Gesucht: Alternative zu Antibiotika

Bericht über den Verein Kometian im Mitgliedermagazin der Kleinbauern-Vereinigung.

Der übermässige Einsatz von Antibiotika hat antibiotikaresistente Keime zur Folge. Deshalb muss der Antibiotika-Einsatz künftig sinken, auch in der Landwirtschaft. Doch was heisst das für die praktische Arbeit in den Ställen? Eine steigende Anzahl Tierhalter greift auf alternative Heilmethoden wie die Homöopathie zurück. Für Einsteiger ebenso wie für alte Hasen bietet der Verein Kometian (komplementärmedizinisches Tierheilangebot) rund um die Uhr telefonische Beratung. Ein Portrait.

Es ist 20 Uhr abends, das Telefon von Nicole Studer-Hasler klingelt. Die Tierärztin und ausgebildete Tierhomöopathin betreut das Notfall-Telefon von Kometian. Kometian steht für Komplementärmedizinisches Tierheilangebot und wurde im Jahr 2012 von Bauern und Tierärztinnen initiiert. Sieben Tage die Woche, rund um die Uhr können sich Bauern und Bäuerinnen telefonisch an die Beratenden von Kometian wenden. Im Beraterteam arbeiten Tierärztinnen mit Fähigkeitsausweis in Homöopathie, sowie Tierheilpraktiker und Tierhomöopathen mit anerkannter Ausbildung.

Viele Gründe sprechen gegen Antibiotika

Antibiotika können tödliche, bakterielle Erkrankungen heilen, sie sind darum unverzichtbar für die Human- und Tiermedizin – doch bei übermässigem und unsachgemässem Gebrauch werden die Bakterien resistent und die erhoffte Wirkung verpufft. Antibiotikaresistente Bakterien, denen man mit keinem Mittel mehr Herr wird, gefährden heute die Gesundheit von Mensch und Tier. Das ist einer der Gründe dafür, dass immer mehr Tierhalter die Beratung von Kometian nutzen mit dem Ziel, den Antibiotika-Einsatz auf ihren Betrieben zu verringern.
Neben der Resistenzbildung sprechen weitere Argumente für den Einsatz von alternativen Heilmitteln. «Mit Kometian kann ich Wartefristen vermeiden und Antibiotikarückstände in der Milch ausschliessen», erklärt eine Milchproduzentin aus der Ostschweiz. Hinzu kommt, dass die Behandlung mit alternativen Methoden oft kostengünstiger ist als die Behandlung mit Antibiotika. «Beispielsweise in tierärztlich weniger gut versorgten Gebieten, wie in den abgelegenen Seitentälern des Tessins, ist die Nachfrage gross», berichtet Werner Amman, Präsident von Kometian.
So kommt auch der exemplarische Telefonanruf von einer besorgten Ziegenhalterin aus dem Kanton Tessin. Eine ihrer Ziegen hat 40 °C Fieber und frisst nur noch das Nötigste. Sie sollte in einem Monat gitzeln. Vor 10 Tagen hatte die Ziege Martina bereits einmal Fieber und wenig Appetit, da konnte sie von der Bäuerin erfolgreich homöopathisch behandelt werden. Nun aber ist die Tessinerin mit ihren Kenntnissen am Ende und wendet sich daher an Kometian. Übers Telefon stellt Nicole Studer-Hasler Fragen zum Tier: Wie ist die Atmung? Sind Bauch und Euter hart oder weich etc. Die Beobachtungen der Tierhalter sind zentral und werden bei der Beratung einbezogen. «In der letzten Stunde hat sie ein wenig gefressen, seither ist ihr Zustand besser und das Fell ist nicht mehr so gesträubt», beschreibt die Tierhalterin. Aufgrund der umfassenden Beschreibung empfiehlt die Kometian-Beraterin ein homöopathisches Mittel. Am nächsten Abend erhält sie ein SMS: «Martina ist seit heute Morgen fieberfrei, unauffällig, es geht ihr gut.» Der Fall ist für Kometian somit abgeschlossen und Martina wird von ihrer Halterin weiterhin gut beobachtet werden. Gemäss Rückmeldungen von Bauern tritt bei 57 % Patienten eine Heilung oder Besserung ohne schulmedizinische Folgebehandlung ein.

Mehr Neueinsteiger und Kleinwiederkäuer-Halter

Fälle wie den beschriebenen gab es laut Studer-Hasler in den Anfängen von Kometian oft: Tierhalter, die sich bereits gut mit alternativen Heilmethoden auskannten, wendeten sich an die Beratungsstelle, wenn sie mit ihrem eigenen Fachwissen und Erfahrung nicht mehr weiterkamen. Seit Herbst 2016 aber, hätten die Anfragen bei Kometian massiv zugenommen, berichtet Studer. Täglich zwei bis drei Beratungsgespräche zählt Kometian heute. Das ist eine Verdoppelung der Nachfrage. Nun sind viele Ratsuchende Neueinsteiger, die bisher auf konventionelle Methoden – oft Antibiotika – gesetzt hatten. Das Gros der Beratungsanfragen betrifft Kühe, ein Drittel der Fälle Mastitis bei Milchkühen. Tendenz steigend sind auch die Anfragen von Kleinwiederkäuer-Haltern.

