Projekt Arten Garten in Menzingen

Auf dem Hof Oberschwelli in Menzingen läuft ein aussergewöhnliches Projekt. Patrick Barmet hat auf dem Betrieb seiner Eltern in Eigenregie auf rund 20 Aren seltene und ungewöhnliche Obstarten ausgepflanzt. Auf kleinster Fläche tummeln sich vielfältigste Pflanzen: Im Anzuchtbeet befinden sich Lotuspflaumen direkt neben Linden, Kastaniensämlingen und Bögelsackweiden. Hier werden die jungen Pflänzchen zwei Jahre lang aufgezogen, bevor sie ins Freiland kommen.

Welche Idee steckt hinter diesem Projekt und was ist das Ziel?

Ich probiere hier nach den Prinzipien der syntropischen Landwirtschaft verschiedene Nutzpflanzen aus. Wenn die jungen Bäumchen gross genug sind, möchte ich sie in einem Agroforst-System ins Land hinaus pflanzen. Natürlich auch wieder gemeinsam mit Begleitpflanzen. Einige dieser Pflanzen wie die Amerikanische Persimone, Pflaumen oder der Gemüsebaum dienen der menschlichen Ernährung. Andere – wie Eschen – werde ich für Laubfutter verwenden und einige, wie beispielsweise der Sanddorn, erfüllen gleichzeitig beide Funktionen.

Patrick Barmet
Syntropischer Agroforst:

Die Syntropische Landwirtschaft ist ein von Ernst Götsch entwickeltes Agroforstsystem, das sich an der Sukzession der Ökosysteme oder Lebensräume orientiert. Zuerst besiedeln anspruchslose Pionierpflanzen eine Fläche. Diese bauen den Boden für die folgenden Pflanzengemeinschaften auf. In der syntropischen Landwirtschaft werden diese aufbauenden Effekte genutzt. Dabei spielt das Mulchen mit Jätmaterial und der periodische Rückschnitt von Pflanzen, der diese wiederum zum Wachsen anregt, eine wichtige Rolle.

Die Flächen, auf denen Patrick seine Pflanzen erproben kann, liegen meist am Rande der Landwirtschaftlichen Nutzfläche. Es handelt sich um steile Wegränder und eine alte Kiesgrube. Dort werden die Pflänzchen thematisch geordnet in Gruppen gepflanzt. Nahe beieinander befinden sich Maulbeeren und der Osagedorn, beide gehören zur Familie der Maulbeergewächse. Unterhalb des Weges wurden Pflaumensorten gepflanzt. Mini-Kiwis ranken an Berg-Ahorn hoch. Als Unterstützer-Pflanzen dienen beispielsweise Erlen. All diese Pflanzen befinden sich so nahe beieinander, dass kein Unternutzen mehr möglich ist. Dadurch wächst das Gras ungehindert. Um den jungen Pflanzen beim Etablieren zu helfen, schneidet Patrick das Gras oder reisst es einfach ab. Auf den ältesten Flächen, die vor vier Jahren bepflanzt wurden, ist das inzwischen nicht mehr nötig, da der Boden mittlerweile recht beschattet ist. Durch die Laubstreu und die intensive Durchwurzelung wird der Boden unter den Bäumen krümelig und locker.

Diesen Effekt will sich Patrick Zunutze machen, um die alten Hochstammobstbäume auf dem Betrieb zu vitalisieren. Viele der Apfelbäume sind vergreist, während die Kirschbäume unter Schrotschuss und KEF-Befall leiden. Patrick führt dies auf die Bodenverhältnisse zurück. Unter den Bäumen, denen es besonders schlecht geht, ist der Boden oft sehr verdichtet. Leider erfolglos war der Versuch, die Bodenverhältnisse durch die Einsaat einer Gründüngung zu verbessern. Deshalb pflanzt Patrick nun Büsche wie Heckenrosen, Blasenstrauch, Ulme, Pappel, Silberweide und Schwarzerle in Reihen zwischen die Hochstammobstbäume. Diese ist gemein, dass sie auch schwere Böden gut durchwurzeln. Sie sollen nun mit ihren Wurzeln den Boden tiefenlockern und so die Bedingungen für die Bäume verbessern. Wenn die Pflanzen einmal etabliert sind, werden sie den Kühen als Laubfutter dienen. Zuerst aber müssen sie vor den gefrässigen Wiederkäuern geschützt werden, damit sie sich etablieren können.

Der krümelige Boden bietet noch weitere praktische Vorteile für Patrick: Der Boden im syntropischen Agroforst ist so locker, dass ein Verpflanzen der Bäume nur mit der Grabgabel problemlos möglich ist. Durch dieses schonende Verfahren verlieren die Bäume weniger Wurzelmasse und sollten dementsprechend den Transplantationsschock besser überstehen.

