Weingut Zähringer
Das Weingut Zähringer liegt in Südbaden, an der Grenze zwischen Breisgau und Markgräferland. Es nahm 1844 seinen Betrieb auf, als der Gerber Michael Zähringer seinen Söhnen ein Anwesen in Heitersheim schenkte, zu dem auch ein Weinkeller mit Trotte gehörte. Es ist ein Ort, an dem hohe Innovationskraft und die Liebe zu alten Traditionen sich sinnvoll ergänzen.
Das Weingut wurde bereits in den 1980er Jahren von dem kürzlich verstorbenen Wolfgang Zähringer radikal auf Bio umgestellt. Fabian Zähringer, der heutige Betriebsleiter, beschreibt seinen Vater als «Visionär und klassischen Unternehmer, der keine Risiken gescheut hat, um seine Ideen umzusetzen». Wolfgang Zähringer kam in den 70er und 80er Jahren mit den Ideen Rudolf Steiners in Berührung und für ihn war klar: «Wenn er diesen Betrieb übernimmt, dann nur mit einer ganz eigenen Facette, nämlich weg vom Mainstream-Massenwein mit viel Pestizideinsatz und dem Raubbau an der Natur und hin zu Bio und hochwertigen Weinen. Das bedeutete auch, zu guten alten Traditionen zurückzukehren, zum Beispiel zu Holzfässern aus Burgund. Auch wenn dieser Richtungswechsel in den ersten Jahren wirtschaftlich gesehen verheerend war, hat er sich darin nicht beirren lassen. Er hatte diese Weitsicht als Visionär und hat das knallhart durchgezogen.»
Wir sind ein Generationenprojekt, das seit seiner Gründung sehr nah an der Natur hier in Heitersheim verwurzelt ist und über Generationen hinweg versucht hat, diese Lagen in authentische Weine umzusetzen und zu interpretieren.
Fabian Zähringer
Während sich viele Winzer heute immer noch einen Weinbau ohne Pestizide nicht vorstellen können, kann das Weingut durch den mutigen Schritt von Wolfgang Zähringer inzwischen auf fast vierzig Jahre Erfahrung im Bio-Weinbau zurückblicken. Das ist vielleicht ein gutes Beispiel dafür, wie festgefahrene Vorstellungen den Blick auf real vorhandene Möglichkeiten für lange Zeit verdecken können und schliesslich doch durch die Praxis widerlegt werden.
Langfristig hat sich das frühe Umschwenken auf den Biolandbau gelohnt. 2013 konnte Wolfgang Zähringer zusammen mit seinem Betriebsleiter Paulin Köpfer, der sich im Februar diesen Jahres in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet hat, den Förderpreis Ökologischer Landbau von der damaligen Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner entgegennehmen – insbesondere für die Pionierleistungen im ökologischen Weinbau. Zahlreiche weitere Preise und Auszeichnungen markierten den Weg durch den Wandel der Zeit bis in die Gegenwart.
Der Apfel fällt hier nicht weit vom Stamm, wie es scheint. Denn Fabian Zähringer ist seinem Vater dankbar für seine Pionierleistungen. Er kann jetzt darauf aufbauen und ist ebenfalls fest davon überzeugt, dass «Bio die einzige zukunftsfähige Form des Weinbaus ist, letztlich auch weil es die günstigste Variante ist zu wirtschaften, da die ganzen Folgekosten von zerstörter Umwelt, Verlust von Artenvielfalt usw. deutlich geringer ausfallen.» Abgesehen davon sind die Böden aufgrund der jahrzehntelangen Bemühungen fruchtbar und gesund. Das Weingut ist bei Ecovin und bei Demeter zertifiziert, beides Verbände, die mit ihren strengen Richtlinien darauf abzielen, dass Weinberge sich zu artenreichen Ökosystemen entwickeln können. Die Weinreben stehen somit in einer bunten Vielfalt von anderen Pflanzen. «Wenn man mit diesem Monokultur-Weinbau bricht mit allen möglichen Einsaaten und Kulturen wie Kräutern und Leguminosen und entsprechend viel Biodiversität hat, dann entwickelt sich natürlich ein viel robusteres System. Das ist ein Grundgedanke, der dahintersteht, also nicht nur die Schädlinge bekämpfen, sondern auch die Nützlinge gezielt aufbauen.»
