Von LandwirtInnen, die mit Wasser planen (Teil I)

Gemüse im stehenden Wasser, Trockenrisse so tief, dass man die Hand darin verschwinden lassen kann. Wetterextreme geben grundlegende Denkanstösse, merken Markus und Claudia Meierhans-Schwegler vom Katzhof in Richenthal LU und Lukas und Jeannine van Puijenbroek vom Hof Aebleten in Meilen ZH. Die vier kennen sich schon seit 7 Jahren. Beide betreiben ein Gemüseabo nach den Ideen der Solidarischen Landwirtschaft, bemühen sich generell um eine nachhaltige Landwirtschaft und merken, dass der Klimawandel clevere Anpassungen braucht, vor allem was das Wasser angeht.
Ein weiteres Bindeglied zwischen den Höfen wurde schliesslich Philipp Gerhardt. 2018 war auf dem Hof Aebleten bereits ein erstes Agroforst- und Wasserprojekt mit einer Agroforstberaterinnengruppe aus Witzenhausen und Philipp Gerhardt umgesetzt worden, welches sich Markus, Philipp und Lukas im 2021 anschauten. Markus heuerte Philipp kurz danach für seine Hofgestaltung an. Lukas und Markus erarbeiteten ähnliche und doch verschiedene Lösungen zur Frage: Wie gestalten wir die Kulturlandschaft nach den Bedürfnissen des Wassers?

Wir werden im dreiteiligen Bericht unsere Projekte vorstellen und dabei über die Erfahrungen auf unserem Weg zu einem ganzheitlichen, naturnahen und praktikablen Wassermanagement berichten. (Anm. der terrabc.org Redaktion: Wir bedanken uns für die Möglichkeit, die Erfahrungen von Markus Schwegler und Lukas van Puijenbroek an dieser Stelle unseren Lesern zur Verfügung zu stellen. Der dreiteilige Bericht erschien in den Ausgaben 3/23, 4/23 und 1/24 der Zeitschrift Kultur und Politik des Bioforums Schweiz.)

Markus: Lukas, erzähle uns, warum ist das Wasser für euch so wichtig geworden?

Wir wussten, dass wir mit dem Kauf einer zusätzlichen Hektare Land für den Gemüsebau zu viel Fläche hätten, um diese nach unseren Vorstellungen − mehrheitlich von Hand − zu bewirtschaften. So planten wir einen lichten Waldgarten auf einer halben Hektare. Auch wenn einige Leute unserer Genossenschaft schon mehr als zwei Jahre herumüberlegten, hatten wir kurz vor dem Kauf noch keinen Plan. Leander Dalbert, ein neuer Genossenschafter mit Bachelorabschluss und Weiterbildung in physischer Geographie, war in der dortigen «Agroforstberaterinnen-Gruppe» engagiert. Also luden wir diese 15-köpfige Gruppe ein, unser Land als ihr Experimentfeld zu betrachten. Das Ergebnis waren in Reihen gepflanzte Bäume und Sträucher.

Frisch angelegtes Agroforstsystem, Hof Aebleten. Foto: Urs Ambühl

Und das Wasser?

In einem Permakultur-Design-Kurs im Jahr 2012 hatten wir erstmals von Swales gehört (s. Kasten), aber ich ordnete das als etwas für Trockengebiete ein. Dennoch dachte ich seither öfters über das Wasser nach: Teiche als Rückhaltemöglichkeit, Dachwasser fassen, Wassergräben. Sie wurden Teil der Planung für den gesamten Hof. Die schlangenlinienförmigen Swales warteten Jahre, bis wir sie endlich bauten.

Was ist ein Swale?
Swale (engl.) = Mulde, Senke
Als Swale wird in der Permakultur ein temporär wasserführender Graben bezeichnet, der entlang der Höhenlinie angelegt ist und für die passive Bewässerung von Kulturen wie auch für die Regulierung von Oberflächenabflüssen genutzt werden kann. Es werden weitere Begriffe dafür verwendet, wie z.B. Bewässerungsgraben, Versickerungsgraben, abgeworfener Sammelgraben, Wiesengraben …
Korrekterweise müssen wir unterscheiden zwischen dem Element an sich und der Funktion, die es erfüllen soll.
Funktionen der Swales können somit sein: Wasser sammeln, weiterleiten, be- und entwässern.

Ein Schlüsselerlebnis war das ausserordentlich trockene Jahr 2018. Als im August endlich der grosse Regen kam, konnte der ausgetrocknete Boden das Wasser kaum aufnehmen. Fassungslos mussten wir zuschauen, wie das wertvolle Nass einfach in den See floss, statt auf unserem Land zu versickern. So wurden die Swales definitiv Teil der Planung, welche im Herbst 2018 begann.

Lukas: Und wie kams bei euch zum grossen Umdenken, Markus?

Die ersten prägenden Impulse kamen bei zwei Reisen nach Nordafrika. 2014 besuchte ich in Tunesien eine Dattelplantage und 2016 das SEKEM-Projekt in Ägypten. Wasser ist dort offensichtlich entscheidend. Es hat mich sehr nachdenklich gemacht, wenn ich sehe, wie wir hier manchmal Wasser verschwenden. Die Eindrücke dieser Reisen schlummerten bei mir wie ein Samen, der im Herbst 2020, nach einem weiteren trockenen Sommer, zu keimen begann.
Dies war der Auftakt zu unserer ‹Wasserreise›. Es war mehr ein Weiterdenken als ein Umdenken. Die zunehmenden Wetterextreme haben uns dazu gebracht zu überlegen, wie wir diesen aktiv begegnen können.