Beratungsangebot neu auch vor Ort

Seit diesem Jahr bietet Kometian Bestandesbegleitung und Beratung vor Ort an. Ziel der Bestandesbegleitung ist es, die Bauern persönlicher betreuen zu können; Tierhalter und Berater sind regelmässig telefonisch im Kontakt und treffen sich auch auf dem Hof. Kometian verspricht sich, auf Bestandes-Ebene mehr erreichen zu können, als bei der telefonischen Einzeltierbehandlung möglich ist. Wenn nötig, erfolgt eine Zusammenarbeit mit dem Bestandestierarzt, dem Melk- oder Fütterungsberater. «Mängel bei Haltung und Fütterung kann die Homöopathie genauso wenig kompensieren wie die klassische Tiermedizin», betont Werner Ammann. Damit der Antibiotikaverbrauch weiter reduziert werden kann, sind vorsorglich Massnahmen gegen Krankheiten zu treffen. Ein grosser Teil des Erfolges liegt beim Management in Zucht, Fütterung, Haltung, Hygiene und generell in der Betreuung. «In grossen wie in kleinen Beständen kann bei Gruppen und Einzelfällen die Komplementärmedizin sehr grossen Nutzen erzeugen, wenn der Tierhalter sich die Zeit zur genauen Beobachtung nimmt», so Ammann.

Sich wappnen für die Zukunft

Bestandesbegleitung bietet sich bei Schweinen und Geflügel an. Doch hier stecke man noch in den Kinderschuhen, so Amman. Zwar seien gegen die 50 Zuchtschweinehalter Mitglied, aber die Beratung werde eher selten in Anspruch genommen. Auch bei den Hühnern handelt es sich bisher um Einzelfälle. Zusammen mit der Schweizerischen Eier und Geflügel Genossenschaft baut derzeit einen Beratungsdienst für Eierproduzenten und Junghennenaufzüchter auf. Im Februar 2017 fand der erste Einführungs-Kurs für Hühnerhalter statt. «Nun nehmen wir die Beratungen in Angriff und sammeln Erfahrungen in einem für die Homöopathie noch jungen Gebiet», sagt Nicole Studer-Hasler. Auch im Bereich Bienenhaltung sammelt ein Berater mit interessierten Imkern erste Erfahrungen. Die Arbeit von Kometian zeigt, dass für eine veritable Antibiotikareduktion in der Landwirtschaft noch Wissen erarbeitet und praktische Erfahrung gesammelt werden muss.

Branche unterstützt Alternativen zu Antibiotika

Heute zählt Kometian gut 340 Einzelmitglieder und 27 Kollektivmitglieder. Kollektivmitglied sind unter anderen Verarbeiter wie Vianco und die Molkerei Biedermann, mehrere Milchproduzentenverbände, das Forschungsinstitut für biologischen Landbau und die Labelorganisationen Demeter Schweiz und KAGfreiland. Hauptsponsoren sind Bio Suisse, Haldimann Stiftung, Emmi Schweiz AG und Zentralschweizer Milchproduzenten ZMP. Beide letztgenannten und die Schweizerische Eier und Geflügel Genossenschaft leisten Beiträge zugunsten ihrer Produzenten, wenn diese Kometian-Beratungen in Anspruch nehmen.

Nationale Strategie Antibiotikaresistenzen(StAR)

Antibiotikaresistenzen nehmen zu – auch in der Schweiz. Der Bund geht das Problem mit einer nationalen Strategie (kurz StAR) an. Die Bekämpfung von Resistenzen wird seit 2016 von Bund, Kantonen und weiteren Akteuren umgesetzt. Kometian ist ein konkreter Akteur und wird vom Bund über 5 Jahre hinweg finanziell unterstützt und wissenschaftlich durch das Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL) und die Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwisseschschaften wisssenschaftlich begleitet. Sämtliche Beratungsfälle werden elektronisch erfasst. Die Ziele des Projektes sind breit, unter anderem sollen innert sechs Jahren der Antibiotikaeinsatz auf den beratenen Betrieben um 50% und die Gesundheitskosten um 30 % reduziert werden.

Séverine Curiger, Kleinbauern-Vereinigung, Mitgliedermagazin Ökologo 3/17

Website der Kleinbauernvereinigung

Website des Vereins Kometian

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