Vom (Hobby)-Rebengärtner zum Stadtwinzer

Andreas Dilger betreibt ein Weingut mitten in Freiburg im Breisgau, das auch Veranstaltungsort für Konzerte und Tagungen ist. Seine Weinberge liegen gleich am Stadtrand. Er liebt die enge Verbindung von städtischer Kultur und ländlichem Winzerhandwerk.

Ursprünglich kommt Andreas Dilger aus Rheinfelden / Baden ganz in der Nähe der Schweizer Grenze. Er hat in Freiburg Sozialpädagogik studiert und anschliessend ehrenamtlich den Kinder-Abenteuerhof in Freiburg mitaufgebaut. Dort können Kinder mit Tieren und in einem Garten hautnah in Kontakt mit dem Leben auf dem Bauernhof kommen. Auch heute noch nimmt er Kinder mit in Weinberg, Streuobstwiesen und die Brennerei, um für sie erlebbar zu machen, wie gute Lebensmittel entstehen. Erwachsene können in Weinproben und bei Führungen durch die Reben schmecken und erleben, was den ökologischen Weinbau ausmacht.

Sein Geld verdiente Dilger in den ersten Jahren mit seiner Firma für ökologische Hausdämmungen. Gleich nach dem Studium übernahm er auch einen kleinen Garten, um selber Obst und Gemüse anzubauen. Zu diesem Garten gehörten ein paar Reben ….. sie waren der Grundstock für das heutige Weingut Andreas Dilger.

Klein aber fein

Der Betrieb umfasst 3,5 ha Reben und 1,5 ha Streuobstwiesen und ist inzwischen ein Haupterwerbsbetrieb mit zwei vollen Arbeitskräften und einigen Aushilfen. Die Produktvielfalt ist gross – sieben Rotweine, vier Weissweine, zwei Roséweine, ausserdem Prosecco, Säfte, Schnäpse und Liköre, die alle auf dem Gut hergestellt werden. Sie können an bestimmten Wochentagen direkt im Verkaufsraum des Weingutes erworben werden. Der Grossteil der Spezialitäten wird allerdings über die Gastronomie und Läden in Freiburg und Region vermarktet. Es sind jedoch nicht nur die Vielfalt und die Verbindung von innerstädtischer Kultur mit ländlichem Winzertum, die das Weingut auszeichnen. Auch weinbaulich unterscheidet sich der Ecovin-Betrieb von anderen in der Region.

Pflanzenschutz

Andreas Dilger hat nach und nach alle Rebstöcke durch neue robuste Sorten ersetzt, die widerstandsfähig gegen Pilze sind. Diese Sorten sind Ergebnis langjähriger Züchtungen durch das Staatliche Weinbauinstitut Freiburg (WBI). Wildreben aus verschiedenen Teilen der Welt wurden mit hiesigen Sorten gekreuzt. Über Jahre hinweg sind so „Pilzwiderstandsfähige Rebsorten“ entstanden, die in unserem gemässigten Klima dem echten und falschen Mehltau widerstehen können.

Auch bei diesen Sorten braucht es noch zwei bis vier Mal im Jahr den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wie Wasserglas, Kupfer oder Netzschwefel. Zusätzlich werden gegen den Schädling Traubenwickler in den Rebanlagen kleine Pheromon-Dispenser aufgehängt, die überall den Duftstoff der Traubenwickler-Weibchen verbreiten. Die Männchen finden die Weibchen nicht und es kommt nicht zur Eiablage auf dem Geschein oder der Traube. „Der Schaden durch den Traubenwickler entsteht“, erläutert Weinmann, „wenn die Würmer nach dem Schlupf die Beerenhaut durchbohren und zuckerhaltiger Saft aus der Beere austritt, auf dem sich dann der Botrytispilz etablieren kann.“

Eine weitere wichtige Pilzvorsorge ist die gute Durchlüftung der Reben, so dass Blätter und Trauben immer rasch abtrocknen und Pilzen keinen Nährboden bieten.

Bodenpflege

Die gute Belüftung wird auch durch eine differenzierte Bodenbearbeitung erreicht. Andreas Dilger lockert den Boden direkt unter den Weinstöcken zwei bis drei Mal im Jahr mit einem Scheibenplug, der seitlich am Traktor angebracht ist. „Nach Möglichkeit kombiniere ich diese Arbeit mit einer Pflanzenschutzmassnahme, um die Zahl der Durchfahrten mit dem Traktor durch den Rebberg gering zu halten.“ Durch den Einsatz des Scheibenpflugs im Unterstock-Boden wird der Grasbewuchs gestört. Dies gewährleistet die gute Durchlüftung der Reben und sichert ihnen eine bessere Wasserversorgung; denn das Gras ist für die Rebe auch ein Wasserkonkurrent.

In den Reihen zwischen den Reben ist der Bewuchs bis zu einer gewissen Höhe dagegen gewünscht und wird gezielt kultiviert. Dilger sät eine Mischung von etwa 30 Gründüngungspflanzen, die ganz unterschiedliche Wurzeltiefen und -arten haben. Es sind viele blühende Sorten dabei wie Phacelia, Winterwicke, Borretsch, Malve. Sie sorgen ebenfalls für einen guten Aufschluss des Bodens und damit für gute Bedingungen für die Bodenlebewesen. Sie helfen Humus aufzubauen. Die Pflanzen blühen zu unterschiedlichen Zeiten und bringen viele Monate im Jahr Bienen und andere Nützlinge in den Weinberg. Sie bringen Biodiversität in die Monokultur Weinberg.

