Vogelknöterich

Name

Vogelknöterich – Polygonum aviculare

Familie

Knöterichgewächs, Polygonaceae

Volksnamen

Angerkraut, Ackerminskraut, Blutgarbe, Blutkraut, Chrottechrut, Dähnengras, Dehngras, Delmenhorst, Falsches Polygalakraut, Hansel am Weg, Hansel in den Gassen, Eisern Heinrich, Heinzli am Weg, Hemerianatee, Hühnergras, Hühnerscherm, Jungferntritt, Knotengras, Knotenkraut, Knotenwegerich, Närvechrut, Reisskraut, St. Innozenzkraut, Russischer Knöterich, Saugras, Saukraut, Schweinlagros, Schweinegruse, Soachkräutel, Wegkrattler Tausendknoten, Tennengras, Trampelpflanze, Unvertrete, Unvertritt, Vogelchrut, Vogelgras, Vogelscherm, Weggras, Weglauf, Wegspreite, Wegsaukraut, Wegtritt, Zehrgras.

Vorkommen und Ökosystemaufgaben

Der Vogelknöterich wird als Kosmopolit bezeichnet, da er fast auf der ganzen Erdkugel verbreitet ist.

Beschreibung

In unserer Gegend wächst er häufig an Weg- und Wiesenrändern, am Ackerrand, auf Schuttplätzen sowie zwischen Pflastersteinen. Er ist bis auf 2400 m Höhe zu finden. Das einjährige Kraut wächst meist niederliegend, seltener aufsteigend, kann eine Höhe bis zu 40 cm erreichen. Die verzweigten Stängel tragen wechselständig angeordnete, schmale und spitzauslaufende Blätter ohne Stiel. Die Länge der Blätter schwankt zwischen 0,5 und 3cm. Ihre unscheinbaren, trichterförmigen, weisslich bis rosarotfarbenen Blüten erscheinen in den Blattachsen (Hauptblütezeit Juni bis September). Die Adventivknospen des Vogelknöterichs sind praktisch unzerstörbar. Sobald durch Zertreten seine Ästchen verletzt werden, treibt die Pflanze sofort 2-3 neue Knospen. Gehört zu der nordischen Pflanzengruppe.

Sammeln

Das blühende Kraut kann durch das ganze Jahr hindurch gesammelt werden. Gelegentlich werden auch die Wurzeln gesammelt. Den höchsten Kieselsäuregehalt besitzt der Vogelknöterich im Herbst.

Inhaltsstoffe

Flavonoide (Hauptkomponente Avicularin erhöht die Blutgerinnungsfähigkeit, wirkt blutstillend), Gerbstoffe, Kieselsäure, Hydroxycumarine, Saponine, Schleimstoffe Vitamin C

Wirkung

Steinlösend, harntreibend, Lungengewebe stärkend, Bindegewebe stärkend, zusammenziehend, schleimlösend, kapillarabdichtend.

Anwendung in der Volksheilkunde

Bei Blutungen, Nasenbluten, starken Menstruationsblutungen, Entzündungen der Mund und Rachenschleimhaut, ebenso Magen-Darm-Schleimhäute, Darmblutungen, Lungenkatarrhen, Asthma und Bronchitis, Gicht und Rheuma. Bei chronischem Husten und zur Nachbehandlung der Tuberkulose, bei Nieren-Blasenleiden, Blasenschwäche, Bettnässen, Zellulitis und Hautunreinheiten.

Alte Kräuterbücher empfehlen bei Durchfall folgendes: „Nimm zwei Hände voll Wegtritt, sied sie in anderhalb Mass oder Pfund (etwa ¾ Liter) Weinessig, seih es durch, netze zweifache Tücher darein und lege sie über den Magen, Bauch und hinten auf den Rücken.“ Pfarrer Kneipp empfiehlt die Heilpflanze zur Behandlung von Lungenleiden, Nieren- und Steinbeschwerden, Darmblutungen und zur Wundbehandlung. Pfarrer Künzle verschrieb den Vogelknöterich gegen Eiweiss im Urin (Albuminurie). Weiter empfiehlt er zweimal täglich eine halbe Tasse Tee bei Bettnässen, wodurch dieses Leiden innert vier Wochen behoben sein sollte. Besonderes Die jungen Blätter und Triebe des Vogelknöterichs werden gekaut, um das Zahnfleisch zu festigen und den Durst zu stillen.

