Biohof Laas im Berner Jura – Mit Pferden leben und arbeiten
Emanuel und Ursina Zwicky-Schmid setzen auf ihrem 40 Hektar Bio-Milchviehbetrieb im Berner Jura für fast die Hälfte der landwirtschaftlichen Arbeiten auf Pferdekraft, nutzen ihre Pferde aber auch zum Fahren und Reiten in der Freizeit. Ein Konzept, das für sie aufgeht – in Punkto Lebensqualität, Ökologie und Ökonomie.
Aus dem Vallon de St.Imier zwischen Biel und La Chaux-de-Fonds geht es durch den Wald in Serpentinen in die Höhe, bis wir nach zehn Minuten Fahrt Les Prés-de-Cortébert auf 1.150m ü/M erreichen, ein grosses Plateau mit blumenbewachsenen Wiesen und einzelnen Getreidefeldern. Am Biohof Laas angekommen, sehen wir vier grosse, schwarze Pferde der Rasse Alt-Oldenburger und zwei Ponies rechts auf der Koppel; hinter dem Haus grasen Original Braune und Fleckvieh Kühe.
Wie alles begann
Emanuel und Ursina haben Landwirtschaft studiert und sind anschliessend als Berater und Geschäftsführerin eines Bioverbandes in die Berufswelt eingetreten. Beiden gefiel ihre Arbeit, doch störte es vor allem Emanuel mit seiner 100%-Stelle sehr, dass er nur nach Feierabend etwas mit seinem Pferd machen konnte. Sein Traum war es schon immer, Bauer zu sein. Und für Ursina kam ein Leben ohne Tiere nie in Frage. Also machten sie sich auf die Suche nach einem Hof und wurden nach einiger Zeit fündig im Berner Jura. Das gemeinsame Projekt war der Aufbau einer ökologisch nachhaltigen Haupterwerbs-Landwirtschaft mit Arbeitspferden.
Schritt für Schritt
In den ersten Jahren wurde ein Grossteil der landwirtschaftlichen Arbeit mit dem Traktor erledigt.
„Wir brauchten Zeit, um Erfahrungen in der Pferdearbeit zu sammeln und auch an Sicherheit zu gewinnen, dass sehr vieles möglich ist mit Arbeitspferden.“
Der Milchtransport zur Sammelstelle, das Abschleppen der Wiesen und auch die Getreidesaat wurden von Anfang an mit den Pferden erledigt. Bald kamen auch das Eggen, Pflügen und Mist streuen sowie Setzen, Häufeln, Hacken und Graben der Kartoffeln dazu. Bei der Futterernte kommt ein Kreiselheuer mit Aufbaumotor zum Einsatz und neu werden Heu und Emd mit einem Sternradschwader aufgerecht.
Unter Zeitdruck ist es vorgekommen, dass trotz Vorhandensein von Pferdezugmaschinen der Traktor eingesetzt wurde. Daraus zogen Emanuel und Ursina Konsequenzen und schafften die Doppelmechanisierung ab. „So stellt sich die Frage, ob man nun mit Pferdekraft oder mit Diesel arbeiten soll, erst gar nicht.“
Ein anderer Rhythmus
Für mit Pferden ausgeführte landwirtschaftliche Arbeiten muss im Gegensatz zum Traktor mehr Zeit aufgewendet werden. Emanuel: „Die Nachbarn ziehen zum Beispiel die Heuernte in weniger Tagen durch als wir, allerdings kommen wir auch nicht in die Versuchung, von morgens sechs bis nachts um zehn zu heuen, weil die Pferde das kräftemässig gar nicht schaffen würden. Wir bleiben mehr in einem gleichmässigen Arbeitsrhythmus.“ Ich frage nach, was weitere Besonderheiten des Einsatzes von Pferden in der Landwirtschaft sind. Ursina erläutert mir, dass es mehr Planung brauche.
