Buchtipp: Einfach alles teilen?
Hofkollektiv Wieserhoisl
Klappentext:
Solidarisch wohnen, gemeinsam arbeiten, alles teilen – könntest du dir das vorstellen? Fernab von dem, was uns die Gesellschaft vorlebt, fernab von individuellem Besitzdenken: Mein Haus, mein Auto, mein Boot? Pah! Viel besser klingt doch: Unser Hof, unsere Selbstversorgung, unser Zusammenhalt und unsere gemeinsamen nachhaltigen Ziele. Das hat sich das Hofkollektiv Wieserhoisl vor 15 Jahren auch gedacht. Und einen entscheidenden und lebensverändernden Schritt gewagt: Wir wollen es anders machen. Ihre Vision? Einen eigenen Lebensentwurf starten, abseits bekannter Konventionen; Eigentum und Besitz radikal neu denken und in der Gemeinschaft wohnen, wirtschaften, streiten, feiern, arbeiten, Krisen meistern und zusammen den Haushalt schmeißen. Inzwischen sind sie zu einer bunten Truppe von fünf Erwachsenen und drei Kindern herangewachsen. Und geben Einblicke in den Alltag eines Kollektivs. Wenn alles allen gehört und gleichzeitig niemandem. Wenn jeder anpackt und das macht, was sie/er am besten kann.
Wer ist hier der Chef? Niemand? Wer verdient das Geld? Alle!
Wie kann das Zusammenleben funktionieren, wenn keiner sagt, wo’s langgeht? Anführerin, Bossin, Oberhaupt – das gibt es im Kollektiv nicht, genauso wenig wie jegliche Art von Hierarchie. Jeder ist gleich viel wert, jeder hat ein gleich großes Stimmrecht und Veto. Entscheidungen werden im Plenum getroffen. Diskussionsstoff gibt es dabei viel. Aber mindestens genauso viele gute Lösungen. Zum Beispiel, wenn die Bürokratie wieder einmal alles unter sich begräbt oder wenn die Kartoffelernte flöten geht, weil sich Mäuse breitgemacht haben. Zusammen ist man eben weniger allein. Und geteilt wird alles, von der Zahnpasta über den Traktor, der Kindererziehung bis zum Konto – und die ganzen Dinge und Visionen, die das Leben der acht so besonders macht. Davon erzählen Christina, Friedrich, Elena und Mark in ihrem Buch. Was es braucht, um ein Kollektiv zu gründen. Mut? Ja! Und Vorbilder, eine gute Organisation, einen Platz zum Sein.
Hallo Selbstversorgung, hallo Freiheit
Die Bewirtschaftung des Hofes ermöglicht es dem Kollektiv nämlich, größtenteils selbstversorgt zu leben. Im riesigen Gemüsegarten sprießt, was die Bewohner*innen brauchen oder als Jungpflanzen verkaufen können, im fast endlosen angrenzenden Wald schlagen sie jeden Winter Brennholz für den großen Küchenofen. Dazwischen bleibt immer wieder Zeit, um bei einem Kaffee auf der Veranda zu quatschen, sich nach allen Richtungen zu vernetzen oder um mit den Kindern zwischen Himbeersträuchern verstecken zu spielen. Und am Ende des Tages kommen alle zusammen, sitzen am Lagerfeuer und genießen den Ausblick, über den leuchtend bunten Gemüsebeethang hinab, ins Tal.
Das Hofkollektiv Wieserhoisl besteht in seiner aktuellen Zusammensetzung aus fünf Erwachsenen und drei Kindern. Die Bewohner*innen möchten ihre eigene Lebensrealität gestalten, fernab von Konventionen – indem sie gemeinsam und solidarisch wohnen, leben, arbeiten und haushalten. Wenn sie nicht gerade im Gemüsebeet wühlen, jonglieren und Zirkusartistik üben oder die lustig-sturen Schafe zählen, entbrennt mit Sicherheit eine lebhafte Diskussion am Mittagstisch, wenn alle wieder in der supergemütlichen Hofküche zusammenkommen
Einfach alles teilen?, Hofkollektiv Wieserhoisl. Löwenzahn Verlag, 256 Seiten, gebunden, 17,4 x 24,3 cm. ISBN 978-3-7066-2691-0, € 22.90 / CHF 34.50
Bestellen:
Bei Librium (CH) unter: https://shop.librium.ch/artikel.html?id=37673595
Beim Löwenzahnverlag (D/A) unter: https://www.loewenzahn.at/produkt/2691/einfach-alles-teilen/
Rezension:
Das Buch kommt gestalterisch ganz im Hippie-Stil daher. Dazu passt auch der unbekümmerte, direkte Schriebstil. Die Tipps zur Gründung eines eigenen Kollektivs sind hingegen nicht sonderlich abgehoben, sondern klar und präzise formuliert: Rechtsformen, Ein- und Ausstiegsverträge, damit rechnet man nicht unbedingt, wenn man das Buch aufschlägt. Da ist mir klargeworden: Diese Leute sind nicht etwa abgehoben, diese Leute arbeiten vielmehr hart dafür, dass ihr kollektives Zusammenleben funktioniert und dafür haben sie auch klare Spielregeln definiert. Ohne jegliche Illusionen wird einem erklärt, was das Leben in einem Kollektiv erfordert und mit sich bringt.
Generell ist es in einem Kollektiv etwas schwierig, ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Ruhe und Privatsphäre zu stillen. Menschen, die sich nach Ruhe sehnen, sollten sich gut überlegen, ob ein Kollektiv das Richtige für sie ist. Es ist ständig was los.
Spätenstens da wird mir klar: die Ideale solcher Kollektive finde ich super, beim Gedanken an die Lebensweise macht sich in mir eine zunehmende Panik breit. Das Schöne ist: Die Autor*innen berichten so unbeschwert und geradeheraus von ihrem Zusammenleben, dass jedermann und jederfrau sich ein Bild dieser Lebensweise machen kann. Dieses Buch ist somit für all jene geeignet, die sich schon immer gefragt haben, wie es wohl wäre, mit den WG-Gspändli ein Kollektiv zu begründen. Für all jene, die neugierig und offen sind gegenüber alternativen Lebensformen und Entwürfen. Und auch für all jene, die merken, dass das nichts für sie wäre, aber trotzdem gerne darüber lesen.
Hubert Würsch und Laura Gisler, 2024
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