Konzept einer Hofkooperative

Von der Gemüse- zur Hofkooperative

Auf 2021 haben wir einen mutigen Schritt in die Zukunft gemacht: Der Fondlihof ist nun vollständig ein solidarischer Landwirtschaftsbetrieb (Solawi)!

Die Idee dahinter ist ganz einfach: Alle, die auf dem Hof produzieren und alle, die Produkte vom Hof konsumieren, organisieren die Herstellung der Lebensmittel gemeinsam. So entsteht eine gute Planbarkeit für die Produktion, dadurch weniger Foodwaste und dafür mehr Wertschätzung für die Lebensmittel. Eine ökologische,  sozial und wirtschaftlich nachhaltige Landwirtschaft wird möglich.

Der Schlüssel dazu heisst Solidarität. In der Schweiz funktionieren zahlreiche Solawi-Gemüsebetriebe seit Jahrzehnten so, z.B. ortoloco auf dem Fondlihof. Wir gehen nun einen logischen Schritt weiter und organisieren den ganzen Hof als Solawi.

Das Konzept

Einleitung

Die Gemüsekooperative ortoloco bewirtschaftet seit 10 Jahren auf dem Fondlihof ein Feld von eineinhalb Hektaren. Der Fondlihof ist einer der ersten biologischen Landwirtschaftsbetriebe der Region. Bereits in den achtziger Jahren gab es einen ersten Versuch, den Hof kollektiv zu bewirtschaften. Die mittlerweile pensionierten BetriebsleiterInnen, Sämi Spahn und Anita Lê, übergaben den Hof vor drei Jahren an ein ortoloco-nahes, junges Team. Zusammen mit ihnen möchte die Genossenschaft ortoloco die Idee der solidarischen Landwirtschaft (Solawi) auf den ganzen Betrieb ausweiten. Während rund zwei Jahren haben verschiedene Arbeitsgruppen ein Konzept für den Hof-Solawibetrieb ausgearbeitet. An der ausserordentlichen Genossenschaftsversammlung im Herbst 2020 wurde das vorliegende Betriebskonzept mit grosser Mehrheit angenommen!

Wir haben die einmalige Chance, die bewegte Geschichte des Fondlihofes weiterzuschreiben und einen der ersten Betriebe in der Schweiz zu schaffen, der vollständig nach Solawi-Prinzipien (siehe www.solawi.ch — Kooperationsstelle — Was ist solidarische Landwirtschaft?) bewirtschaftet wird. Wir leisten Pionierarbeit und zeigen, dass eine Landwirtschaft jenseits der Zwänge der Marktwirtschaft möglich ist. Den Menschen, Tieren und Pflanzen geht es besser, wenn ihre Bedürfnisse im Zentrum stehen und sie nicht als blosse Ressource im Wettstreit um Profit betrachtet werden. Lokale und saisonale Ernährung, faire Arbeitsbedingungen und ökologische Landwirtschaft sind die Ziele. Wie soll das gehen? Der Schlüssel dazu heisst Solidarität. Wir teilen uns die Ernte, die Kultur, die Arbeit, die Kosten und tragen gemeinsam die Verantwortung für den Betrieb des Hofes.

Der Fondlihof als Hof-Solawi

Auf dem Fondlihof bewirtschaften wir 20 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche mit Ackerland (8 ha), Weiden (6 ha), Gemüsegarten (1,5 ha), Obst (1,5 ha), Biodiversitäts-Flächen (3 ha) und Wald (1ha). In den drei Obstanlagen und im Hochstamm-Obstgarten wachsen diverse Sorten Äpfel, Birnen, Zwetschgen und Kirschen, auf dem Gemüsefeld und in unbeheizten Folientunnels eine breite Palette an Gemüse und Kräutern. Auf den Äckern bauen wir Dinkel, Weizen, Lein, Hirse, Speisesoja, Sonnenblumen zur Ölgewinnung und bisher Mais als Ergänzung für die Winterfütterung der Rinder an. Die Flächen, die nicht für den Anbau von Ackerkulturen geeignet sind, z.B. aufgrund der Hanglage, werden mit Tieren beweidet. Die ca. 30 Rinder fressen von Frühling bis Herbst das Gras auf den Weiden und das Heu oder die Silage der Kleegras-Wiesen in der Fruchtfolge (graslandbasierte Fütterung). Die Gülle und der Mist dienen den Ackerböden als wertvolle Nährstoffquellen. Stroh, das bei der Ernte des Getreides anfällt, wird wiederum als Einstreu für die Rinder genutzt. Es gibt zwei Legehennenherden mit je 60 Hühnern und einem Hahn. Durch die direkte Zusammenarbeit von ProduzentInnen und KonsumentInnen ermöglicht die Hof-Solawi in einigen Bereichen eine neue Ausrichtung – so wie wir bei ortoloco von vielen vermeintlichen Sachzwängen befreit sind und so wirtschaften können, wie wir es für sinnvoll halten: alles verwerten, kurze Wege, saisonal, eigene Setzlingsanzucht, samenfeste Sorten, torffreie Erde, wenig Handelsdünger, die Mitarbeit ermöglicht eine geringe Mechanisierung, viel Handarbeit u.a. Gleichzeitig werden faire Arbeitsbedingungen ermöglicht. Der Vermarktungsaufwand entfällt und innerhalb der Genossenschaft sind die administrativen Aufgaben verteilt. Somit haben die LandwirtInnen mehr Zeit für einen ökologischen Anbau: Raus aus der Tretmühle und dem Rationalisierungsdruck.

