Mob Grazing mit Belted Galloway

Auf dem Gallowayhof Ming spielt die Weidehaltung eine grundlegende Rolle. Stefan und Kathrin Ming verfolgen den Ansatz, ihre Tiere möglichst naturnah zu halten und gleichzeitig das Bodenleben zu fördern. Dieser Weg erfordert eine ständige Anpassung an die Bedingungen vor Ort. Das Betriebsleiter-Ehepaar erklärt:

Unser Ziel ist es, die Wiesen primär als Weiden zu nutzen, d.h. die Tiere selber arbeiten lassen, wie es die Natur vorgesehen hat. Das Weiden war für uns immer etwas Zentrales in der Rindviehhaltung. Das brachte uns ja damals nach Neuseeland, weil uns das gefällt. Dort kann man dank dem Klima die Weidehaltung natürlich noch ausgeprägter praktizieren.

Stefan und Kathrin Ming

Unter Schweizer Klimaverhältnissen ist eine ganzjährige Weidehaltung nicht möglich. Dass im Winter Stallungen benötigt werden, war deshalb von Anfang an klar. Ein Stall bietet aber auch im Sommer Vorteile, da er den Tieren als Rückzugsort vor der Hitze dient. Das Ziel war von Beginn an, die Tiere in Freilaufställen mit Auslauf zu halten. Zunächst wurden Neubauten geplant, aber dann kamen Stefan und Kathrin zu der Erkenntnis, dass sie sich den Produktionsdruck, der mit Neubauten und grossen Investitionen einhergeht, nicht aufbürden wollen. Vielmehr ist nun das Ziel, die vorhandene Infrastruktur zu nutzen und mit den Mitteln zu produzieren, die auf dem Betrieb vorhanden sind. So wurden die vorhandenen Anbindeställe in den letzten Jahren zu Freilaufställen umgebaut.

Für ihr Weidesystem setzt die Familie Ming auf Mob Grazing nach dem System der amerikanischen Farmer Joel Salatin und Gabe Brown.

Mob Grazing zeichnet sich durch fünf Merkmale aus:
1. Hohe Besatzdichte
2. Kurze Verweilzeiten
3. Lange Rastzeiten bis zur nächsten Beweidung
4. Grosse Aufwuchshöhe
5. Bildung einer Mulchschicht durch das Niedertrampeln der Vegetation
(Definition von Netzwerk Mob Grazing)

Praxis und Management

Der hintere Zaun spielt im Weidesystem von Familie Ming eine entscheidende Rolle. Er verhindert bei der Öffnung eines neuen Weideabschnitts, dass die Tiere zurückgehen und das frisch nachgewachsene Gras abfressen. Jeden Tag wird ein neuer Weideabschnitt hinzugegeben, und nach spätestens fünf Tagen wird die gesamte Fläche verlassen. Dann wird wieder ein neuer, kleiner Schlag intensiv beweidet. Durch die intensive Beweidung ist die Nutzung und Düngung durch die Tiere sehr stark. Wenn dann der vordere Zaun weiter nach vorne gesteckt wird, konzentrieren sich die Tiere auf das neue Futter und gehen nicht in den Abschnitt von gestern zurück. Dadurch muss nicht an jedem Tag ganz neu gezäunt werden. Das reduziert den Arbeitsaufwand im Vergleich zur herkömmlichen Portionenweide.

Die schematische Darstellung zeigt, wie der vordere Zaun jeden Tag verschoben wird, der hintere hingegen für mehrere Tage gleich bleibt

Um die Wasserversorgung der Tiere sicher zu stellen, werden einige hundert Meter 20 mm-Schlauchleitungen verlegt. Daran ist ein 100-Liter-Tränkebecken mit Schwimmer angeschlossen. Das bietet den Vorteil, dass das Becken beim Weidewechsel einfach ausgeleert und von Hand verschoben werden kann. Dabei ist aber wichtig, dass das Becken voll ist, bis die Tiere auf die neue Weide kommen. Ansonsten kommt es eigentlich selten vor, dass ein Becken umgestossen wird.

Zielsetzung im Mob Grazing

Bei der herkömmlichen Beweidung ist das Weideziel eine sauber abgefressene Fläche. Im Gegensatz dazu steht das Ziel von Stefan und Kathrin, wo die Tiere etwa 70 % der vorhandenen Biomasse fressen sollen. Die restlichen 30 % werden zu Boden getrampelt. Diese Pflanzen sind teilweise aber immer noch mit der Wurzel verbunden und können bis zur nächsten Nutzung aufwachsen und Samen bilden. Der Bestand ist dadurch vielfältiger, was Stefan und Kathrin aber nicht als Problem sehen, sondern als Chance. Dadurch ist auf der Weide auch verholztes Futter vorhanden. Die Tiere spüren, wenn sie mehr Struktur benötigen und können diese somit auch direkt auf der Weide zu sich nehmen. Die Weiden werden deshalb nie nachgeputzt. Lediglich einige Problempflanzen wie Blacken (Rumex obtusifolius) werden ausgestochen.

Dass das System funktioniert, zeigt sich auch daran, dass sich die Tiere, wenn sie im Sommer in den Stall kommen, kaum für das vorgelegte Heu interessieren, sondern in erster Linie ruhen und wiederkäuen. Daraus kann man ableiten, dass die Tiere auf der Weide alles bekommen, was sie benötigen.

Die Weidesaison beginnt bei Familie Ming im Ebnet (auf 700 m) im April und in Schüpfheim (auf 1000 m) etwas später. Ab dann sollten die Tiere ihr Futter auf der Weide zu sich nehmen. Eine Ausnahme bilden die Muttertiere mit kleinen Kälbern. Diese erhalten im Stall stets auch Heu, damit die Kälber gut fressen lernen und zusätzlich zu der Milch auch strukturreiches Futter zu sich nehmen.