Die positiven Effekte, die durch die Pflanzengemeinschaften der syntropischen Landwirtschaft entstehen, konnte Patrick bereits mehrfach beobachten. Eine Stachelbeere, die jahrelang unter Mehltau litt, hat gesundes Laub durch die Pflanzung einer Erle in unmittelbarer Nähe. Die Himbeeren, die im Arten Garten wachsen, sind frei von Befall durch die Kirschessigfliege, während die Himbeeren im herkömmlich bewirtschafteten Hausgarten sehr stark befallen waren. Die syntropische Landwirtschaft führt diese Effekte darauf zurück, dass Pflanzen in gesunden Böden langkettigere Zucker ausbilden. Diese sind für Destruenten wie Pilze oder Fruchtfliegen weniger einfach verdaulich und somit auch weniger attraktiv. (Wer sich für dieses Konzept interessiert, findet hier weitere Infos). Momentan ist dieses Prinzip bei Patrick’s Kirschbäumen in Testung, erste Ergebnisse erwartet er 2026 oder 2027.

Fruchtbäume

Die Liste der zu erprobenden Pflanzen ist lang und die möglichen Verwendungszwecke vielfältig. Maulbeeren, Feigen, Indianerbananen, Pflaumen, Edel-Ebereschen und verschiedene Weissdornarten können für ihre Früchte gepflanzt werden. Bei den Fruchtbäumen schwärmt Patrick besonders von den amerikanischen Persimonen (Diospyrus virginiana). Diese sind mit den bekannten Kaki verwandt, im Gegensatz zu diesen aber auch in weniger begünstigten Lagen vollkommen winterhart. Das Aroma der Früchte ist intensiv und wird mit Begriffen wie Caramell, Rum, cremig umschrieben. Laut Patrick sind die Sorten Prok und Szukis sehr wohlschmeckend.

In Amerika sind zahlreiche Fruchtsorten erhältlich, während in Europa die Bekanntheit dieser Pflanze erst langsam zunimmt. Einige spezialisierte Baumschulen in Europa bieten jedoch Pflanzenmaterial an. Damit die Pflanzen in der Schweiz zuverlässig gedeihen, müssen sie auf D. viriginiana-Unterlagen veredelt werden. Diese werden aus Saatgut vermehrt. Eine Veredelung auf die Unterlage D. lotus führte bei Patrick zu herben Rückschlägen. Diese werden im Tessin als Unterlage für die Kakis verwendet. In Menzingen erwiesen sich aber als zu wenig frosthart und froren bei einem Spätfrost 2024 bis auf den Boden zurück. Allerdings haben sie seitdem wieder stark ausgetrieben und wachsen auch sehr gesund. Eine Verwendung von D. lotus als Unterlage ist unter diesen Umständen aber natürlich nicht sinnvoll. Deshalb muss Patrick nun warten, bis seine D. virginiana-Sämlinge gross genug sind, um sie als Unterlage zu verwenden. Dann wird er sich erneut Reiser guter Fruchtsorten besorgen und diese veredeln.

Trotzdem hat er die D. lotus noch nicht endgültig aufgegeben. Das starke Wachstum und das gesunde Laubwerk machen die Pflanze attraktiv. Deshalb selektiert er nun auf frostharte Exemplare, die auch nördlich der Alpen zuverlässig gedeihen.

Ein Anzuchtbeet in Mischkultur. Gut sichtbar rechts des Holzes sind die jungen D. lotus-Pflanzen. Dieser Zuwachs stammt aus einer Vegetationsperiode!

Ölpflanzen

Walnüsse, Eichen, Linden und sogar Disteln: mögliche Ölpflanzen sind ein wichtiger Fokuspunkt für Patrick. Einige der Eichenarten (Quercus nigra, Quercus phellos) die er aus Samen gezogen hat, haben bis zu 60 % Fettgehalt in den Eicheln. Bei den Linden legt er den Fokus auf Herkünfte mit grossen Blütenständen. Wenn bis zu hundert Einzelblüten sich zu einem einzigen Blütenstand vereinen, könnten diese als Ganzes getrocknet und sozusagen als Teebeutel verwendet werden. Zudem könnte es sich ab einer gewissen Grösse lohnen, die Fruchtstände einzusammeln, und ihr Öl zu pressen.