Der Hof wird im Sinne eines ökologischen Agrarsystems weiterentwickelt und an die Bedürfnisse der Mitglieder angepasst.

Bei den Rindern wird die Tierzahl an die Futterbasis und die Essgewohnheiten der Mitglieder angepasst. Beim Schlachtzeitpunkt geht es nicht mehr um die Ausrichtung auf die edlen Stücke sondern um eine vollständige Verwertung nose to tail. Bei der Hühnerhaltung wird ein System mit mobilen Hühnerställen und einem ganzheitlichen Weidesystem angestrebt. Längerfristige Perspektiven sind einerseits der Anbau von eigenem Hühnerfutter, andererseits der Aufbau einer eigenen Nachzucht mit robusten Zweinutzungs-Typen, die weniger zugefüttert werden müssen.
Die Obstanlagen werden ergänzt mit Blühstreifen und Strukturelementen, bei der Erneuerung können sie in Richtung Obstgarten oder Agroforst gestaltet werden.
Der Ackerbau wird diversifiziert: neu werden z.B. auch Roggen und Hafer angebaut, längerfristig vielleicht auch Linsen und Polenta-Mais. Angestrebt wird eine Extensivierung mit mehr blühenden Ackerbeikräutern (Kornblume, Mohn und Kamille) und Blühstreifen. Der Anbau erfolgt bereits jetzt möglichst bodenschonend. Ziel ist, die Bodenbearbeitung weiter zu reduzieren und Gründüngungen einzusetzen. Dafür bilden sich die Fachkräfte weiter zu Themen der Agrarökologie.
Die Treibhausgasemissionen, die durch den Betrieb der Hofsolawi entstehen, versuchen wir durch unsere Bewirtschaftungsweise zu minimieren. Langfristig wird eine erneuerbare Energieversorgung (Wärme, Strom, Treibstoffe) angestrebt. Neben Fragen der Bewirtschaftung ist der Erhalt des Kulturlandes ein zentrales Thema. Das Eigenland beträgt 6,6 ha, der Hof ist also auf Pachtland angewiesen. Die Stadt expandiert und es ist wichtig, das Interesse an einer stadtnahen Landwirtschaft (sowie Umweltbildung, Partizipation) breit abzustützen.

Dabei sein: Hof-Abo und Betriebsbeiträge

Wir sehen den Hof als Ganzes, im Hof-Gefüge ist alles miteinander verwoben und nicht leicht trennbar. Dennoch möchten wir auf verschiedene Ernährungsgewohnheiten eingehen und auch hier eine Vielfalt ermöglichen. Ihr habt die Wahl zwischen drei Abo-Varianten: Vollabo, Vegiabo oder ein Hofabo ohne Gemüse. Tofu und Eier können zusätzlich zu jedem Abo gewählt werden. Die Tofumanufaktur Engel in Widen stellt aus unseren Sojabohnen per Hand feinsten Tofu her. Es gibt abwechslungsweise Naturtofu und Räuchertofu, sowie hin und wieder ein Päckli marinierten Tofu. Beim Getreide kann die Verarbeitungsform gewählt werden – eine Körnermühle und eine Flockenquetsche werden zur Verfügung gestellt, für ein Pfünderli Brot pro Woche oder Pasta fallen zusätzliche Verarbeitungsbeträge an. Im Vollabo enthalten sind Getreide (Weizen, Dinkel), Hirse, Obst, Sonnenblumenöl (ca. 2,5 Liter/Jahr), Leinsamen, Rindfleisch und Gemüse.

