Von LandwirtInnen, die mit Wasser planen (Teil II)
Nach dem ersten Teil der Serie zur Planung unserer Keylinesysteme schreiben wir über die Umsetzung der Pläne, welche wir mit Philipp Gerhardt entwickelt haben.
Markus: Lukas, wie habt ihr mit den Keyline-Gräben begonnen?
Ich war unruhig und brauchte Vertrauen in eine mir fremde Technik, denn gebaggert wurde auf unserem Landwirtschaftsland bisher noch nie. So ging der Auftrag für die ersten zwei Wasserrückhalte-Gräben an einen Baggerführer.
Wir planten zwei 70 m lange Gräben. Der nördlichere sollte bei Starkregen das auf dem Boden abfliessende Wasser aufnehmen und weiter östlich verteilen. Wir arbeiteten mit einem Planierlöffel, einer ein Meter breiten Grabschaufel. Der Bagger stand auf der Talseite, das gesamte Material wurde, ohne Trennung von Humus und Oberboden, nach unten gezogen. «Mit ein Prozent Gefälle, damit das Wasser fliesst, sind wir wohl auf der sicheren Seite», dachte ich mir. Mit einem Flächenlaser liess sich die Grabentiefe genau festlegen. Der Beginn des Grabens war mit 10 cm Tiefe kaum erkennbar. Am anderen Ende war er 1.2 m tief. Wir hatten es davor nicht berechnet und waren überrascht, am Ende so tief gegraben zu haben. Vor Ort beschlossen wir, an der tiefsten Stelle wieder Erde in den Graben zu werfen, womit wir bei einem Meter Tiefe landeten (Abb. 1).
Der im Hang darunter liegende südliche Graben wurde mit einem 70-cm-Tieflöffel (mit 5 Zähnen) gegraben. Er sollte das Wasser halten und versickern lassen. Es gab somit kein Gefälle und war wesentlich einfacher zu Baggern. Die Grabenwände sind bis heute nur wenig eingebrochen (Abb. 2).
Bei unserer zweiten Agroforstfläche baggerten Philipp Gerhardt und ich dann selbst. Die tiefste Stelle sollte hier im zweiten Drittel der Länge liegen. Wir haben bei leichten Kuppen tiefer gegraben und bei Senken zusätzliches Material für den Damm vom Acker geholt.
Eine technische Weiterentwicklung auf der zweiten Agroforstfläche war, einen unterirdischen Ablauf für die Wasserregulierung zu bauen. So ergab sich neben den Ost-West Gräben ein querender Nord-Süd-Graben in mindestens 70 cm Tiefe, um darin ein PE125 Rohr zu verlegen (Abb. 4). Auf T-Stücken jeweils auf der Höhe der angelegten Gräben wurden Rohre verschweisst, um mit einer verschiebbaren Verbindung (Muffe) überschiessendes Wasser aus dem Graben wie bei einem Überlauf in den untersten Rückhaltegraben zu bringen.
An der Übergangsstelle brach uns im ersten Winter nach starkem Regen und geschlossenen Grundablässen der oberste Damm. Wir hatten über den Acker 100 m lang entlang des vergrabenen Rohrs einen bis zu halbmetertiefen Erosionsgraben.
An den total 950 m Gräben arbeiteten wir als Laien knapp 2.5 Wochen.
Lukas: Markus, wie habt ihr Eure Wassergräben gemacht?
