Permakulturhof Chuderboden – Ein wohl überlegtes Experiment

In der Nähe von Luzern entsteht seit zwei Jahren ein neuer Permakulturhof. Auf dem Südhanggelände in Höhenlagen von 700-800m gibt es sehr steile Bereiche und auch Wald. Nach der AP14-17 wäre auf einem solchen Hof keine gewerbliche Landwirtschaft möglich. Doch in acht Jahren sollen die Kulturen so weit gediehen sein, dass der Hof sich trägt.

Die Strasse schlängelt sich vom Flusstal der kleinen Emme in engen Kurven steil den Berg hinauf. Am Ende wird sie zum Schotterweg, und dann ist man beim Chuderboden angelangt. Den Namen hat dieser Ort schon lange. Es sieht auch noch ein bisschen so aus: Die Reste eines Hauses, eine Baracke, ein Stall, eine Werkstatt. Daneben eine große Wiese, bestanden mit Wildobst und Reben. Weiter hinten geht es wieder den Berg hoch, auf steile Wiesen und in den Wald. Der Blick auf die andere Talseite ist grandios.

Heuen am Steilhang

Beat Rölli hat ganz und gar keinen Chuder im Kopf. Er hat seinen Hof sorgfältig geplant und experimentiert gezielt mit Methoden, die in unseren Breitengraden wenig üblich sind. Sein Ziel ist es, Landwirtschaft und Naturschutz auf dem Hof in Einklang zu bringen. Über die eigene Verarbeitung der Ernte möchte er eine hohe Wertschöpfung erreichen. Permakultur heisst für ihn auch Strukturen aufzubauen, die wenig Unterhalt erfordern. Wo der Mensch wenig eingreifen muss und dennoch Jahr für Jahr ernten kann. Der Wildobst-Waldgarten, im Frühjahr 2012 gesetzt, soll mit einem von Weiden durchsetzten Rebberg zukünftig das Hauptstandbein des Hofes sein.

Wildobst – robust und ertragreich

Kornelkirsche, Mispel, Felsenbirne, gezüchtete Eberesche, Quitten, Aronia, Holunder, Hasel und Scheinquitte sind die wichtigsten der Früchte, die an dem leicht abfallenden Hang wachsen. Sie wurden auf kleinen Erdwällen gepflanzt, um die Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen. Das Wasser, das den Hang hinunterläuft, sammelt sich in den Rillen davor, hält die Wurzeln des Wildobstes auch in Trockenperioden lange feucht und führt ihnen Nährstoffe zu. Es sind robuste Sorten, die nicht gegen Schädlinge behandelt werden müssen. Sie lassen sich relativ leicht ernten und geben Früchte, die einen hohen Nährwert aufweisen. In etwa acht Jahren sollten sie reiche Ernte bringen. Sie blühen zu unterschiedlichen Zeiten und bieten so den Bienen eine reichhaltige Futterquelle.

Bienen

Heute leben erst zwei Bienenvölker auf dem Hof. Zukünftig sollen es zehn bis fünfzehn Völker werden. Beat Rölli experimentiert mit naturnahen Bienenhaltungen. Zurzeit hält er seine beiden Völker in Oberträgerbeuten. Die Bienen bauen ihre eigenen Waben an Leisten und dürfen schwärmen und sich vom eigenen Honig ernähren. Eine Zufütterung mit Zuckerwasser ist nicht vorgesehen und der Honig wird nur ein bis zwei Mal im Jahr geerntet.