„Es ist nicht möglich morgens in den Himmel zu schauen und spontan eine Arbeit mit den Pferden anzusetzen, die viel Kraft braucht oder Stunden dauert. Man muss im Vorfeld schon im Kopf haben, welche Arbeit ansteht und die Pferde entsprechend im Training haben.“
Kontinuität ist das Stichwort. Maschinen kann man aus der Remise holen, benutzen und wieder zurückstellen. Monatelang werden sie dann nicht gebraucht. Pferde müssen nicht nur gefüttert und gepflegt werden, sie brauchen auch regelmässige Arbeit, um im Training zu bleiben und den landwirtschaftlichen Aufgaben gewachsen zu sein. „Unser Pferd Lord zieht jeden Morgen, sommers wie winters, den Wagen mit den Milchkannen zur Abholstelle. Nach dem langen Winter merken wir deutlich, dass seine Kondition besser ist als die der anderen Pferde, denen diese regelmässige Übung fehlt.“
Die Pferdearbeit in der Landwirtschaft ist sehr ungleichmässig über das Jahr verteilt. Deshalb sind zusätzliche Einsatzbereiche für die Pferde von grossem Vorteil. Emanuel und Ursina bieten Kutschenfahrten an, fahren selber mit den Pferden aus oder geniessen einen schönen Ausritt.
Leidenschaft unerlässlich
Pferdearbeit in der Landwirtschaft ist nur möglich, wenn man das Zusammensein und das Zusammenarbeiten mit Pferden liebt. Täglich gilt es sich neu auf das Lebewesen Pferd einzulassen. Nur wenn die Kommunikation gelingt, kann auch die Arbeit erfolgreich sein und wiederum Freude machen. Ich schaue Emanuel und Ursina bei der Arbeit zu und kann ihre feine Verbindung mit den Pferden spüren. Emanuel gibt mit ruhiger Stimme ein Kommando und Lord stellt sich langsam an die Maschine und lässt sich gelassen anspannen. Am Feldende dreht das Pferd auf engstem Raum und zieht wiederum zentimetergenau die Kartoffel-Setzmaschine bis zum anderen Ende des Feldes zurück.
Emanuel, Ursina, aber auch die beiden Töchter Anna und Flurina verbringen eine Menge Zeit mit den Tieren, Zeit, in der nicht nur ökonomischer Mehrwert sondern auch Familienerlebnisse und Zufriedenheit entstehen. Den 13 jährigen Sohn Gian-Luca interessieren die Pferde aktuell eher weniger und er freut sich darauf, bald die Traktorprüfung machen zu dürfen.
Schwere Warmblüter
Die Arbeitspferde auf dem Hof sind Alt-Oldenburger, eine schwere Warmblutrasse aus dem Norden Deutschlands. Für ihre Zucht setzen Ursina und Emanuel auf Pferde vom alten Schlag mit gutem Charakter, die klar im Kopf, kooperativ und arbeitswillig sind. Seit Anfang April zählt die sieben-jähre Stute Dunja neben Lord, Lukas und Ulme zum Arbeitspferdebestand des Hofes.
So kann bei der Heuernte mit zwei Gespannen gearbeitet werden. Emanuel ergänzt: „Zu diesem Zweck haben wir dieses Jahr eine neue Maschine angeschafft, nämlich einen Sternradschwader mit Vorwagen für Pferdezug. Einer der beiden Traktoren des Betriebes steht zum Verkauf.“
Mich interessiert wie viel länger das Schwadern mit den Pferden dauern wird. „Es kann gut sein, dass wir gar nicht mehr Zeit brauchen. Denn der Schwader, den wir neu angeschafft haben, hat eine grössere Arbeitsbreite. Das langsamere Tempo der Pferde wird also eventuell ausgeglichen. Doch im Herbst kann ich dann mehr dazu sagen.“
Wie ihre Bio-Kollegen
Obwohl Emanuel und Ursina einen Teil der landwirtschaftlichen Arbeit mit den Pferden erledigen, funktionieren sie wie die anderen extensiven Biobetriebe in der Region. Die 22 Milchkühe der Rassen Original-Braune und Fleckvieh bekommen nur betriebseigenes Raufutter und wenig Kraftfutter; sie sind von Frühling bis Herbst auf den Weiden. In der übrigen Zeit bewegen sie sich im hellen Boxenlaufstall mit Auslauf. Die Pferde leben im Gruppenlaufstall mit Auslauf und Weide.