Grosse Trockenheit

Doch in den letzten Wochen war es so trocken, dass alles verfügbare Wasser von den Reben gebraucht wurde. Deshalb hat Dilger die Zwischenreihen gemulcht bzw. jede zweite Reihe sogar gefräst, um die Begrünung stark zu stören. In die gefrästen Reihen wird in einigen Wochen die Winterbegrünung frisch eingesät. In relativ jungen Rebbergen – wie dem, der auf dem Bild zu sehen ist – sät Dilger alle zwei Jahre neu ein; sind die Reben älter bzw. ist der Boden schon fruchtbarer sät er die Begrünung nur noch etwa alle vier Jahr neu ein.

Nicht alle Pflanzen kommen und die meisten sind nur ein – oder zweijährig. Die Selbstaussaat klappt nur teilweise. Deshalb braucht es auch zum Erhalt der Sortenvielfalt die regelmässige Nachsaat. Bei normalen Wetterverhältnissen wird nur die Höhe des Bewuchses reguliert, indem sie auf etwa 10cm runtergemäht wird. Die Mahd wird an Ort und Stelle liegen gelassen und kommt dem Boden wieder zu gute.

In den kommenden drei bis vier Wochen bis zur Ernte kann es bei vermehrten Regenfällen noch zu Feuchtigkeitsproblemen bzw. Fäulnis- oder Pilzanfälligkeit kommen. Um diesen Problemen vorzubeugen wird Dilger mit seinem Mitarbeiter dann eventuell noch einmal durch die Reben gehen und per Hand Blätter entfernen oder einzelne Äste gipfeln. Dies gewährleistet eine gute Durchlüftung und ein rasches Abtrocknen der Trauben.

Viel Handarbeit

Für diese Art von Arbeit hat Andreas Dilger aus Überzeugung keine Maschine. „Es geht darum, genau zu schauen, welche Blätter und Äste zu viel sind und welche es braucht. Das ist mit einer Maschine unmöglich.“ Ausserdem ist er dann viel näher an seinen Reben und sieht genau, wie es ihnen geht, wo er eventuell noch eine weinbauliche Massnahme ergreifen muss. Dilger lenkt meinen Blick auf eine Pflanze: „Die „Sauvignon gris“ Trauben haben die Trockenheit sehr gut überstanden. Die Blätter sind gesund und grün, die Trauben fest und ohne irgendwelchen Schorf. Sie sind allerdings kleiner als sie wären, wenn es in den letzten Wochen auch einmal geregnet hätte.“

Dilger hat keinen grossen Maschinenpark. Er arbeitet mit einem Weinberg-Schlepper. Für diesen hat er eine Fräse, einen Mulcher, die Rebspritze und einen Scheibenpflug für die Unterstockarbeit.

Für diese Arbeiten ist er zuständig und auch für die Entscheidungen, welche weinbaulichen Massnahmen ergriffen werden. Häufig ist er beim Beginn der Arbeiten, die per Hand ausgeführt werden dabei; doch dann übernehmen der Angestellte und gelegentliche Aushilfen die zum Teil Wochen dauernde Handarbeit. „Diese Detailarbeit ist auch eine Voraussetzung dafür, dass wir im nächsten Jahr dann einen guten Wein haben.“

Besondere Sorten

Auf den Weinflaschen von Andreas Dilger stehen Namen wie Cabernet Cortis, Sauvignon gris oder Monarch. Diese Namen der pilzwiderstandsfähigen Sorten, genannt PIWIs sind vielen Verbrauchern nicht geläufig. Sie kennen eher Merlot oder Pinot Grigio. Deshalb ist es für Andreas Dilger sehr wichtig, dass die Kunden bei ihm probieren können. Sich bei einem Glas seines Weines überzeugen, dass der Name zwar ungewohnt, der Geschmack jedoch ausgezeichnet ist. Diese Heranführung an die neuen Sorten gelingt nicht nur über Weinproben sondern auch im Rahmen der kulturellen Veranstaltungen, die in den Räumen des Weingutes stattfinden. Nur 10 Minuten Fussweg von der Einkaufszone entfernt befinden sich die Räumlichkeiten in einem ehemaligen Gebäude der Verkehrswerke Freiburg, also in einem sehr städtischen Rahmen. „Das ist nicht zufällig so. Ich möchte es so. Weil ich beides mag – die städtische Kultur und das landwirtschaftliche Arbeiten. Alle Kultur ist ursprünglich mal aus der Landwirtschaft entstanden.“

Heute hätten die industrialisierten Formen der Landwirtschaft jedoch nichts mehr mit Kultur zu tun. „Es geht für mich darum Beispiele zu zeigen, wo Kultur und Landwirtschaft wieder beieinander sind. Sich auch gegenseitig unter Gleichgesinnten zu unterstützen und an dem Thema zu forschen.“ Für Andreas Dilger sind deshalb nicht nur seine Kontakte zu Leuten aus der Kulturszene und zu Landwirten und Winzern wichtig. Er ist auch mit Initiativen und Einzelpersonen verknüpft, die sich für Veränderungen in der Landwirtschaft einsetzen. Mit diesen gemeinsam hat er das AgriKulturfestival auf die Beine gestellt. „Dieses Festival symbolisiert all das, was ich lebe – es ist sozusagen genau meins.“

Sonja Korspeter

Artikel erschienen in Kultur und Politik 3/2015

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Freiburg im Breisgau
Andreas Dilger
5 ha
3,5 ha Reben und 1,5 ha Streuobstwiesen
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