Wir haben in einem 6 m breiten Dauergrünstreifen Kanten in die Landschaft gebaut (Abb. 3). Wir haben die ausgebaggerte Erde, wie bei euch auch, hangabwärts aufgeschüttet. Daher stammt auch die deutsche Bezeichnung abgeworfener Sammelgraben. Der erste Schritt der Umsetzung bestand darin, die Keyline (so nennt man bei diesem Verfahren eine ungefähr hangparallele Linie) mit Markierstäben auszustecken. Vor dem Baggern bin ich dann mit dem Geohobel (ein oberflächliches Bodenbearbeitungsgerät) auf beiden Seiten dieser Markierungen durchgezogen. So wurde die Linie sichtbar und wir hatten genug Feinmaterial, um die Kanten zu modellieren. Für die 540 m auf den Ackerflächen benötigten wir anderthalb Tage. Die Baggerarbeiten wurden von einem professionellen Baggerführer gemacht. Für die 750 m auf den östlichen Flächen brauchten wir fünf Tage. Der Mehraufwand entstand bei diesen Gräben wegen der komplizierteren Linienführung und den angelegten acht Übergängen. Dort wurden Betonrohre verlegt und Boden aufgeschüttet, damit sie später befahrbar sind und uns ermöglichen, mit Traktor und Maschinen in die verschiedenen Bereiche des Gemüseanbaus zu kommen. Wir haben für alle Gräben mit einem Gefälle von 0.5 % geplant und konnten dies in der Umsetzung gut einhalten. Die Grabenwälle sind bei uns zwischen 20 cm und 60 cm hoch. Die ideale Höhe sehe ich zwischen 30 cm und 60 cm, damit die Kante über die Jahre nicht einfach verschwindet; wir werden die niedrigeren noch höher machen.
Wie habt ihr die Einsaat der frisch gebaggerten Gräben gemacht, Markus?
In den Dauergrünstreifen zwischen den Gräben und dem Ackerland habe ich als Begrünung eine mehrjährige Gras-Klee-Mischung eingesät. Dafür habe ich eine 3-jährige Gras-Klee-Kräutermischung von Sepp Braun, eine 4-jährige Grasmischung und Luzerne gemischt. Das habe ich jeweils direkt nach den Baggerarbeiten eingesät, damit gleich wieder etwas wächst und den Boden stabilisiert. Dies ist gut gelungen, innerhalb von zwei Monaten waren die Flächen grösstenteils wieder grün.
Und was habt ihr eingesät, Lukas?
Wir wollten den Boden ebenfalls möglichst bald wieder stabilisieren und dabei eine möglichst hohe Biodiversität. Wir haben in dem 4-Meter-Pufferstreifen zwei verschiedene Mischungen eingesät: im Graben eine Blumenwiesenmischung für feuchtere Lagen, im Teil südlich der Kuppe eine trockene Mischung. So rasch wie bei Markus hat sich das Ganze nicht etabliert, jetzt im zweiten Standjahr gibt es keine Erosion mehr.
Zur Umsetzung gehören unbedingt auch Baumpflanzungen. Was waren eure Überlegungen dazu, Markus?
Wir wollten viele fruchttragende Gehölze anpflanzen. Trotz grosser Vielfalt sollte das übersichtlich und gut zu bewirtschaften sein. Wir setzten alle Pflanzen 70 cm unterhalb der Grabenoberkante auf der hangabfallenden Seite. Auf den Ackerflächen sind dies Edelkastanien der Sorten Bouche de Betizac und Brunella im Abstand von 16 m, dazwischen steht alle vier Meter ein Holunder der Sorte Haschberg. Auf den östlichen Flächen pflanzen wir verschiedene Haselnuss-Sorten, wenige Mandeln sowie Apfel, Birne, Zwetschge und Kirsche als Niederstammobst. Dazu kommen entlang der Gräben innerhalb des Gemüsebaus Beeren- und Wildobststräucher. Auf der südlichen Linie entlang des bestehenden Hochstammobstgartens werden wir weitere Bäume pflanzen. Bis auf die Beeren, Wildobst und Hochstammbäume ist nun alles gepflanzt. Sämtliches Pflanzgut haben wir bisher aus Schweizer Baumschulen gekauft, weil für uns der Aufwand für Import, Verzollung und die Kosten der Lenkungsabgaben zu hoch waren.
Eine grosse Herausforderung ist bei uns der Schutz vor dem Wild. Zum einen dient ein selbstgebauter Stammschutz aus heimischem Fichtenholz für jedes Gehölz als Wildschutz, zum anderen werden wir die vielen jungen Triebe zu Beginn mit einem Verbrämungsmittel (Bitterstoff) vor Verbiss schützen. Die Alternative wäre grossflächiges Einzäunen gewesen, dies ist aber viel zu aufwändig und teuer.