Ab nächstem Jahr will Rölli mit Perone-Bienenstöcken arbeiten. Die sehr großen Bruträume des Bienenkastens (180 Liter) führten zu größeren Bienenvölkern. Ziel ist es, die Bienen so zu halten, dass der Imker möglichst wenig zu tun hat. Wichtig sei hierbei die richtige Standortwahl. Denn Bienen reagierten auf Erdstrahlen. An einem Standort, an dem die Bienen sich wohl fühlten, seien sie stärker, widerstandsfähiger und brauchten keine oder kaum Pflege. Es werde sich zeigen, ob sich mit diesem aus Südamerika stammenden System auch mit der Varoamilbe umgehen lässt. Beat Rölli erläutert:

„Die Bienen sollen sich dank der großen Pflanzenvielfalt und damit eines reichhaltigen Futterangebotes auf dem Hof über das Jahr verteilt, selber ernähren können. Zuerst kommen die Weiden, dann die Kornelkirsche, die anderen Früchte, der Löwenzahn, im Juli/August die Bienenbäume, später Unterpflanzen wie Borretsch und Beinwell und noch später im Jahr dann der Efeu.“

Entbuschende Ziegen und bodenbearbeitende Wollschweine

Diesen Sommer waren noch weitere Tiere auf dem Hof: Stiefelgeissen, Bauernziegen und Bündner Strahlenziegen haben auf den steilen Wiesen für die Entbuschung des Landes gesorgt. Ihre Aufgabe ist nun erstmal erfüllt. Im nächsten Jahr wird es keine Ziegen auf dem Hof geben. Beat Rölli erläutert die Gründe: „Aktuell lebt noch niemand dauerhaft auf dem Hof, doch die Tiere brauchen eine regelmäßige Betreuung. Hinzu kommt, dass der Naturschutz auf einigen der Wiesen neu die Beweidung nicht mehr will, so dass nun viel weniger Weide zur Verfügung steht. Und drittens sind aktuell die jungen Wildobststräucher noch recht empfindlich und ein Ausbruch der Ziegen von ihren Weiden könnte verheerende Folgen haben.“

Wollschweine

Auch vier junge Wollschweine waren den Sommer und Herbst über auf dem Hof. Ihre Aufgabe bestand darin, bei der Bodenlockerung und insbesondere bei einer leichten Terrassierung zu helfen.

An den meisten Stellen, wo die Schweine gewirkt haben, wächst das Gras heute sehr gut. Doch es hat sich gezeigt, dass der Boden auf Chuderboden zu lehmig und speziell im Frühjahr 2013 zu feucht war. Er wird durch die Schweine zu stark verdichtet, sobald sie etwas länger an einer Stelle sind. So viel Freude ihm die Schweine auch machen, der Hof ist aus Beat Röllis Sicht für die Schweinehaltung nicht ideal. Deswegen sind sie jetzt wieder zu seinem Schwager umgezogen.

Für den Chuderboden geeigneter sei Geflügel, also Hühner, Wachteln, Königstauben. Diese könnten zukünftig im Waldgarten zwischen den Wildobststräuchern umherziehen, dabei den Boden lockern und düngen, Gräser und Insekten finden. Außerdem finden sie Schutz vor Wetter und Tieren.

Wassermanagement

Neben dem Versuch, Land, Pflanzen und Tiere sinnvoll miteinander zu vernetzen, ist auch das Wassermanagement ein wichtiges Element der Permakultur auf Chuderboden. Beat Rölli erläutert: „Wir wollen die Speicherfähigkeit des Bodens erhöhen und zukünftig eine Million Liter Wasser mehr auf dem Land halten. Wenn der Oberboden mehr Wasser aufnehmen kann, dann sinkt die Gefahr von Erdrutschen, die hier häufig vorkommen.“

Vorbereitung für den Wildobst-Waldgarten

Bodenanalysen haben gezeigt, dass der Anteil an organischem Material auf dem Hof mit 2% sehr gering ist. Rölli hat deshalb bereits viele Kubikmeter Stückholz und Häcksel in den Wildobst-Waldgarten eingebracht. Dieses Holz wirkt als Wasserspeicher und trägt zum Humusaufbau bei. Der Waldgarten soll sich möglichst selber düngen. Zu diesem Zweck werden in den nächsten Jahren Stickstofffixierer und Minenpflanzen gesetzt. Ziel ist eine Entwicklung des Bodens in Richtung Waldboden.

