Räuchern bei Rindergrippe

Räuchern als Tradition

Früher wurde in unserer Region wöchentlich geräuchert, auch im Haus. Man hat am Wochenende Haus und Stall gereinigt und meistens Samstag oder Sonntagabend geräuchert. Ich kenne noch weitere Betriebe, die auch im Stall räuchern. Die meisten machen es in den Rau(h)nächten zwischen Weihnachten und Neujahr oder bis Dreikönige. Obwohl die Rinder theoretisch auch im Sommer die Rindergrippe bekommen können, ist wie bei uns die schwierige Zeit das Winterhalbjahr. Im Sommer, wenn unsere Tiere auf der Alp sind, werden sie nicht krank.

Rindergrippe

Die Symptome der Rindergrippe sind laufende, triefende Nase, Husten, drohende Lungenentzündung, Fressunlust und Fieber. In unserem engen Tal geht die Rindergrippe jeweils von Stall zu Stall, obwohl eigentlich keine Personen diesen Weg machen. Wie sich also die Rindergrippe ausbreitet, ist uns nicht klar.

Wann, wie, womit?

Wilder Thymian getrocknet, bereit zum Verräuchern. Er wirkt antiviral, antibakteriell, schleimlösend und auswurffördernd. (Bild: Beatrice Bissig-Odermatt)

Mit dem Räuchern kann, respektive soll begonnen werden, wenn die ersten Anzeichen der Rindergrippe bei einzelnen Tieren auftreten. Meistens sind aber mehrere Tiere betroffen.

Mindestens einmal pro Tag, besser zweimal pro Tag soll geräuchert werden. So viele Tage räuchern bis man merkt, dass sich der Husten verflacht und sich der Schleim löst. Wenn es den Tieren langsam besser geht, muss man vielleicht nur noch einmal alle zwei Tage räuchern. Weil das Räuchern so einfach ist, kann man in zehn Minuten den ganzen Stall behandeln.

Mögliche Kräuter: Thymian, Salbei, Holunderblüten, Spitzwegerich, Tannennadeln, Tannen-, Arven- (Zirben-) oder Lärchenharz, Malvenblätter, Dost (wilder Oregano), Alant, Baumflechten, Schlüsselblume. Wenn du keine Kräuter hast, kann im Notfall auch eine Erkältungs-Teemischung verwendet werden, die man sonst in der Familie braucht.

Ich verwende meine Räucherkräutermischung mit dem Namen ‘Blumen’, welche sich über die Jahre so bewährt hat, und die ich auch für den Hausgebrauch in kleinen Gläsern verkaufe. Aber wenn dir Bestandteile dieser Mischung fehlen, können einfach andere Kräuter genommen werden, die schleimlösend, antibakteriell und/oder antiviral wirken. Da gibt es ja eine genügend grosse Auswahl möglicher Kräuter. Natürlich müssen die Kräuter in der Vegetationszeit gesammelt werden. Da kommt es halt darauf an, was auf dem Betrieb wächst. Bei vielen Betrieben ist Thymian sogar eine Problempflanze, welche man mit der Sense einfach mähen kann. Diese getrocknet und mit Tannennadeln und etwas Harz ergänzt, reicht als Grundmischung bereits aus.

Ich nehme etwas glühende Kohle aus dem Kachelofen, oder man besorgt sich Kohletabletten / Räucherkohle, die man anzündet und so zum Glühen bringt. Dann braucht es die grössten Kohlentabletten, oder sogar mehrere. Die glühende Kohle wird in das Gefäss gelegt.
Die getrockneten Kräuter sollten klein zerteilt sein, falls es eine Mischung ist, denn dann wird die Mischung gleichmässiger. Dann streue ich eine kleine Handvoll Kräuter über die glühende Kohle. Die Inhaltsstoffe der Kräuter kommen im Rauch im ersten Moment am intensivsten, das geht schnell, danach ist es nur noch Rauchgeschmack. Die ätherischen Öle werden beim Erhitzen zuerst gelöst.

