Agroforstsysteme: Motivation & Hindernisse

In der Masterarbeit, welche diesen Texten zugrunde liegt, wurden qualitative Interviews geführt, um zu schauen, auf welche Hindernisse Landwirt*innen bei der Anlegung von Agroforstsystemen (AFS) treffen und welche Motivationen hinter der Anlegung dieser Produktionssysteme steckt. Die Anzahl der Befragten lag bei 5.

Generell ist festzustellen, dass die Größe des Betriebes keinen Einfluss auf die Entscheidung AFS anzulegen zu haben scheint. Auch bewirtschaften die befragten Landwirt*innen ihre Betriebe sowohl konventionell, als auch biologisch. Betriebe, die nur konventionell wirtschafteten wurden als Interviewpartner*innen nicht gefunden. Die befragten Landwirte, die keine AFS anlegen wollen, wirtschaften beide Demeter zertifiziert und haben ihre Flächen gepachtet. Die Kommunikation mit den Verpachtenden wird nicht als Problem dargestellt. Es stellt sich jedoch die Frage, ob das Mehr an Arbeits- und Werteinsatz bereitwilliger gegeben wird, wenn das Land auch langfristig im eigenen Besitz bleibt. Alle befragten Landwirt*innen mit AFS haben diese auf ihren eigenen Flächen angelegt.
Alle 5 Landwirtinnen halten AFS für die ökologischere Art der Landwirtschaft. Auch besteht ein Konsens darin, dass AFS das Landschaftsbild aufwerten und Märkte für neue Produkte da sind bzw. geschaffen werden können, was zu ökonomischen Vorteilen führen kann. Die Einschätzungen und das Wissen über den genauen Mehrwert der Systeme sind aber individuell sehr unterschiedlich. Dies gilt auch für die Bereitschaft den eigenen Betrieb und das Arbeiten zu verändern und die individuellen Ziele.
Als Gemeinsamkeit kann jedoch die Forderung von mehr Bildungsveranstaltungen und einer niedrigschwelligen finanziellen Unterstützung festgehalten werden.

Mehrjährige Kopfweihnachtsbäume mit Brombeeren und Esskastanien, Gut & Bösel (Bild Maximilian Hanschmann)

Arbeiten nach eigenen Werten

Durch AFS kann nachhaltig gearbeitet und diese Einstellung in die Öffentlichkeit getragen werden. Die Förderung von Biodiversität und die Verschönerung des Landschaftsbildes durch eine Diversifizierung des selbigen sind weitere positive Aspekte, die genannt wurden. Generell sei die Anlage von AFS eine Einstellungssache, so ein Landwirt. Landwirt*innen, die naturnäher wirtschaften wollen und Vielfalt als Chance begreifen, können mit AFS übereinstimmender mit ihren Werten arbeiten.

Produkteigenschaften

Doch AFS sind komplex und in der heutigen Landwirtschaft noch relativ unbekannt. Während das Prinzip „mehrjährige Gehölze auf landwirtschaftlicher Fläche“ erst einmal leicht wirkt, so ist festzustellen, dass aufgrund mangelnden Wissens, die Frage nach dem Mehrwert nicht für alle Landwirt*innen beantwortbar war. Hier werden Bildungsangebote gewünscht. Einige Landwirt*innen sehen durch AFS eine langfristige Zukunft, welche sonst angezweifelt wurde, auf den von ihnen bewirtschafteten Flächen. Weiterhin bieten AFS den Vorteil, dass sie zur Einhaltung von Naturschutzauflagen und Biotopvernetzung beitragen können. Eine Auswahl an Produkteigenschaften und inwiefern diese durch AFS erfüllt werden, ist in unten stehender Tabelle ausführlicher aufgeführt.

Mehrarbeit

Die Abweichungen von den gewohnten Arbeitsroutinen sind je nach Art des Systems, der Anlage und den erwünschten Produkten unterschiedlich stark. Sind die Bäume in Reihen auf dem Acker gepflanzt, kann dieser weiter mit dem Traktor in Streifen bearbeitet werden, bei einer Pflanzung ohne Reihen ist die Arbeit mit Maschinen erschwert. Auch die einzelne Feldstreifenbreite ist für die Bearbeitung mit Maschinen zu beachten. Bei der Wertholzgewinnung stellt die regelmäßige Astung eine Mehrarbeit dar, bei Obstbäumen die jährliche Ernte.

Es ist zu sehen, dass AFS die Punkte relativer Vorteil zu vorherigen Lösungen, sowie Arbeit nach den eigenen Werten erfüllen können. Bei dem relativen Vorteil geht es vor allem um die ökologischen Vorteile, sowie um die breitere Aufstellung der Betriebe durch die Produktdiversifizierung. Ökonomisch betrachtet können AFS sowohl Vor- als auch Nachteile für die Landwirt*innen bedeuten. Das Arbeiten mit den eigenen Werten wird besonders für die Menschen möglich, wenn es um eine möglichst naturnahe Bearbeitung geht, die ihnen dann wichtiger ist als eine mögliche Mehrarbeit. Trotz dieser Mehrarbeit sind die Systeme praktikabel, für die Verständlichkeit und hier insbesondere der Nutzbarkeit bedarf es mehr Wissenstransfer.

