Ernst Frischknecht: Plädoyer für einen „erdgerechten Ackerbau“

Ernst Frischknecht antwortete auf diesen Beitrag von Josef Braun https://terrabc.org/pflanzen/boden/reduzierte-bodenbearbeitung/minimal-bodenbearbeitung-und-fruchtfolge-mit-kleekraeutermischungen/

Josef Braun beschreibt in einem ausführlichen Dossier seine Erfahrungen, und fügt am Schluss bei, noch vieles im Biolandbau wäre zu hinterfragen.

J. Braun kam von den Erfahrungen in der artgerechten Tierhaltung auf artgerechte Bodenbehandlung. Ich kam 1972 im Kurs für Biolandbau auf dem Möschberg CH auf die Zusammenhänge zwischen Bodenbearbeitung, Pflanzenernährung und Gesundheit der Menschen und Tiere. Auf das „sich einfühlen“ in die Bedürfnisse der Erde. Nach der Meisterprüfung, bei der ich glaubte nun alles „im Griff“ zu haben, war die damalige Biostrategie ein harter Brocken für mich. Nicht Pflanzen ernähren, sondern das Bodenleben, das dann die Pflanzen ernährt. Erde nie tiefer als 12 cm bearbeiten. Mist und organische Substanz nie unterpflügen. Mit Flächenkompost statt Mietenkompost den Kreislauf der Lebenskraft ermöglichen. J. Braun hat durch Beobachtung herausgefunden, was Biolandbau einmal war. Wollte ich diese Bio-Grundsätze vor 40 Jahren einhalten, musste ich vieles der Ausbildung an der Landwirtschaftlichen Schule über Bord werfen. Mehr als 20 Jahre habe ich meine Felder unterschiedlich bearbeitet und darüber Protokoll geführt. Ich erlebte das anfänglich nicht Verstandene schätzen, und darauf mehr zu achten als auf das Nährstoff-Entzugsprinzip der Schule.

Ist J. Braun der Wissenschaft voraus?

Die Felder in gefrorenem Zustand zu bearbeiten – das kann ich mir nicht vorstellen, möchte es aber testen. Alles andere kann ich unterstützen – nicht als Dogma, aber als Hilfe sich in die Prozesse der Erde einzufühlen. Ich habe vor 25 Jahren an Versuchen der Forschungsanstalt Reckenholz über Untersaaten bei Mais und Getreide mitgemacht und später gestaunt, dass im Gegensatz zum Rebbau, der die Begrünung flächendeckend übernommen hat, die Untersaat im Ackerbau keine Chance hatte. Die Wissenschaft hat damals einen erdgerechten Ackerbau aufgezeigt, aber die Ackerbauern haben nicht mitgemacht. Ich selber habe mit sehr gutem Erfolg Mais und Kartoffeln nach Kunstwiese ohne Pflügen gepflanzt, und eine sehr elastische, nicht erodierende Bodenstruktur erhalten. Im Obstbau erlebte ich einen Humusaufbau von dem ich kaum zu träumen wagte – allein mit Abdecken der Baumscheiben mit reifem (Kohlenstoff haltigem) Gras (Flächenkompost). In Afrika erlebte ich, wie ausgetrocknete Wüste dank Abdeckung und ganz sparsamem Wasser Einsatz fruchtbar wurde.

Warum lebt der moderne Biolandbau diese fundamentalen Grundsätze nicht intensiver?

Mit dem Bio Boom der 90er Jahre stiegen viele Bauern wegen der besseren Preise auf Bio um, und nicht deshalb, weil sie sich intensiv mit den Bodenprozessen befassten. Im FIBL hatte man das verständliche Bedürfnis, Bio aus dem Dunst des „Unbeweisbaren“ in die Akzeptanz der exakten Wissenschaft zu befördern. Dabei wurde übersehen, dass seit Justus v. Liebig eine ganze Reihe von Wissenschaftlern darauf hingewiesen hat, dass Leben sich nicht nur chemisch überprüfbar vollzieht. Die gewaltige Mitwirkung der Pilze und Mikroorganismen inkl. intakter Bodenatmung, die in unbedeckter Erde schnell stirbt, wird heute auch wissenschaftlich anerkannt. Aber die Pharma-Industrie ist mit ihrer Werbung für saubere Felder dank Herbizid dominanter als Berichte wie derjenige von J. Braun. Zu hoffen ist, dass sich die Ackerbauern wegen des gegenwärtigen Streits um das Verbot von Glyphosat an die Weisheit der Rebbauern erinnern und den Mythos der sauberen Felder mit der Wahrheit des „erdgerechten“ Ackerbaus, gemäss Vorschlag von Braun vertauschen.

Ernst Frischknecht, Tann, 11. August 2015

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