Man möchte den Rauch so nahe am Kopf der Tiere wie möglich. Wenn sie im Fressgitter gefangen sind, geht das am einfachsten. Man läuft vorne am Fressgitter vorbei und gibt nach und nach etwas Kräuter auf die Glut. Die Tiere müssen die Nase nicht direkt in den Kessel halten. Es reicht, wenn sie den Rauch etwas einatmen können. In einem kleineren Stall ist es einfacher, den Raum mit Rauch zu füllen, als in einem modernen, grossen Stall mit offenen Seiten. Da muss man halt näher bei den Köpfen vorbei gehen. Wenn man aber genügend Kräuter hat und entsprechend nachschütten kann, ist es auch möglich, im Laufstall zu räuchern.

Achtung: Feuer, Glut und Hitze

Im Stall ist es besser mit einer Räucherkräutermischung direkt auf der Kohle zu räuchern – mit dem Bündel ist die Gefahr von Funkenflug noch viel grösser. (Bild: Beatrice Bissig-Odermatt)

Das Gefäss muss feuerfest sein, denn das wird mit der Glut brandheiss. Wenn unten im Kessel bereits eine dicke Schicht Asche oder Sand liegt, isoliert das gegen die Hitze, falls man das Gefäss abstellen muss. Es darf auf keinen Fall Glut ins Futter, d.h. ins Heu fallen. Das gibt sonst eine Katastrophe. Deshalb wird am besten ein hohes Gefäss, wie zum Beispiel ein Kessel verwendet. So dass bei einem Stupser der Kühe oder bei einem Luftzug keine glühende Kohle oder glimmende Asche davon fliegt. Aschenflug kann besonders bei älteren Ställen mit engen Verhältnissen schnell gefährlich werden. Wenn es in den Ecken noch Spinnweben und Staub hat, braucht es nicht viel.
Auch ist das Verhalten der Tiere beim Räuchern etwas unberechenbar. Es gibt Tiere, die das Gefäss mit dem Kopf wegschlagen, oder solche, die direkt mit der Zunge rein gehen. Also am Anfang zur Sicherheit mit gebührendem Abstand zu den Tieren räuchern, um zu beobachten wie die Tiere reagieren. Es gibt auch Tiere, die eher zurückweichen, aber es kann ganz schnell gehen und die Kühe sind mit der langen Zunge mitten im Kessel. Also aufgepasst!

Tiere flüchten eigentlich instinktiv vor Feuer und Rauch. Aber wir mussten von Anfang an darauf achten, dass keine Tiere ihre Zunge in den Kessel und in die Kohle streckten. Besonders bei Tieren, welche stärker krank waren und die Medizin nötig hatten. Es ist natürlich darauf zu achten, wie sich die Luft im Stall verhält, woher allenfalls ein Luftzug kommt. So dass der Rauch möglichst lange bei den Köpfen der Tiere bleibt. Wenn möglich, kann man ja die Stallöffnungen schliessen. Das Ziel beim Räuchern ist es, möglichst viel Rauch im Stall zu haben. Man will ja nicht nur einzelne Tiere behandeln.

Wenn die kranken Tiere den Kräuter-Rauch gut eingeatmet haben und die Wirkung beginnt, sieht man, wie die Nase zu laufen beginnt. Es ist tatsächlich ein Ziel, die Säfte zum Laufen zu bringen. Wenn sich der Schleim löst, kann zu Beginn noch vermehrtes und heftiges Husten auftreten. Eine starke Husten-Reaktion kann länger, d.h. bis zu einer halben Stunde anhalten und ist völlig normal und auch gewollt.

Ich habe leider keine Erfahrung mit anderen Tierarten, und weiss auch nicht, wie zum Beispiel Ziegen auf den Rauch reagieren würden. Aber ich kann mir vorstellen, dass zum Beispiel bei Ziegen oder Schafen die Wirkung dieselbe ist.

Beatrice Bissig-Odermatt, 2022
Interview: Hubert Würsch

Hinweis: Die Anwendung der beschriebenen Heilmittel und Rezepturen sowie das Befolgen der Therapieempfehlung geschieht auf eigene Verantwortung; bei Unklarheiten ist das weitere Vorgehen unbedingt mit einem/einer Ärzt/in oder Naturheilpraktiker/in zu besprechen. Die Autorin übernimmt keine Haftung für Schäden irgendeiner Art, die sich direkt oder indirekt aus dem Gebrauch der hier vorgestellten Anwendungen ergeben können.

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