Dosierung und Rezepturen

1 TL auf ¼ Liter Wasser kalt ansetzen und zum Sieden bringen und nach 5-10 Min. abseihen. Äusserliche Anwendungen: Bäder oder Teilbäder bei schlecht heilenden Wunden, offenen Beinen. Pulver: Getrocknetes, pulverisiertes Vogelknöterichkraut zur Behandlung bei brüchigen Fingernägeln, Haarausfall und schwachem Bindegewebe. 3 x täglich 1 TL Pulver mit Wasser einnehmen. Vogelknöterich, Hirtentäschelkraut, Mistelkraut zu gleichen Teilen, davon 1 Eßlöffel mit 1 Glas kochendem Wasser aufgießen und 2 Stunden in Thermoskanne ziehen lassen. Täglich ½ Glas trinken bei zu schwacher Menstruation.

Nebenwirkungen

Keine bekannt

Namensherkunft

Namensherkunft
polygonus (lat.) = Knöterich (bezogen auf die typisch knotig gegliederten Stängel)
poly = viel
gony = Knoten
avicula (lat.) = Vögelchen (Samen als Vogelfutter)

Geschichte und Mythologie

Als ältestes Zeugnis fand man Vogelknöterichsamen und getrocknete Pflanzenteile in europäischen Steinzeitsiedlungen. Wird als Stammpflanze des chinesischen Heilkrautes „Pien – hsü“ betrachtet, die im Kräuterbuch des Kaisers Shin – nong, 3700 Jahre vor unserer Zeitrechnung, als Mittel gegen Durchfall gepriesen wurde. Vor allem seine Harn reinigende Kraft, wie auch die schmerzstillende Wirkung bei Bauchschmerzen wurden schon damals geschätzt. Hildegard von Bingen nannte ihn „Erdpfeffer“ und empfahl ihn als Fiebermittel. Das grüne Kraut wird dafür über Nacht in einen trockenen Wein gelegt, diesen mehrmals täglich schluckweise trinken. Dioscurides empfahl das Kraut gegen Blutspeien, Harndrang und Cholera Plinius secundus nannte das Heilkraut „Sanguinaria = Blutkraut“ aufgrund der blutstillenden Eigenschaften bei Nasenbluten. Hieronymus Bock beschrieb die Pflanze als „nützlichste unter allem gemein Kräutern“. Matthiolus nannte den Saft „ein Principal zu leschen alle innerliche und äusserliche Hitze“. Bruno Vonarburg: „Wenn der Vogelknöterich eine Zeitlang in Misskredit kam, so geschah dies nur durch die marktschreierische Reklame gewinnsüchtiger Schwindler, die die Pflanze als Universalmittel gegen die Schwindsucht (Tuberkulose) und alle Erkrankungen der Atmungsorgane hinstellten. Es wurden Riesenumsätze erzielt. Das Geheimmittel der Betrüger zirkulierte unter dem Namen „Russischer Knöterich“ oder „Homeriana-Tee“. Paracelsus Knöterichkur: Das Kraut durch kaltes Wasser ziehen, auf den verletzten, wunden Körperteil legen, bis es warm ist, dann sofort in Pferdemist eingraben. Wenn das Kraut verfault war, sollte die Wunde geschlossen sein. Eine weitere magische Anwendung: Wenn man mit dem Kraut Hämorrhoiden berührte und die Pflanze dann in den Rauchfang hing, verschwanden die Schmerzen. Gegen böse Träume legte man die Vogelknöterichwurzel ohne das Wissen des Träumenden unter sein Kopfkissen.

Vogelknöterichlied

Melodie: Auf der Strasse nach Mendesino, Text: Ingeborg Sponsel

Auf der Strasse ein grüner Teppich, da steht ein Pflänzchen wartend in der heissen Sonne. Es wächst unten im Tal und hoch auf dem Berg, es sagt mir, bitte nimm mich mit in deine Träume. Polygonum, Polygonum, ich seh dich am Weg und weiss du bist die Belohnung. Das Blut hältst du an, das Fieber es flieht. Wer Durst hat holt sich seine Kraft beim Polygonum.
Kulinarisches

Junge Sprossen als wertvolles Wildgemüse unter den Salat, Kräuterquark, Kräuterbutter, Kräutersalz, in Suppen und unters Gemüse mischen.

 

Ingeborg Sponsel

Literaturhinweise:
Das grosse Buch der Heilpflanzen / M. Pahlow
Appenzeller Kräuterapotheke / Alfred Sigrist
Wesen und Signatur der Heilpflanzen / Roger Kalbermatten
Das grosse Kräuterheilbuch / Pfarrer Joh. Künzle
Ethymologisches Wörterbuch der Botanischen Pflanzennamen
Vorarlberger Kräuterwelten / Rochus Scherler

0 Kommentare

Dein Kommentar

Erfahrungswissen zu diesem Thema?
Verfasse ein Kommentar!

Schreibe einen Kommentar