Schlachthaus in Bauernhand

Im Thurgau, sind rund um Hagenwil 70 Bauern über einen Verein gemeinsame Eigentümer eines Schlachthauses. Rinder, Kälber, Schweine und Schafe können hier geschlachtet werden.

Ursprünglich hatten Viehversicherungen das Schlachthaus im Jahr 1972 gebaut, insbesondere auch um Notschlachtungen vorzunehmen. In 2005 waren die Versicherungen nicht mehr obligatorisch und Notschlachtungen kamen viel seltener vor. Ein neuer Betreiber musste her. So gründeten Bauern aus der Region einen Verein und übernahmen das Schlachthaus gemeinsam in ihre Verantwortung

Schlachthaus als Verein organisiert

Heute hat der Verein 70 Mitglieder. Diese zahlen jedes Jahr einen Mitgliedsbeitrag von Fr. 50. Sie bekommen im Gegenzug eine Vergünstigung von 10 Rappen auf den Preis pro kg Schlachtgewicht, Notschlachtungen sind kostenfrei und bei der Mitgliederversammlung gibt es für alle ein Nachtessen. Die Versammlungen sind beliebt, 35-40 Personen kommen jedes Jahr. Eine gute Gelegenheit, sich im Dorf mal wieder unter Bauern und Bäuerinnen zusammenzufinden.
An drei Nachmittagen die Woche ist ein selbständiger Metzger vor Ort, wenn ein Tier zum Schlachten angemeldet ist. Durchschnittlich werden ein Rind und ein Schwein pro Woche geschlachtet. Der Tierarzt schaut das Tier lebendig an, dann bekommt es vom Metzger eine Betäubung mit dem Bolzenschussgerät. Beide Arbeitsschritte finden noch im Transportanhänger statt. Das bedeutet mehr Sicherheit für den Mensch und weniger Stress für das Tier. Schon betäubt wird das Tier mit der Winde in das Schlachtlokal gezogen und dort getötet.

Die Winde zieht das betäubte Tier aus dem Hänger in das Schlachthaus – das Tier braucht nicht in die ungewohnte Umgebung zu laufen, weniger Stress für Tier und Mensch

Alles von einer Hand

Metzger Pascal Hasler arbeitet allein. Er betäubt, häutet und zerlegt das Tier, er stellt Würste und Spezialitäten wie Trockenfleisch her. Für ein Rind braucht er alle Arbeiten eingerechnet sechs bis sieben Stunden. Die meisten Bauern vakuumieren ihr Fleisch anschliessend selber. Inklusive aller Spezialitäten kostet das Metzgern eines Rindes von 240 kg 900-1000 Franken, also Fr. 3,75-4,20 pro kg Schlachtgewicht. Das reine Schlachten, Zerlegen, Hacken und allenfalls Wursten kostet etwa 3 Franken pro kg Schlachtgewicht. Schlachthausgebühren in Höhe von 20 Rappen pro kg, die Entsorgung der Reste (Rind z.B. Fr. 27) sowie die Lebend- und Fleischbeschau (Rind z.B. Fr. 52) durch einen Tierarzt kommen noch hinzu. Bei kleineren Tieren sind die Gebühren geringer.

Die Wurstmaschine, doch Pascal Hasler stellt auch Spezialitäten wie Mostbröckli und Schinken her.

Vorteile dieser Schlachtung

Das Angebot wird im wesentlichen von Bauern und Bäuerinnen im Umkreis von 10km genutzt, die ihre Tiere selber zum Schlachthaus bringen. Sie erhalten das Fleisch ihres Tieres zurück, gerade für die Direktvermarktung ein wichtiger Aspekt. Nur für diese oder für die Selbstversorgung wird es verwendet.
Es gibt viele weitere Vorteile eines solchen Schlachthauses: Der Transportweg ist kurz, das bedeutet weniger Stress für die Tiere und weniger CO2-Ausstoss. Die Tiere werden nicht mit anderen ihnen unbekannten Tieren auf einem Lastwagen transportiert.
Für den Metzger ist diese Arbeit ein Nebenerwerb und er macht alle Arbeitsschritte selber: Betäuben, Töten, Häuten, Zerlegen, Herstellen von Spezialitäten wie Wurst, Mostbröckli oder Schinken. Seine Arbeit ist abwechslungsreich und selbstbestimmt – echtes Handwerk. Ein grosser Unterschied zur Tätigkeit als Schlachter oder Zerleger in den grossen Schlachtstätten.
Die Bauern haben eine flexible Möglichkeit, ihre Tiere zum Schlachten zu geben. Sie rufen an und machen einen Termin ab. Maximal zwei Tiere gleichzeitig werden angeliefert, alles passiert mit viel Ruhe. Und damit angenehmer für Tier und Mensch.

Voraussetzungen

„Was braucht es, damit ein Schlachthaus wie dieses gut funktioniert?“ frage ich Markus Bommer, den Vorsitzenden des Vereins. „Das wichtigste ist ein guter Metzger. Davon gibt es heutzutage nämlich nicht mehr viele. Ausserdem braucht es genügend Kunden, also Bauern und Bäuerinnen, die ihre Tiere zum Schlachten bringen. Auch die Unterstützung der Gemeinde ist wichtig. Diese Voraussetzungen sind bei uns alle gegeben. Auch der Kanton ist uns wohlgesonnen.“
Ein ganz neu gebautes Schlachthaus bräuchte heutzutage noch einen extra Warteraum für die Tiere und zwei, drei Details mehr. Insgesamt sei die Grösse des vorhandenen Schlachthauses aber gut. Ein Schmutz- und ein Sauberbereich, ein Verarbeitungsraum, ein Kühlraum, Sanitärbereich und Lagerraum. Alles so ausgerichtet, dass auch zwei Metzger gut aneinander vorbeikommen.
20km weiter soll so ein Schlachthaus im Rahmen einer Genossenschaft neu gebaut werden. 1,6 Millionen Franken wurden für den Bau veranschlagt. 600.000 Franken finanziert der Kanton, die übrige Million müssen die Genossenschafter selber aufbringen.

Vereinspräsident Markus Bommer ist froh, dass er einen kompetenten Metzger für die Führung des Schlachthauses gewinnen konnte

Auf den Metzger kommt es an

Pascal Hasler, der jetzige Metzger, arbeitet in Vollzeit bei einem grossen Schlachtunternehmen in der Frischfleischannahme. Er übt die Tätigkeit im Schlachthaus von Hagenwil zusätzlich selbständig aus und ist sehr zufrieden mit dieser Kombination. Das freiere, vielfältigere und flexible Arbeiten gefällt ihm gut.
Die Ausstattung des Schlachthauses gehört nicht dem Verein, sondern noch dem vorherigen Metzger. Aktuell mietet Pascal Hasler diese von seinem Vorgänger, später möchte er sie in sein Eigentum übernehmen. Er kann sich gut vorstellen seine Tätigkeit, die er erst seit August diesen Jahres eigenverantwortlich ausübt, noch lange zu machen und irgendwann vielleicht auch in grösserem Umfang. Doch dafür müsste auch die Nachfrage unter den Landwirten steigen.

Sonja Korspeter, 2020, Thurgau

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