Die Milch wird an eine kleine Käserei im Dorf geliefert, und zu konventionellem Gruyère-Käse verarbeitet. Entsprechend hoch ist der Milchpreis. Die Anlieferung an die Bio-Käserei im 16km entfernten St.Imier wäre zu aufwändig als dass sich der höhere Biomilchpreis lohnen würde. Die weiblichen Jungtiere werden aufgezogen, die männlichen an einen befreundeten Kälberhändler verkauft. Zwei Mastkälber werden beim regionalen Metzger geschlachtet und direkt vermarktet. Weitere Zusatzeinnahmen entstehen durch den Verkauf von Dinkel, Kartoffeln und aus dem Erlös von gelegentlichen Kutschenfahrten.
Familie Zwicky-Schmid kann von ihren Einnahmen leben. „Wir bezahlen pünktlich unsere Rechnungen und den Pachtzins und haben keine Schulden mehr. Wir müssen auf nichts verzichten. Allerdings haben wir auch nicht das Bedürfnis, lange Fernreisen zu machen. Im Sommer fahren wir eine Woche in die Ferien, und auch das eine oder andere Wochenende sind wir unterwegs.“ In diesen Zeiten kümmern sich (ehemalige) Lehrlinge um die Tiere auf dem Hof. Die Pferde kommen dann wenig zum Einsatz.
„Es gibt kaum Leute, denen ich die Leinen in die Hand drücken und sie mit den Pferden losschicken kann. Das ist mit dem Traktor einfacher, den kann fast jeder fahren.“
Lebensqualität ist ein wichtiger Grund für die Entscheidung von Emanuel und Ursina, einen Bauernhof zu bewirtschaften. Hier können sie ihren Traum vom Leben und Arbeiten mit den Pferden leben. Sie können eine ökologisch nachhaltige Landwirtschaft betreiben, die immer weniger Energie- und Futterzufuhr von aussen benötigt. Das Ziel für dieses Jahr sind neben dem Einsatz der Pferde für das Schwadern des Heus die Null Prozent – Diesel-Kartoffeln.
Die Null Prozent Diesel Kartoffeln
Emanuel hat den Kartoffelacker von acht Aren bereits mit den Pferden gepflügt und geeggt. Am 12. Mai haben Ursina, Emanuel und die Auszubildende Céline die Kartoffeln mit der McCormick-Maschine gelegt, einer einspännigen Maschine, die eine Furche zieht, die Kartoffeln legt und leicht anhäufelt. In einer knappen Stunde sind die Kartoffeln mit Hilfe von einem Pferd und von drei Personen im Boden. Ursina führt das Pferd, Emanuel lenkt die Maschine und Céline sorgt dafür, dass der Reserve-Behälter immer genug Kartoffeln enthält, um eventuelle Lücken zu füllen. Bis zur Ernte wird Emanuel die Kartoffeln noch einige Male mit dem Einspänner hacken und anhäufeln. Bei der Ernte gräbt ein pferdegezogener Kartoffelroder die Kartoffeln aus dem Boden, fleissige Hände von mit dem Hof verbundenen Menschen helfen diese einzusammeln, und mit dem Brückenwagen wird die Ernte mit Pferdekraft nach Hause gezogen. Emanuel und Ursina sind begeistert: „Von der Saat bis zur Ernte wird kein Tropfen Diesel verbraucht worden sein. Die Bodenverdichtung ist minimal. Uns wird die Arbeit Freude bereiten, und wir können über die Direktvermarktung einen angemessenen Preis für die Kartoffeln erzielen.“
Sonja Korspeter
Artikel zum Thema Pferdekraft in der Landwirtschaft in der oya 3/2016: Lebendige Pferdestärken, hier als pdf.
4 Pferde der Rasse Alt-Oldenburger und 2 Ponies
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