Organisation

Bei der Organisation geht es anfangs vor allem um die Planung und Anlegung der Systeme. Die Planung kann von Externen übernommen werden, hier ist aber darauf zu achten, dass dies in enger Absprache mit den Landwirt*innen passiert. Sowohl die Übersicht über Initiativen, als auch die Suche im Internet (Stand:15.02.2021) nach „Agroforstsysteme anlegen“ „Agroforstsysteme anlegen Planungsbüro“ und „Agroforstsysteme planen“ zeigen, dass das Angebot auf dem deutschen Markt noch spärlich ist. Bei der Planung ist grundsätzlich zu beachten, dass die Schläge eine Größe behalten, die gut bearbeitbar ist. Hilfreich ist zudem, die Feldbreite auf die vorhandene Maschinenbreite anzupassen. Auch für die Pflanzung bräuchte es spezielle Dienstleistungsangebote, damit die Landwirt*innen mit dieser Aufgabe nicht allein gelassen werden. Bei den befragten Landwirt*innen gab es Hilfe von Privatpersonen und von Schulklassen. Durch die benötigte Hilfe wird zugleich ein Austausch geschaffen, woraus wiederum Verbundenheit und Wissen entstehen kann. Auch bei den monetären Förderungen setzten die befragen Landwirt*innen mit AFS auf unterschiedliche, kreative Lösungen abseits der staatlichen Subventionen. Die Planung des Ganzen erfordert jedoch ein mehr an Organisation von Seiten der Landwirtin / des Landwirts. Der Zugang zu Ressourcen- und Akteursnetzwerken, den es ebenfalls benötigt (Schubert 2018), ist durch den DeFAF und die IG Nuss vorhanden.

In der Arbeit wird deutlich, dass die Landwirt*innen in AFS Risiken bezüglich der schwierigen Subventionierung ihrer Flächen sehen. Dieser ökonomischen Gefährdung stehen die Wertsteigerung durch neue Produkte und eine langfristige Bewirtschaftung von den Flächen gegenüber. Weiterhin wird in der Arbeit gezeigt, dass die Akzeptanz für AFS, wenn das Wissen vorhanden ist, wahrscheinlicher ist. Dies reicht jedoch nicht als alleiniger Umstellungsgrund. Die Vorteile der Systeme müssen nicht nur gesehen, sondern auch für schwerwiegender als mögliche Nachteile empfunden werden.

Produkteigenschaften nach Rogers (1995) und Clausen et al. (2011) Erfüllung der Produkteigenschaften durch AFS
Relativer Vorteil gegenüber vorherigen Lösunge Höhere Wasserspeicherung, bessere Kohlenstoffspeicherung, höhere Biodiversität, Landschaftsbild wird als schöner wahrgenommen, Biotopvernetzung, zusätzliche Futterquelle für Tiere, Einhaltung von Naturschutzauflagen, Produktdiversität
Vereinbarkeit durch die Innovation mit den eigenen Werten Nachhaltig wirtschaften, Natur in den natürlichen Prozessen aktiv unterstützen, ähnlich wie frühere Siedler*innen arbeiten, Landschaftserleben schaffen, Begeisterung, Verantwortung
Die Innovation ist verständlich und praktikabelJa, allerdings fehlt Wissen zu dem Mehrwert von AFS
Abweichungen von den gewohnten ArbeitsroutinenMehrarbeit vorhanden besonders in der Anfangsphase, Systeme können aber je nach gewünschtem Arbeitseinsatz geplant werden

Lena Daniel, 2021

Dieser Text ist auf der Grundlage der Master-Arbeit “Innovationen in der Landwirtschaft. Agroforstsysteme als transformative Praxis in der Region Lübeck” an der Georg August Universität Göttingen im Master Geographie / Ressourcenanalyse und -management entstanden.

Quellen: Clausen, Jens, Klaus Fichter, and Wiebke Winter. 2011. Theoretische Grundlagen für die Erklärung von Diffusionsverläufen von Nachhaltigkeitsinnovationen. Berlin: Borderstep Insitute für Innovation und Nachhaltigkeit.
Rogers, Everett M. 1995. Diffusion of Innovations. 4th ed. New York: Free Press.
Schubert, Christoph. 2018. “Soziale Innovationen im ländlichen Raum.” In Soziale Innovationen lokal gestalten, Sozialwissenschaften und Berufspraxis, eds. Hans-Werner Franz and Christoph Kaletka. Wiesbaden, Germany: Springer VS, 367–83.

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