meinen Beruf? Ein junger Mensch, der mit Widerwillen Bauer/Bäuerin wird, wird’s schwierig haben – sein/ihr Partner/in mit Sicherheit auch!
Gespräche über gegenseitige Wünsche sind wichtig – immer wieder. Wünscht man/frau beispielsweise Romantik, ist es wichtig, was der/die Partner/in unter dem Begriff versteht. Wenn er glaubt, dass sie zweimal im Jahr rote Rosen erwartet, liegt er unter Umständen völlig falsch. Für sie beinhaltet der Begriff vielleicht andere, für sie sehr wichtige Details. Den Alltag als Bauernpaar immer wieder so zu meistern, dass er beiden Partnern Freude bereitet, ist eine dauernde Herausforderung. Herausforderungen sind aber dazu da, dass sie angepackt werden. Spannungen oder Krisen gehören zum Alltag – mit guter Kommunikation, also mit guten Gesprächen sowie mit gutem Willen können sie gelöst werden.

Die Liebesnacht beginnt am Morgen

Jedes junge Paar sollte sich mit dem Gefühlsleben des anderen Geschlechts auseinandersetzen. Mit allem guten Willen: Frau und Mann fühlen und ticken nicht gleich! Sie haben andere Denk- und andere Persönlichkeitsstrukturen. Das zeigt sich auch im Umgang mit der Sexualität. Unter dem Wort „Zärtlichkeit“ verstehen Mann und Frau meist nicht das Gleiche. Eine Frau denkt bei diesem Wort vielleicht an Komplimente und Zusammensitzen bei romantischem Kerzenlicht – ein Mann denkt eher an den Beischlaf mit seiner Partnerin. Soll die Beziehung für beide Ehepartner attraktiv und erfüllend bleiben, müssen sich Frau und Mann bemühen, auf den Partner, beziehungsweise die Partnerin einzugehen. Eine Frau darf nicht bei jedem Beischlaf ein ausgedehntes Vorspiel und ein ebenso romantisches Ausklingen erwarten. Diesem ständigen Erwartungsdruck werden die wenigsten Männer gewachsen sein. Genauso wenig darf aber der Mann das Gefühl haben, er könne in schöner Regelmässigkeit seine Bedürfnisse in Kürze befriedigt haben. Das wird mit Sicherheit nicht aufgehen! Tatsache ist, dass für beide die Liebesnacht am Morgen beginnt. Wenn jemand während des Tages unzufrieden ist und die schlechte Laune am Gegenüber auslässt, dürfte es schwierig werden. Die Partnerschaft muss während des Tages gelebt werden, sie muss stimmen – damit am Abend die traute Zweisamkeit entstehen kann.

Agnes Schneider Wermelinger, Weisstannen

Agnes Schneider ist langjährige landwirtschaftliche Beraterin und Kommunikationsfachfrau und hat sich auf Mediationen für Bauernpaare spezialisiert.

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