Was stellt ihr euch mit den Bäumen vor, Lukas?
Wir haben so geplant, dass die Bäume einander mit der Zeit ablösen können: Es stehen jeweils zwei Baumtypen pro Reihe, eine steht für die nächsten 250 und mehr Jahre, die andere wird wohl nach 70 Jahren eingehen. Eine Kombination sind Pekannüsse (hohe und eher schmale amerikanische Walnussart) in jeweils 8 Metern Abstand, mit Mandelbäumen dazwischen. Für diese haben wir die Unterlagen St. Julien gepflanzt, im August werden wir die Mandeln nachpfropfen. Eine weitere Kombination sind grosse Walnussbäume (Franquette), welche in 12 m Abstand zueinander angepflanzt wurden. Dazwischen die kleinen Walnusssorten Fernor und Milotai sowie Erlen, welche Stickstoff fixieren. Die kleineren Nussbäume und Erlen werden wir in 15-20 Jahren rausholzen, damit die grossen Nussbäume genügend Platz haben. Als dritte Kombination haben wir Eichen mit essbaren Früchten auf 20 m (Sorten Q. x sweetcorn und Q. ithaburensis), dazwischen Hochstammhaseln (als Unterlage die Baumhasel Corylus avellana mit Sortenveredelung).
Die 250 Bäume wurden von den GenossenschafterInnen von Hand gepflanzt. Als Wurzelschutz gabs für die Pekannüsse und Walnussbäume einen Gitterkorb. V.a. aber setzen wir auf die 15 Asthaufen, die für das Hermelin Refugien bieten sollen. Ein grösseres Thema sind aber die Rehböcke, welche die Bäume schälen, wenn sie sich die Basthaut vom Geweih fegen. Manche Stämme haben wir mit einem Forstbaumschutz, einem feinen Plastikgitter geschützt und an ihren Pfosten fixiert. Bei den über 2 m hohen Baumhaseln gelang dies bei der Pflanzung nicht. So haben wir viele Bäume im Nachhinein mit diversen rankenden Rosen bepflanzt. Rückblickend hätte das Thema mehr Aufmerksamkeit gebraucht. Wir müssen dieses Jahr wegen Fegeschäden nochmals mehr als 40 Bäume nachpflanzen (davon 26 Nutzbäume). Wir werden sie ebenfalls mit dem System von Markus schützen: Drahtgitter mit Abstandhaltern an den Anbindepfosten oder eben dem Stammschutz aus Fichtenholz). Bei der Pflanzung haben wir abgesehen von den Pekannüssen, welche getopft daherkamen, weil deren Wurzeln sehr empfindlich sind, nur mit wurzelnackten Pflanzen gearbeitet. Gepflanzt wurde mit Sechseck-Drahtgitter mit 13 mm Maschengrösse als Wühlmausschutz. In die Pflanzlöcher kam eine Schaufel hofeigener Kompost mit Pflanzenkohle, an die Feinwurzeln ein Kaffeelöffel Mykorrhizapulver. Dies ist ein Mix aus 20 essbaren Pilzarten, welche auch unter dem Boden für eine möglichst hohe Biodiversität sorgen und in Zukunft beerntet werden können (gekauft von ackerbaum.de). Ein Teil der Walnuss-Bäume kam aus Deutschland, sogenannte Klimabäume von der darauf spezialisierten Baumschule Resilia (klimabaeume.org), welche mit einem «Airpruning »-System gezogen wurden: Der Kübel hat viele Löcher an der Seite, sobald die Wurzeln an die Luft kommen, wachsen sie dort nicht mehr weiter und bilden stattdessen im Topf sehr viele Feinwurzeln. Der weitaus grösste Teil kam von der Bio-Baumschule Glauser in Noflen.
Markus Schwegler, Lukas van Puijenbroek
Dieser Text erschien in der Zeitschrift Kultur und Politik 4/2023 (https://www.bioforumschweiz.ch/kultur-und-politik/)
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