Der Katzhof aus der Vogelperspektive. Foto: Guido Koch

Lukas, wo wollt ihr hin?

Es geht uns darum, Wasser dort verfügbar zu machen, wo es gebraucht wird. Wir wollen erreichen, dass Wasser versickert und durch eine hohe Dichte an Wurzeln von den Pflanzen aufgenommen werden kann. Somit kann es auf unserem Land verbleiben, statt viel zu schnell in den Zürichsee abzufliessen. Nur was zu viel ist, muss kontrolliert abfliessen können. Das gab es im nassen Sommer 2021.
Mit der Planung der Agroforstgruppe um Philipp Gerhardt verschmolzen für mich zwei Systeme, welche so in meinem Kopf noch nicht existiert hatten: Die Keylines (s. Kasten) werden zu Swales, einem Retensionsraum für Wasser. Unterhalb der Swales ergibt sich die Pflanzlinie für die Bäume und so ein Agroforstsystem. Zwar nehmen viele Wurzeln viel Wasser auf, trotzdem kommt es mit den Dürren zu kurzzeitig wasserabweisenden Böden, vergleichbar mit einem trockenen Schwamm, welcher Wasser erst mit Verzögerung aufnimmt. Das abfliessende Oberflächenwasser wird beständig und rasch vom Graben aufgenommen und dann langsam vom krautigen Vegetationsstreifen und den Bäumen aufgenommen.
Zudem wollten wir mehr Biodiversität. Die Gräben sind dafür wichtig, sogar als Wildkorridore für das Hermelin.

Keyline Design
Wasser bewegt sich ohne Eingriff in der Fall-Linie nach unten. Mit der Festlegung der Keylines (Hauptlinien) an den Geländekonturen kann Wasser durch Pflanzungen und durch Swales abgeleitet werden, um am richtigen Ort zu versickern oder gesammelt zu werden.
Skizze einer Swale

Unterscheiden sich eure Ziele von denen vom Hof Aebleten, Markus?

Die Ziele in Bezug auf das Wasser sind dieselben, die Wege sind unterschiedlich. Das genannte erste Treffen zu dritt mit Philipp machte uns klar, nicht nur für den Gemüsebau planen zu wollen, sondern für den ganzen Betrieb. Daraus ergaben sich die Fragen:

  • Mit welchen Massnahmen können wir Oberflächenabflüsse, Bodenerosion und damit auch Humusverlust auf unseren Bewirtschaftungsflächen vermeiden?
  • Wie können wir den Wasserhaushalt und damit auch das Ökosystem in unserer unmittelbaren Umgebung stärken?
  • Wie können wir einen lebenswerten Ort, auch für die nachfolgenden Generationen schaffen?
  • Welche neuen Kulturen wollen wir anbauen?
  • Welche neuen Produkte sollen daraus entstehen, die wir zukünftig vermarkten?
  • Welche Gehölze passen zu unserer Umgebung und zu unserem Betrieb?
  • Wie lassen sich die Landwirtschaftsflächen trotz der Umgestaltung weiterhin effizient bewirtschaften?
  • Welche Prioritäten setzen wir im Planungsprozess und bei der Umsetzung?

Wie habt ihr den Planungsprozess konkret gestaltet?

Wir waren von Beginn an daran interessiert, möglichst viele Aspekte, die den Umgang mit dem Wasser betreffen, zu berücksichtigen. Als erstes definierten wir die Keylines bzw. Hauptlinien. An diesen Hauptlinien werden später die Bewässerungsgräben angelegt. Diese sollen die Oberflächenabflüsse auffangen, langsam und gleichmässig verteilen und wenn nötig in ein Wasserspeicherbecken leiten. Dieses Wasser kann dann in trockenen Perioden zu den Gemüsekulturen gebracht werden. Die Keylines müssen auch den Bewirtschaftungsverhältnissen angepasst sein. Maschinenbreiten, die Dimensionen der Ackerschläge und befahrbare Übergänge bei den Bewässerungsgräben sind dabei genauso wichtig, wie dass die Gräben wirklich ihre Funktion erfüllen. Wir mussten auch bereits dastehende Bäume, Infrastruktur unter und über dem Boden mitberücksichtigen. Ein weiterer wesentlicher Teil im Planungsprozess ist die Pflanzplanung für das Agroforstsystem, welches den Wasserkreislauf zusätzlich stärken und unsere Lebensmittelproduktion ergänzen soll.
Insgesamt dauerte der ganze Planungsprozess ein Jahr und den elften Planungsentwurf werden wir nun im Feld umsetzen. Trotzdem zeigt sich vieles erst während der Arbeit. So werden wir auch während der Umsetzung noch Anpassungen am Plan vornehmen.

Markus Schwegler, Lukas van Puijenbroek

Dieser Text erschien in der Zeitschrift Kultur und Politik 3/2023, zur Website: https://www.bioforumschweiz.ch/kultur-und-politik/

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Hof Aebleten
Meilen
Jeannine und Lukas van Puijenbroek
70 Genossenschafterinnen und Genossenschafter, im Jahr 2022 39 Erntepässe (à mind. 2 Personen)
1.25 ha
0.84 ha
Bio
Gemüse, Obst, Reben, Nussproduktion, Getreide.
0.45ha Gemüse, 0.8ha Getreide, 0.7ha Agroforst, 0.24ha Reben
5 Laufenten und 1000e Regenwürmer
455 m ü. M.
1600 mm
Schluffiger Lehm. Schluff 50%, Ton 20%, Sand 30%
Selbsternte, Solawi.
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