Wie wirkt sich die Vielfalt im Weinberg auf den Geschmack aus? «Es gibt beim Bioweinbau ein höheres Qualitätspotenzial, das aber nicht unbedingt ausgeschöpft wird», sagt Fabian Zähringer. «Es gibt sehr viele Parameter, die Einfluss haben auf einen guten Wein, sodass man nicht per se sagen kann, dass Biowein besser schmeckt. Zum Beispiel beginnt die Qualität schon bei der richtigen Sortenwahl für die jeweiligen Standorte. Aber das höhere Qualitätspotenzial bei Bio ist vorhanden und entsteht auch dadurch, dass man die Rebe im Bioweinbau zur Ruhe kommen lässt, sie nicht künstlich ernährt, nicht zu Höchstleistungen treibt. Dadurch können sehr individuelle Weine entstehen. Wir achten dann im Weinkeller sehr genau darauf, was für ein Traubenmaterial aus der jeweiligen Parzelle kommt und wie wir daraus einen sehr individuellen Wein machen können. Der Verbraucher kann sich dann natürlich schon überlegen, dass hinter dem Biolabel mehr steht als ein guter Wein, nämlich Böden mit natürlicher Bodenfruchtbarkeit, Verzicht auf synthetische Pestizide, artenreiche Weinberge und so weiter.»
Die Labels von Demeter und Ecovin auf den Zähringer-Weinen führen aber nicht dazu, dass höhere Preise verlangt werden können. «Beim Wein ist allein die Qualität, das heisst der Geschmack entscheidend. Die Labels sind eher der zweite, dritte oder vierte Faktor, der dazu führt, dass jemand entscheidet, einen Wein zu kaufen. Natürlich gibt es dieses Marktsegment, wo Leute wirklich nur Bio kaufen, aber auf dieses Segment zielen wir nicht unbedingt ab. So zu arbeiten ist für uns ganz selbstverständlich. Wir schreiben aber nicht Bio-Weingut Zähringer oder packen die Labels gross auf die Flaschen, sondern wir wollen durch Qualität überzeugen, das war auch meinem Vater schon sehr wichtig. Der Wein muss einfach sehr gut sein und für sich sprechen.»
Folgen des Klimawandels
«Der Erntehelfer hat inzwischen ein T-Shirt an und keinen Wollpulli mehr und keine Handschuhe», fasst Fabian den Klimawandel in der Region zusammen. «Wir ernten jetzt Ende August, Anfang September. Wir hatten früher immer viel zu tun am Feiertag des 3. Oktober. Inzwischen ist die Ernte eigentlich durch im Oktober. Es hat sich der Erntezeitpunkt um zwei, drei oder auch vier Wochen nach vorne verschoben innerhalb von dreissig bis vierzig Jahren.» Was bedeutet dieser regionale Klimawandel für die Weinreben? «Zunächst mal profitieren wir davon, dass es wärmer wird, denn die Trauben werden inzwischen wirklich immer reif. Die Generationen vor mir hatten immer Sorge, ob der Wein überhaupt durchreift. Denn esgab schon hin und wieder magere und saure Ernten. Man hat den Wein dann trotzdem getrunken, aber er hat natürlich nicht geschmeckt. Diese Thematik gibt es inzwischen nicht mehr. Inzwischen ist es sogar oftmals zu heiss für die Sorten, die wir haben. Vor zwanzig Jahren war Trockenheit für uns kein Thema, weil es immer viel geregnet hat in der Gegend hier. Inzwischen ist das anders. Aber grundsätzlich profitieren wir natürlich von mediterranem Klima im Weinbau. Und das zeigt sich auch in den Weinqualitäten. Wein aus unserer Region schmeckt heute ganz anders als vor zwanzig Jahren.» Ganz anders heisst in dem Fall besser. Aber es ist ja nicht nur wärmer geworden, es gibt auch mehr Starkregen, Hagel, Frost zu ungewöhnlichen Zeiten und andere Stressfaktoren, die besondere Herausforderungen mit sich bringen. Da treten dann auch ganz neue Schädlinge auf den Plan, wo man am Anfang noch gar nicht weiss, wie man damit umgehen soll. All das zusammen macht umso mehr erforderlich, dass das System insgesamt möglichst robust und widerstandsfähig ist. Die Auseinandersetzung mit Pilzkrankheiten wird weiterhin anspruchsvoll bleiben.
Pilzwiderstandsfähige Sorten (Piwis)
Das Weingut Zähringer hat inzwischen fünfzehn Prozent pilzwiderstandsfähige Sorten im Bestand. Das sind Sorten, deren Blätter dickere Zellwände haben und in die Pilzsporen daher nicht leicht eindringen können. Auch wenn er die Piwis für die Zukunft als sehr wichtig einschätzt, da die Pilzkrankheiten immer aggressiver werden, schlägt das Herz von Fabian Zähringer nach wie vor für die klassischen europäischen Sorten Gutedel, Grauburgunder, Weissburgunder, Chardonnay und Spätburgunder. Es würde ihm schon das Herz brechen, wenn er diese Sorten nicht mehr kultivieren könnte. Immerhin hält er es aber für möglich, dass in dreissig oder vierzig Jahren in der Region nur noch Piwis angebaut werden können. Da wird man dann gut sehen müssen, was an welchem Standort noch möglich ist. Auch die Werkzeuge und bisherigen Erfahrungen müssen gut genutzt werden, um in dieser Gegend hier noch fragile Sorten wie Grauburgunder anbauen zu können.