„Durch die bessere Wasserspeicherfähigkeit des Bodens bereiten wir uns auch auf Klimaveränderungen vor. Wenn es in Zukunft längere Trockenperioden gibt, so möchten wir dennoch ohne Bewässerung auskommen.“

Entscheidend sei hierbei der Humusaufbau, aber auch das Anlegen von Teichen, die die Nährstoffe auffangen. Zusammen mit Kompost und Mulch können diese dem Boden wieder zugeführt werden. Eine weitere Massnahme ist das Anlegen von offenen Wasserrillen, die von Erlen begrenzt werden. Das Wasser kann gezielt in ein Humusauffangbecken geleitet werden; Steilhänge und Strasse werden geschützt und die Pflege dieser offenen Rillen ist viel einfacher als die unterirdischer Rohrsysteme. Auch die Begrünung der Dächer ist wohl überlegt. Sie dient der Isolation, die Bepflanzung erhöht die Artenvielfalt und ist Bienenweide. Zudem können auf den Dächern auch Kräuter angebaut werden. Durch die Dachbegrünung wird das Wasser gefiltert, und die geplante Photovoltaikanlage kann effektiver Strom erzeugen. Doch letzteres ist Zukunftsmusik. Erst müssen das abgebrannte Haupthaus wieder aufgebaut und die Frage der Anerkennung des Hofes als Gewerbe geklärt werden.

Der Tanz mit den Behörden

Auf dieses Thema kommt Beat Rölli in unserem Gespräch einige Male zu sprechen. „Bis jetzt hatte ich eine gute Zusammenarbeit mit den landwirtschaftlichen Behörden. Ich habe einen Naturschutzvertrag für die Bewirtschaftung der Naturschutzflächen auf unserem Hof. Und ich bin auch dem Sonderwaldreservat beigetreten.“ Im Rahmen dieses Programmes ermöglicht der Kanton die Umsetzung innovativer, ökologischer Waldbewirtschaftungsformen wie die Mittel- und Niederwaldbewirtschaftung. Auf Chuderboden geht die Realisierung der gestuften Waldränder zügig voran.

„Da unsere Wälder seit vielen Jahrzehnten kaum geschlägert wurden, beschatteten sie grosse Teile unserer landwirtschaftlichen Flächen. Die schweren Buchen erhöhen zudem das Risiko von Hangrutschen auf einigen Flächen. Deshalb macht es Sinn, bestimmte Bäume zu fällen und gestufte Waldränder zu machen.“

Neulich waren die kantonalen Behörden auf dem Hof von Beat Rölli. Sie begutachteten den Wildobst-Waldgarten und befanden: Das kenne man nicht; das entspräche nicht den Anforderungen für Spezialkulturen; diese Form von Dauerkultur sei nicht direktzahlungsberechtigt und werde auch nicht als Landwirtschaft anerkannt, respektive könnten keine SAK (Standarbeitskräfte) dafür angerechnet werden. Was nicht in den Richtlinien steht, das gibt es auch nicht – die typischen Schwierigkeiten eines Pioniers.

Wird der Hof nicht als landwirtschaftliches Gewerbe anerkannt, dürfte es schwierig werden, ihn infrastrukturell weiterzuentwickeln. Ein Treibhaus ist geplant, ein Verarbeitungsraum wird in einigen Jahren notwendig sein, das Haus soll nach baubiologischen Kriterien wieder aufgebaut werden. Und es soll Führungen und Kurse auf Chuderboden geben. Für all das braucht es die Anerkennung als Gewerbe, ebenso wie für den Bezug von Direktzahlungen.

Längerfristig möchte Beat Rölli einen Umsatz von etwa 100’000 Franken pro Jahr aus Produktion, Verarbeitung und Vermarktung des Waldgartens erreichen. Doch bis dahin sind noch so einige Investitionen zu tätigen. So wird allein die Genehmigung der Teichanlagen auf dem Land von Chuderboden Kosten in Höhe von fast 20’000 Franken verursachen. Damit ist die Anlage aber noch nicht gebaut.