Wie gewohnt werden die frischen Produkte wöchentlich in die Quartierdepots verteilt: Gemüse, Obst, sowie falls gewählt zu sätzlich Eier, Tofu und Brot. Haltbare Produkte wie Getreide und Kerne stehen das ganze Jahr über im zentralen Verteilpunkt im ehemaligen Hofladen zu Verfügung und können selbst abgefüllt werden.
Das Rindfleisch wird in drei Mischpaketen à 5 kg übers Jahr verteilt bereitgestellt und kann entweder frisch nach Schlachttermin oder später gefroren auf dem Hof abgeholt werden.

Austausch und interne Vernetzung

Um individuellen Essgewohnheiten und Bedürfnissen noch besser gerecht zu werden, streben wir ausserdem an, eine Vernetzungs- und Kommunikationsplattform zwischen den GenossenschafterInnen einzurichten. Hier kann es einen «Marktplatz» zum Teilen oder Tausch von Produkten geben.

Was kostet das?

In einer solidarischen Landwirtschaft steht die Lebensmittelproduktion zu menschenwürdigen Arbeits- und Lohnbedingungen im Zentrum. Durch den Betriebsbeitrag sorgen wir dafür, dass sämtliche Betriebskosten des Hofs gedeckt sind. Die Risiken der Landwirtschaft lasten so nicht allein auf den Schultern der BäuerInnen, sondern sind breit verteilt auf den Schultern aller beteiligten GenossenschafterInnen. Ebenso wie die Risiken teilen wir auch die Ernte. Die Mengenangaben in dieser Broschüre sind Schätzungen, basierend auf den Erträgen der letzten Jahre. Diese unterliegen natürlichen Schwankungen. Durch eine hohe Vielfalt minimieren wir die Risiken für Totalausfälle und freuen uns an einem bunt gefüllten Produktekorb. Eine denkbare wöchentliche Zusammenstellung inklusive den umgerechneten Betriebskosten findet Ihr in der Darstellung auf der folgenden Seite.
Aktuell rechnen wir mit 270 beteiligten Haushalten. Je nach Abo-Wahl können die Betriebsbeiträge und Mengen noch um bis zu 10% schwanken. Falls es zu wenige Anmeldungen gibt, werden in einer Übergangsphase die Überschüsse über die bisherigen Kanäle verkauft. Umgerechnet aufs Jahr ergeben sich nach jetzigem Stand die folgenden Betriebsbeiträge:
Voll-Abo ca. 2890 Fr.
Vegi-Abo ca. 2350 Fr.
Abo ohne Gemüse ca.1620 Fr.
Weitere jährliche Kosten fallen an für Eier (ca. 200 Fr.) und für die externe Verarbeitung von Tofu (ca. 210 Fr.), Pasta (ca. 30 Fr.) und Brot (ca. 120 Fr.).

Hofsolawi-Aboaufteilung:

Es ist ausserdem denkbar, die jährlichen Betriebsbeiträge flexibler zu gestalten, beispielsweise mit einem abgestuften Betriebsbeitrag: Je nach persönlicher finanzieller Situation wird ein höherer oder niedrigerer Beitrag empfohlen.

Hofkauf

Wir wagen es und versuchen, den Hof ohne Bank zu kaufen. Wir stocken die Anteilsscheine auf und suchen private Darlehen ortoloco-verbundener Menschen. Neu sind mindestens 4 Anteilsscheine à 250 Fr. nötig, um Ernteanteile zu beziehen. Im Schnitt sollten es pro Abo 26 Anteilsscheine sein. Das Prinzip soll auch hier solidarisch sein: JedeR gibt so viel er/sie kann. Finanziell besser gestellte Mitglieder lösen mehr als 26 Anteilsscheine und ermöglichen so die Mitgliedschaft von GenossenschafterInnen mit schmalerem Budget.
Da das bäuerliche Bodenrecht nicht zulässt, dass die Genossenschaft den Hof erwirbt, wird die landwirtschaftliche GmbH Fondlihof (bestehend aus den Hoffachkräften, den Gartenfachkräften und zwei Mitgliedern der Betriebsgruppe) den Hof kaufen. Ermöglicht wird das über die Gelder, die ortoloco sammelt und als Darlehen der GmbH Fondlihof zur Verfügung stellt.

