Mythos Mondkalender

Wer sich mit Garten und Kalendern beschäftigt, kommt am Mondkalender nicht vorbei. Der Mond bewegt Meere und sorgt für Ebbe und Flut. Und er bewegt Millionen von Gärtnerinnen und Gärtnern. Es gibt Untersuchungen, die einen Einfluss des Mondes auf das Pflanzenwachstum nahelegen. Zwei bis drei Tage vor Vollmond keimen Aussaaten von Gemüse, Kräutern, Getreide und Zierpflanzen offenbar besser, die Pflanzen werden grösser und bringen höhere Erträge. Der Mondkalender und die Aussaattage, die von zahlreichen Verlagen veröffentlicht werden, beziehen sich aber nicht auf die Wirkung des Vollmonds, sondern auf Mond-Tierkreiskonstellationen. Dabei sind unterschiedliche Berechnungen im Umlauf, die sich entweder auf den synodischen oder auf den siderischen Mondrhythmus beziehen. Die Unterschiede zwischen den beiden Berechnungsweise betragen mitunter mehrere Tage, was niemanden zu stören scheint.

Der Mond ist ein Millionengeschäft. Mondkalender und Aussaatkalender verkaufen sich bestens. Viele Gartenzeitschriften können es sich nicht leisten den Mondkalender zu entfernen, weil einige Abonnenten sonst kündigen. Nach welchem Mondrhythmus die Berechnungen durchgeführt wurden ist dabei egal, Hauptsache es werden Sternzeichen und die ihnen zugeordneten Gemüse mit genauer Zeitangabe dargestellt.

Wissenschaftliche Beweise, die den Einfluss dieser Konstellationen belegen, stehen bis heute aus. Folglich ist der gesunde Menschenverstand gefragt. Der Mondkalender ist eigentlich ein Pflanzenhoroskop. Seriöse Astrologen erwarten aber nicht, dass sich ein Mensch, der im Sternzeichen Stier geboren ist, genau so verhält. Sie wissen, dass sein Verhalten auch von seinem Aszendenten, seinem Umfeld und seiner Entwicklung beeinflusst wird. Bei der Arbeit mit den gärtnerischen Mondkalendern ist das nicht anders: Wenn das Wetter schlecht, der Boden kalt und der Samen überaltert ist, wird die Pflanze serbeln statt gedeihen. Sind keine Nährstoffe da, und ist der Unkraut-, Krankheits- und Schädlingsdruck gross, leiden die Pflanzen, auch wenn man sie bei der angeblich «idealen» Tierkreis-Konstallation sät, häckelet und bäschelet.

Trotzdem klammern sich Millionen von Gärtnerinnen und Gärtnern an den Mondkalender. Vermutlich, weil es so einfach ist. Statt sich selbst ein Bild darüber zu machen, ob der Boden schon warm genug ist, um eine Aussaat zu wagen oder zu schauen, ob die Jahreszeit stimmt, muss man nur einen Blick in den Kalender werfen. Ob die Grundbedürfnisse der Pflanzen gedeckt sind steht aber nicht in den Sternen. Nur wenn Bodentemperatur, Feuchtigkeit, Bodenfruchtbarkeit und Saatgut stimmen, kann die «richtige» Konstellation am Firmament vielleicht zum (noch) besseren Wachstum der Pflanze beitragen. Aber nur in dieser Reihenfolge – nicht umgekehrt.

Quelle: Spriessbürger – Handbuch für den Anbau von Gemüse und Salat in der Schweiz, Eveline Dudda und Klaus Laitenberger, erschienen Herbst 2015. Mehr zu dem Buch in unserer Mediathek.

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Hier ein weiterer, vertiefter Artikel zu einer kritischen Betrachtung der verschiedenen Mondkalender.

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