In der Zukunft
Fabian Zähringer hat durch den Tod seines Vaters nun die volle Verantwortung für das Weingut Zähringer übernommen. Wie sieht die Zukunft aus? Der Trend geht dahin, dass die Menschen weniger Wein trinken. Als Antwort darauf will sich das Weingut Zähringer in Zukunft noch mehr auf ein qualitatives Wachstum konzentrieren und die Produktion von sehr individuellen Weinen vorantreiben, die durch feine Aromen begeistern. Fabian sieht hier noch ein grosses Entwicklungspotenzial. Dementsprechend gehen die Investitionen in diesen Bereich, sowohl für die Arbeiten im Weinberg als auch im Weinkeller. Zum Beispiel geht man wieder zu den Vierlingsfässern aus Schwarzwälder Eiche über, einer alten Tradition, die einen positiven Einfluss auf den Wein hatte und es in Zukunft auch wieder haben soll. Wichtig ist darüber hinaus, dass man nicht nur eine Begeisterung der Kunden anstrebt, sondern auch die der Mitarbeiter. Diese soll auch durch einen Führungsstil erreicht werden, der überall, wo möglich, individuelle Gestaltungsspielräume zulässt. Hierbei ist die Idee der Hofindividualität von Rudolf Steiner leitend.
Der Mensch steht im Vordergrund von allem, was gemacht wird. «Es geht nur mit Liebe und mit Demut, mit Achtung vor der Natur und den Menschen und dem Ergebnis. Es müssen viele Individuen anpacken. Das muss dann gut ineinander greifen. Nur so kommt etwas Gutes dabei raus.» Es klingt wie ein Abschied von dem Prinzip Macht als Führungsstil hin zu einer freien Kooperation der Mitarbeiter, wobei hier natürlich darauf geachtet werden muss, dass der Idealismus realistisch bleibt. Schliesslich ist es ein Produktionsbetrieb, aber genau darum geht es nach Ansicht von Fabian: «Was sind die Impulse, die einen leiten, und wie kriege ich die umgesetzt, und wie werde ich auch meinen Ansprüchen gerecht, auch als Vorbild?»
Die Partnerschaft mit dem Bodenfruchtbarkeitsfonds
Welchen Einfluss hat die Partnerschaft mit dem Bodenfruchtbarkeitsfonds auf den Betrieb?
«Wir haben an Selbstbewusstsein gewonnen. Uns wird klar, dass wir keine verrückten Ökospinner sind, die fernab von jeder Realität wirtschaften, sondern wir haben Gleichgesinnte gefunden, die uns auch darin bestätigen, dass wir in die richtige Richtung gehen. Das hilft einem auch enorm, wenn man in Krisensituationen ist. Ich möchte in den nächsten zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren gern erleben, dass wir für die gemeinnützige Arbeit, die wir da draussen tun, im Sinne von pflegen und Schutz der Natur, bezogen auf die Bodenfruchtbarkeit, den Artenschutz, die Stabilisierung des Ökosystems, auch wirtschaftlich vergütet werden. Und da bin ich beim Bodenfruchtbarkeitsfonds unter Gleichgesinnten, die das vorantreiben und die Gesellschaft sensibilisieren, und darum fühlen wir uns da auch richtig aufgehoben. Wir haben ja viel mit Produktion und Verkauf zu tun und bei den Treffen mit den Bauern begegnen wir dann Menschen, die wenig Geld verdienen, aber trotzdem mit so viel Idealismus ihrer Arbeit nachgehen. Das sensibilisiert uns auch für die Schwierigkeiten und Herausforderungen, mit denen die Landwirtschaft heute zu tun hat. Und es stärkt uns, weil wir erleben können, dass wir nicht allein sind. Mir fällt dazu John Lennon ein: ‹You may say I‘m a dreamer, but I‘m not the only one.›»
Wir wünschen dem Weingut Zähringer weiterhin eine glückliche Hand bei der Pflege und Entwicklung ihrer Weinberge und natürlich auch bei der Produktion von Weinen, die durch ihren edlen und individuellen Geschmack begeistern.
Von Christopher Schümann
Fotos Weingut Zähringer
Dieses Hofportrait ist zuerst im Magazin des Bodenfruchtbarkeitsfonds erschienen. Der Bodenfruchtbarkeitsfonds ist ein Projekt der Bio-Stiftung Schweiz mit dem Ziel, dass möglichst viel fruchtbarer Boden an nachfolgende Generationen übergeben werden kann. Mehr Infos unter: bodenfruchtbarkeit.bio
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