Humusaufbau nach Erosion
Vertikale Erosion ein weltweites Phänomen der Neuzeit ?
Diesen Sommer sah ich ausgetrocknete, von tiefen Spalten durchzogene Äcker. Diese Bilder erweckten alte Erinnerungen in mir…. an Äcker, in denen das Wasser steht. Erinnerungen, die schon fast vergessen waren. Haben beide Phänomene eine gemeinsame Ursache?
Maismonokultur und vertikale Erosion im Zürcher Oberland
1966 stellte unser moderner Nachbar von Milchvieh auf Bullenmast um. Die damalige Beratung motivierte ihn dazu, aber das gehe nur mit Mais; und Mais könne beliebig lang auf dem gleichen Feld angebaut werden, er sei mit sich selbstverträglich. Wie staunten wir zunächst über das enorme Wachstum dieser Pflanzen. Im Herbst wurde jeweils durch ein Lohnunternehmen mit grossen Maschinen geerntet und ein neuer Fahrsilo gefüllt. Doch nach 10 Jahren Maisanbau, der Acker immer peinlich sauber gehalten durch chemische Herbizide, wurde das Wachstum bescheidener und die Erntemaschinen blieben nicht selten im durchnässten Boden stecken. In der Meinung, die Drainage müsse verstopft sein, wurden die Rohre freigelegt, und siehe da, sie waren absolut sauber. Aber auf ca. 40 cm Tiefe befand sich eine nur 3-5 mm dünne Schicht feinster Lehmteilchen. Wie eine Teerschicht schützten sie den Unterboden vor dem einsickernden Regenwasser. Diese Schicht wurde durch Tiefgrubbern zerstört; sie bildete sich aber scheinbar immer wieder neu. Extreme Vernässung gefolgt von extremer Austrocknung in kurzer Zeit nahmen weiter zu und das Wachstum des Mais wurde schlechter. Nach 23 Jahren gab der Bauer auf und verpachtete uns das Land.
Humusaufbau mit Kleegras und Kompost
Damit bekamen wir ein Übungsfeld. Wie liesse sich dieser stark lehmige Boden wieder fruchtbar machen? Wir versuchten es mit dem Anbau von Kleegras und dem Ausbringen von Kompost. Die aufgebrachte Gülle wurde anfänglich durch Belüften und ab dem Jahr 2001 durch das Fermentieren mit EM (effektiven Mikroorganismen) so behandelt, dass möglichst kein Stickstoff in Ammoniakform, sondern aller Stickstoff organisch gebunden war.
Nach 15 Jahren Kleegras bauten wir auf 60 Aren Kartoffeln an. Hierzu zerstörten wir die Grasnarbe bis auf 12cm. Das Ergebnis: Nur auf wenigen Quadratmetern war der Humusaufbau noch ungenügend. Die Atmung der Erde war an diesen Stellen noch gestört, austretendes CO2 lockte Kartoffelkäfer an. Der Befall blieb aber ohne Bekämpfung auf wenige Quadtratmeter beschränkt. Der Gesamt-Ertrag auf dem Acker war gut und die Kartoffeln gesund.
Nach dem Abbrennen der Stauden aufersteht das Gras innerhalb von drei Wochen. Bekämpfung von Krautfäule und Kartoffelkäfer war unnötig.
Mit Verzicht auf Pflügen und Bedecken der Erde durch Untersaaten, Gründüngung und/oder Mulch, erlebten wir in kürzester Zeit eine Wiederkehr der Fruchtbarkeit von der wir kaum zu träumen gewagt hatten.
Begrünung im Rebberg angenommen
Erosion in steilen Rebbergen ist sofort sichtbar. Sie hat ab 1970 zur Begrünung der Rebberge geführt. Dadurch wurden die Rebbauern davon erlöst, immer wieder runter geschwemmte Erde mühsam den Berg hinauf zu bringen. Wenig später wurde von der Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz, ZH die Zwischen-begrünung in Mais propagiert. Im Gegensatz zum Rebberg vermochte aber die Idee bis heute kaum Fuss zu fassen. Man hat eben die vertikale Erosion auf den ebenen Ackerflächen nicht so schnell gesehen wie an Hanglagen die horizontale Erosion, und lange nicht gespürt.
Lebend Verbauung der Erde war früher ein dominantes Thema im Biolandbau. Pilze und Schleimschichten um jedes kleinste Erdkrümel verhindern Verbindungen zu harten Klumpen, halten aber die Teilchen gleichzeitig an einander fest, dass sie nicht weggespült oder- geblasen werden. Bodenpilze wie auch Bodenorganismen können aber nur im geschützten, feuchtwarmen Milieu von bedeckter Erde leben. Forschungsergebnisse sprechen von bis zu 4000 kg lebendiger Organismen pro Hektar. Die meisten sind mit dem Auge nicht sichtbar, aber beim Schreiten über die Felder an der Elastizität der Erde spürbar.
Neuzeitproblem vertikale Erosion
Über tausende von Jahren war es technisch unmöglich, verkrustete Erde mechanisch fein zu machen. Bevor es Mitte letzten Jahrhunderts mit den chemischen Herbiziden möglich wurde, die Felder unkrautfrei zu halten, war ausserdem eine minimale, untergeordnete Bedeckung der Erde zwischen den Hauptkulturpflanzen immer vorhanden. Das Bodenleben war automatisch immer geschützt und gefüttert. Die Böden wirkten als Wasserspeicher.
Technik und Chemie machten dann eine Perfektion im Landbau möglich, die unser Bedürfnis nach Sauberkeit und Effizienz wunderbar befriedigt, die jedoch problematisch für das Bodenleben ist.
Nun meldet die Erde ihr Bedürfnis nach einem geschütztem, aber für den Gasaustausch zwischen Erde und Kosmos offenen Milieu an. Vertikale Erosion, und Herbizid resistente Pflanzen entstehen nicht umsonst. Wir sind gefordert, die Langzeitwirkung von rotierenden Geräten und direkt wirksamem Nitrat und Herbizid auf die Lebendverbauung der Erde zu hinterfragen. Die gegenwärtig übliche biologische Unkrautbekämpfung muss durch eine Unkrautregulierung ersetzt werden. Denn nur wer der Erde ihr Urbedürfnis nach Bedeckung (Permakultur) verweigert, wird von Un-Beikraut und Erosion geplagt. Je schneller wir dies begreifen umso besser sind wir für den prophezeiten Klimawandel gerüstet.
Ernst Frischknecht, Tann, 2015
Text ist in veränderter Form erschienen in „Kultur und Politik 2/2105“
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