Gallowaytiere im hohen Gras, sowie im Vordergrund eine kürzlich verlassene Weide (Bildquelle: Gallowayhof Ming)

Nahrung für den Boden

Auch für den Boden bietet das System viele Vorteile. Das niedergetrampelte Gras schützt vor intensiver Sonneneinstrahlung oder peitschendem Regen. Auch Trittschäden entstehen weniger, weil die eigentliche Grasnarbe durch eine Polsterschicht abgedeckt ist. Dadurch entstehen weniger Lücken, in denen sich (Un)kräuter breit machen können. Generell fördert Weidegang in einen hohen Bestand eher die Gräser. Das niedergetrampelte Gras sehen Stefan und Kathrin als Investition in die Bodenfruchtbarkeit und als Nahrung für die Bodenlebewesen. Dadurch, dass diese Schicht Wasser speichert, trocknet der Kuhdung weniger schnell aus und ist belebt.

Weil es sich nicht um eine Standweide handelt, sondern die Tiere weitergetrieben werden, bevor das Gras nachwächst, werden die Reserven der Pflanzen nicht belastet. So können sich die Pflanzen erholen und neue Reserven in die Wurzeln einlagern, bis die nächste Nutzung sechs Wochen später erfolgt.

Angepasste Pflanzenbestände

Seit der Umstellung auf Mob Grazing beobachten Stefan und Kathrin eine Veränderung ihrer Bestände. Auf dem Ober Hereschnabel, auf 1’000 Meter ü. M., entwickeln sich die Bestände sehr positiv. Seit Einführung des Systems ist die Grasnarbe deutlich trittfester geworden. Obwohl sie nicht als typische Weidegräser gelten, setzen Kathrin und Stefan auf Knaulgras (Dactylis glomerata) und Wiesenfuchsschwanz (Alopecurus pratensis) als Leitgräser. Diese sind widerstandsfähiger gegenüber Kahlfrösten und bilden schöne, dichte Bestände, während das Raigras häufig auswintert und somit grosse Lücken hinterlässt.

Besonders in der tiefer gelegenen Parzelle Bleiche stellt die Blacke (Rumex obtusifolius) eine Herausforderung dar. Von dieser Pflanze scheint eine grosse Samenbank im Boden vorhanden zu sein. Dank ihres grossen Wurzelwerks profitiert die Blacke von freiem Stickstoff und ist dann sehr konkurrenzstark. Durch die Förderung des Bodenlebens soll der Blacke dieser Vorteil entzogen werden. Wahrscheinlich werden die Pflanzen in gewissem Umfang immer vorhanden sein. Das Ziel ist aber, dass sie gegenüber dem Grasbestand an Konkurrenzkraft verlieren, sodass sie irgendwann in der Wiese “untergehen”. Eine weitere Bekämpfung der Blacke erfolgt mit dem Urdinkel-Anbau.

Flexibel bleiben…

Natürlich ist ein System nie so einfach, wie es ursprünglich geplant und beschrieben wurde. Damit das Mob Grazing gut funktioniert, verlässt sich Familie Ming nicht auf starre Richtwerte. Vielmehr beobachten sie das System genau und greifen korrigierend ein, wenn nötig. Ein wichtiger Indikator ist die Zufriedenheit der Tiere auf der Weide: Werden sie unruhig, zäunen Stefan und Kathrin auch schon mal früher nach als geplant. Zudem achten sie darauf, wie viele Pflanzenreste zurückbleiben, und berücksichtigen die Witterung. So benötigten die Tiere im besonders nassen Frühjahr 2024 deutlich grössere Flächen als üblich, um Schäden am Boden zu vermeiden.

Im Frühjahr und Herbst ist es oft schwierig, den idealen Zeitpunkt für Weidebeginn und Ende zu treffen. Besonders bei einer Herbstweide, in der die Tiere die Reste der Vegetation fressen, werden sie oft unruhig, gehen viel und suchen ständig nach besserem Futter. Dies entspricht nicht den Zielen des Mob Grazing. Gleichzeitig ist es arbeitswirtschaftlich natürlich interessant, wenn die Tiere möglichst lange auf der Weide sind, weil dann der Stall nicht geputzt werden muss. So wird zwischen den Zielen des Mob Grazings (Humusaufbau, Bodenleben fördern) und organisatorischen Aspekten abgewogen.

Im ersten Aufwuchs wird rund die Hälfte des Grünlandes beweidet. Auf der anderen Hälfte wird der erste Aufwuchs als Heu konserviert. Dieser Heuschnitt macht rund 70 % des Wintervorrates aus. Bei der zweiten oder dritten Weidenutzung wird die Beweidung dann auch auf die Schnittfläche ausgedehnt, die sich dann im zweiten Aufwuchs befindet.

Gallowaytiere im hohen Gras (Bildquelle: Gallowayhof Ming)

Laura Gisler und Hubert Würsch, 2025

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Gallowayhof Ming
Schüpfheim CH
Stefan und Kathrin Ming
1.3 ha
20 ha
8.5 ha
Bio Knospe
Grünland, Mutterkuhhaltung, Galloway Gourmetbeef Direktvermarktung, Urdinkel
Urdinkel, Grünland
17 Mutterkühe mit Kalb
1 Zuchtstier
18 Jungtiere, Absetzer
1000 m ü. M.
Bio
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Zwei Betriebsstandorte, einer auf 700 Meter, der andere auf 1000 Meter
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