Organisationsstruktur

Die Zusammenarbeit der beiden Organisationen wird über einen Kooperationsvertrag geregelt, der jährlich an der ortoloco-GV erneuert wird. Die Basis der Zuständigkeiten und Entscheidungsprozesse ist in den Statuten und Betriebsreglementen sowohl der Genossenschaft ortoloco als auch der GmbH Fondlihof abgebildet.
Die Kultur der ortoloco Betriebsgruppe (BG) soll weitergeführt werden. Eine Gruppe Ehrenamtlicher verantwortet zusammen mit den Fachkräften den Betrieb der Solawi. Die Mitglieder werden an der GV gewählt. Dazu kommen Projektgruppen für spezifische Bereiche (z.B. Beeren). Um die Partizipation und Vernetzung unter den GenossenschafterInnen zu erhöhen, sollen regelmässig Plenen und Konferenzen stattfinden.

Solawi-Infrastruktur

Damit der Fondlihof ein guter Ort für viele Menschen werden kann, sind bauliche Veränderungen nötig. Neben den notwendigen Erneuerungen an bestehenden Gebäuden soll ein neuer Ort entstehen, wo gekocht, gegessen, gelacht, geruht und diskutiert werden kann. Wo dieses Herzstück der Solawi auf dem Fondlihof sein soll, wird gerade evaluiert. Sicher ist: Der Ort wird schön sein!

Mitarbeit

Die Mitarbeit ist elementarer Bestandteil des Solawi-Konzepts: Durch die Mitarbeit verwachsen ProduzentInnen und KonsumentInnen miteinander. Die Mitarbeit ist nicht nur symbolisch sondern in der Grössenordnung von etwa einem Drittel bis zur Hälfte des Umfangs der landwirtschaftlichen Fachkraftarbeit. Durch den Einsatz vieler erreichen wir schlussendlich erst den sozialen und ökologischen Mehrwert.
Für die Hof-Solawi sind darum beim Voll- und Vegiabo 14 Einsätze pro Haushalt und Jahr erforderlich. Das Hofabo ohne Gemüse erfordert nur 4 Einsätze und ist deshalb auch für Mitglieder anderer Gemüsekooperativen attraktiv.
Wer sich regelmässig verpflichten möchte, eine bestimmte Arbeit zu übernehmen, kann auch in der Landwirtschaft in verantwortungsvolle, anspruchsvollere Tätigkeiten eintauchen und das Hofgefüge mitgestalten. Beispielsweise könnten sich Arbeitsgruppen bilden zum Thema Biodiversität, Hühnerhaltung, Solar-Energie… Auch im Bereich der Verarbeitung gibt es noch viel Entwicklungspotenzial, wo die Ideen und der Einsatz aller willkommen sind: Gemeinsames Mosten? Früchte dörren und einmachen? Eine eigene Backstube?
Zu guter Letzt: Feste feiern, genussvolle Abende oder gar Tage sind integraler Bestandteil der ortoloco-Kultur, und wir wollen diese Kultur weiterhin leben und entwickeln.

Wann geht es los?

Der Hof-Solawi-Betrieb hat im Januar 2021 gestartet. Du kannst dich auf info@ortoloco.ch anmelden. Bedingung für den Bezug eines Abos ist die Mitgliedschaft in der Genossenschaft.

Bist Du dabei?

Genossenschaft ortoloco: https://www.ortoloco.ch/

Allgemeine Infos zu Solawi: https://www.solawi.ch/

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Fondlihof
Bio-Gemischtbetrieb in Dietikon
Tina Siegenthaler, Finn Thiele
zwei Vollzeitstellen in der Landwirtschaft, 3 Teilzeitstellen im Gemüse, wechselnde Aushilfen, Zivis, PraktikantInnen
20 ha
1 ha
Bio-Suisse
Rinderzucht, Futterbau, Getreide, Ölsaaten, Gemüse, Obst, eigenes Öl
Obstbau (Äpfel, Birnen, Zwetschgen, Kirschen), Gemüsebau,
Futterbau und Anbau von Dinkel,  Weizen, Hirse, Speisesoja, Lein
und Sonnenblumen für Speiseöl
35 Bio-Weide-Rinder, halbtags im offenen Laufstall, 150 Legehennen, Bienen, Katzen
400 m ü. M.
Der ganze Hof wird seit 2021 als solidarische Landwirtschaft bewirtschaftet.
Rechtsform landwirtschaftliche GmbH, Hofladen mit Selbstbedienungsvitrine, Direktvermarktung von Fleisch, Eiern, Öl, Obst, Most und Schnaps
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