Kraftfutter reduzieren zum passenden Zeitpunkt

Mit Hilfe von Körperkonditionsbeurteilung sehen, wann auf reine oder hauptsächliche Raufutter-Fütterung umgestiegen werden kann ohne dass Körperkondition oder Milchleistung leiden

Seit Januar 2022 dürfen Wiederkäuer auf Biobetrieben in der Schweiz nur noch höchstens 5 % Kraftfutter, bezogen auf die Jahresration erhalten. Dies kann für Betriebe mit hoch leistenden Milchkühen oder Milchziegen eine Herausforderung werden. Es wird noch wichtiger, dass sich die Tiere gut an die gegebenen Fütterungsbedingungen anpassen können.

Wie kann man die Anpassungsfähigkeit der Tiere beobachten?

Ein laktierendes Tier hat vorwiegend drei Möglichkeiten, sich der Futtersituation anzupassen: es kann die Milchleistung reduzieren oder erhöhen, es kann Körperfett auf- oder abbauen und es kann sein Fress- und Wiederkäuverhalten verändern. Für seine eigene Gesundheit und für die Wirtschaftlichkeit ist es am besten, wenn es vorwiegend das Fress- und Wiederkäuverhalten anpasst. Starke Veränderungen der Körperkondition (BCS) können zu Gesundheits- und Fruchtbarkeitsproblemen führen. Sie sind also zu vermeiden.

Das Kraftfutter kann reduziert werden, sobald eine laktierende Kuh in den ersten Laktationswochen kein Körperfett mehr abbaut. In unserem Versuch war dies jeweils zwischen den Laktationswochen 9 und 16 der Fall. (Bild Anet Spengler Neff)

Zu Beginn der Laktation bauen alle Tiere etwas Körperfett ab, das ist normal. Mehr als 0.5 BCS-Punkte sind jedoch ungesund. Bei Tieren, die kein Körperfett (mehr) abbauen, passen Fütterung, Leistung und Fressverhalten gut zusammen.

Die Herangehensweise unserer Untersuchung auf zwei Bio-Betrieben war, dass wir den Zeitpunkt feststellten, an dem eine laktierende Kuh nach der Geburt kein Körperfett mehr abbaute und dann zu beginnen, das Kraftfutter zu reduzieren oder wegzulassen.
Wir sind von der Hypothese ausgegangen, dass dies möglich ist, ohne dass die Tiere ihre Körperkondition und ihre Milchleistung noch wesentlich reduzieren, wenn der Zeitpunkt passt. Dies wäre ein Hinweis darauf, dass sie ihr Fressverhalten gut anpassen können, das heisst mehr Raufutter aufnehmen, wenn sie weniger Kraftfutter erhalten.

Mit Hilfe des FiBL Merkblattes zur Körper-Konditions-Beurteilung können die Kühe eingeschätzt werden (Bild Ausschnitt aus dem Merkblatt).

Der Versuch

Um diese Hypothese zu überprüfen, haben wir im Rahmen von zwei Semesterarbeiten der HAFL in zwei Bio-Milchviehherden untersucht, was passiert, wenn die Kühe, die zu Beginn der Laktation ihre Körperkondition stabilisiert haben, kein Kraftfutter mehr erhalten (12 multipare Swiss Fleckvieh (SF) – Kühe und 2 erstlaktierende Red Holstein (RH) – Kühe oder das Kraftfutter auf die Hälfte reduziert wird (6 multipare RH-Kühe). Dafür wurde der BCS aller Kühe 2 x wöchentlich kontrolliert. Der Kraftfutterverbrauch pro Kuh und Jahr wurde verglichen mit den Kraftfuttermengen, die die Kühe bekommen hätten, wenn sie, wie vorher üblich, aufgrund ihrer Milchleistungen bemessen worden wären. Wir verglichen die Milchleistungen und die Zwischenkalbezeiten der multiparen Kühe im Versuchsjahr 2020 mit ihren Leistungen im Vorjahr 2019. Und wir beobachteten die Entwicklungen der Milchleistungen und der Körperkondition dieser Kühe nach der Kraftfutterreduktion.

Kraftfutter sparen funktioniert

Die 20 Versuchskühe haben im Durchschnitt 35 % weniger Kraftfutter bekommen als wenn sie wie vorher üblich gefüttert worden wären: Bei den SF-Kühen wurde die Kraftfuttermenge von 123 kg auf 64 kg pro Kuh und Jahr reduziert, bei den RH-Kühen von 348 auf 260 kg pro Kuh und Jahr. 76 % der Versuchskühe zeigten im Jahr 2020 eine höhere Milchproduktion als 2019. Bei 52 % der Tiere war auch der Fettgehalt höher und bei 52 % war auch der Eiweissgehalt höher im Jahr 2020. 75 % der Versuchstiere reduzierten die Milchleistung nicht nach der Kraftfutterreduktion. 25 % reduzierten die Milchleistung und 30 % der Kühe fingen wieder an, Körperfett abzubauen. 45 % der Kühe reduzierten weder die Milchleistung noch die Körperkondition.
Im Jahr 2019 lag der Durchschnitt der Zwischenkalbezeit (ZKZ) aller am Versuch beteiligten Tiere bei 377 Tagen. Im Jahr 2020 lag der Durchschnitt der Zwischenkalbezeit bei 391 Tagen. Die ZKZ-Zunahme war nicht korreliert mit der Milchleistungs- oder der BCS-Abnahme und auch nicht mit der Kraftfutterreduktion.

Kraftfutterreduktion durch gute Beobachtung der Tiere ist möglich. (Bild Anet Spengler Neff)

Die Untersuchung hat gezeigt, dass die genaue Beobachtung der Körperkondition der Milchkühe dabei helfen kann, den passenden Zeitpunkt für den Verzicht auf oder die Reduzierung von Kraftfuttergaben zu finden, mit der Konsequenz, dass die meisten Milchkühe trotz weniger / ohne Kraftfutter kein Körperfett mehr abbauen und / oder ihre Milchleistung nicht reduzieren.
Diese Methode der Kraftfutterreduktion ist gut und einfach zu praktizieren und führt zu Ersparnissen. Man muss aber die Tiere gut beobachten, denn diejenigen, die nach der Kraftfutterreduktion wieder Körperfett mobilisieren, können sich nicht gut anpassen und bei hohen Milchleistungen Probleme bekommen. Betrieben, die gerne ihre Tiere genau beobachten und die das Kraftfutter reduzieren wollen oder müssen, empfehlen wir, die Methode auszuprobieren.

A. Spengler Neff (FiBL), C. von Däniken, S. Haug, S. Probst (HAFL)

Download FiBL Merkblatt «Körper-Konditions-Beurteilung»

1 Antwort
  1. terrabc (Hubert)
    terrabc (Hubert) sagte:

    Kommentar von Corinne Röthlisberger (https://www.biohofbild.ch):
    Ich habe von 10% auf 3% reduziert, jedoch auch von 100% BS auf 50% OB in der Herde und von 7‘500 auf 6‘000 laktationsleistung. Seit letztem Mai sind die Gehalte im Wiesenfutter & auch beim Dürrfutter offenbar schlecht, denn ich hatte BS Kühe, die auch lange nach der Abkalbung noch abmagerten ohne KF, respektive viel zuckerrübenschnitzel brauchten und einige OB-Kühe die normalerweise nach der Abkalbung nur Zuckerrübenschnitzel oder maiswürfel erhalten, nun aber KF brauchten…

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