Verarbeitung und Wertschöpfung auf dem Hof

Fleißiges Graben für den Wildobstgarten

Alles, was auf dem Hof wächst, soll möglichst vor Ort verarbeitet werden. Aus dem Wildobst kann es Dörrfrüchte, Säfte und Konfitüren geben. Aus den Trauben sollen feine Traubensäfte, aber auch Essig, Verjus und Traubenkernöl gemacht werden. Dazu kommen die verschiedenen Nüsse und das Obst. Kräuter und Sechuan-Pfeffer ergänzen die Palette, so dass es möglich wäre, eine Smoothie-Bar mit gesunden, frischen Säften an einem der großen Schweizer Bahnhöfe aufzumachen. Das Dörrobst kann im Winter die Gemüsekisten von Vertragslandwirtschaftsprojekten bereichern. Auch mit Restaurants möchte Beat Rölli zusammenarbeiten. Weiter hegt er den Plan, auf Chuderboden Kurse zu Permakultur und ökologischem Landbau zu geben. Die TeilnehmerInnen könnten sich Wissen mit Anschauungsbeispielen vor Ort aneignen, Smoothies degustieren und auch die Produkte des Hofes erwerben.

Vision „belebter Hof“

Beat Rölli betont noch einmal: „Für uns ist es wichtig, Ökologie und Produktion in Einklang zu bringen. Wir wollen nicht hier die Ausgleichsflächen und da die Intensivflächen. Der Wildobst-Waldgarten ist beides: er bietet verschiedensten Tieren und Pflanzen einen Lebensraum und liefert außerdem eine reiche Ernte.“ Der Hof soll durch den Anbau von verschiedensten Pflanzenarten und die Anwesenheit möglichst vieler Menschen belebt werden. Hier sollen Menschen arbeiten und zusammenkommen, um etwas über Permakultur, alte Sorten und neue Ernährungsweisen zu lernen. Beat Rölli möchte auch mit anderen Höfen in der Region zusammenarbeiten. Und resilient soll der Hof werden, also fähig, aus eigener Kraft mit Widrigkeiten umzugehen. Das bedeutet auch, dass seine Bewirtschaftung mit möglichst wenig fossilen Rohstoffen auskommen muss.

„Waldgärten wie unsere Wildobstanlage sind in den Tropen längst erprobte Systeme. Wir machen sie jetzt in angepasster Form hier vor Ort und probieren damit die Landwirtschaft von übermorgen aus.“

Aus „Chuderboden“ könne dann nach und nach der „Sunneboden“ werden. Alles eine Frage der Zeit, des Zusammenspiels der Ökosysteme und des Engagements der Menschen auf dem Hof. Bis jetzt haben hier schon viele Menschen mitgewirkt. Nun gilt es, ein Haus zu bauen, damit die Vision des belebten Hofs das ganze Jahr hindurch Wirklichkeit werden kann.

Beat Rölli ist Biologe und arbeitet als Permakultur-Berater und -Ausbilder. Neben dem Aufbau seines Hofes berät er Landwirte, die ihren Hof permakulturell weiterentwickeln wollen; er macht Gartengestaltungen und realisiert den Bau von Teichen und Hochbeeten. Beat Rölli ist verheiratet mit Elena und hat drei Söhne.

Sonja Korspeter, 2013

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Permakulturhof Chuderboden
4 ha
4 ha
Wildobst, Obst, Reben, Walnüsse
Bienen
700 m ü. M.
Naturschutzzonen und Wald-Sonderreservat, Felswände, Trockenwiesen, Waldränder

2011: Anerkennung als Landwirtschaftsbetrieb

2012-2014: In Umstellung auf Biologische Landwirtschaft

2013: Erhalt von Direktzahlungen
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