Auch Disteln sind ein weiteres interessantes Projekt. Die Pflanzen der Art Cirsium heterophylla sind stachellos und ihre Blätter für den menschlichen Verzehr geeignet. Die jungen Triebe können als Spargelersatz dienen. Zudem sind ihre Blüten eine attraktive Bienenweide. Patrick kreuzt diese Art mit weiteren Cirsium-Arten. Dabei ist er offen dafür, was alles herauskommen könnte. Ein Zuchtziel war ursprünglich die Verwendung der Blüten als Artischocke. Dieses wurde inzwischen verworfen, da die Blüten sehr trocken sind und somit nicht wirklich einen Genuss darstellen. Durch die Kreuzungen wurde aber die Blütengrösse nur schon in der ersten Generation erheblich verbessert. Damit sollte sich der Wert als Bienenpflanze noch gesteigert haben. Zudem steigt mit der zunehmenden Menge Samen die Chance auf eine sich lohnende Pressung für hochwertiges Öl. Doch nicht nur das: Disteln haben proteinreiche Blätter. Dank der Stachellosigkeit werden sie auch vom Vieh gerne gefressen.

Gemüsebäume

Gemüse wächst nach landläufiger Meinung am Boden, nicht auf Bäumen. Nicht so im syntropischen Agroforst, wo mehrjährige Gemüsepflanzen eine wichtige Rolle spielen können. Ein Beispiel ist der Chinesische Gemüsebaum (Toona sinensis), dessen junge Triebe im Frühling gedünstet oder in Suppen gegessen werden können. Auch vom Sassafras (Fenchelbaum) können die jungen Knospen gegessen oder als Gewürz genutzt werden. Aber auch einheimische Arten wie die Linde haben Blätter, die jung als Salat oder Gemüse zubereitet werden können. Von der Pimpernuss sind wiederum die geschlossenen Blütenknospen sehr schmackhaft.

Laubfutter

In früheren Zeiten wurden Nutztiere nicht nur mit Gras, sondern auch mit dem Laub verschiedener Gehölze gefüttert. In den letzten Jahren hat diese Praxis wieder vermehrt Aufmerksamkeit erhalten. Aus tierphysiologischer Sicht bietet sie den Vorteil einer diverseren Ernährung und einer guten Versorgung mit Mineralstoffen, Vitaminen und Spurenelementen. Aus Sicht eines landwirtschaftlichen Betriebes kann die Wiederbelebung diese Praxis die Ertragssicherheit verbessern. Denn Bäume sind mit ihren tief gehenden Wurzeln meist trockenheitsresistenter als krautige Pflanzen. Zudem sind Kopfbäume oder Hecken, die zwei häufigsten Systeme für Laubfutter, auch für die Biodiversität von grosser Bedeutung.

Patrick plant sowohl Büsche, als auch Bäume für Laubfutter zu nutzen. Ob er diese in einem Futterhecken-System, oder eher über ein Schnitt-System in den Betrieb einbinden will, weiss er aber noch nicht. Klar ist hingegen, dass er plant, einige alte Eschenbäume über sukzessiven Schnitt in eine Nutzung als Futterbäume zu überführen. Die meisten Menschen würden eine solche Herausforderung wohl scheuen, da dies Arbeit in schwindelerregender Höhe erfordert. Da Patrick aber ein professionelles Baumpflege-Unternehmen führt, schreckt ihn dies nicht ab. Bei den Arten für Laubfutter plant er den Fokus auf Arten mit hohem Mineralstoffgehalt zu setzen. Beispielsweise haben sowohl die Esche als auch die Silberweide verhältnismässig hohe Selen-Werte in den Blättern.

Bei einer solchen Vielfalt ist es leicht, die Übersicht zu verlieren. Wie findet Patrick überhaupt diese Pflanzen?

In Internetforen und in der Literatur sind vielfältige Angaben zu finden, welche Pflanzen in der gemässigten Zone angebaut werden können. Darunter sind auch viele Pflanzen, die in Mitteleuropa noch nicht oder wenig bekannt sind. Patrick meint: “Dann ist es natürlich super, wenn ich die Früchte dieser Pflanzen irgendwo kosten kann. Dafür eignen sich spezialisierte Baumschulen, wie z.B. die Baumschule Neckertal. Auch Wildobstsammlungen oder botanische Gärten sind sehr geeignet, seltenes Obst aufzuspüren.”

Im nächsten Schritt versucht Patrick, die Pflanze zu besorgen. Viele Pflanzen sind in Europa verfügbar, beispielsweise in Belgien, Deutschland oder in Polen. Um sie aber in die Schweiz zu bringen, ist dann doch einiges an Aufwand nötig. Viele ausländische Baumschulen versenden grundsätzlich nicht in die Schweiz, oder die Versandkosten sind zu hoch. Deshalb kann es interessant sein, von Arten, die bisher züchterisch eher wenig bearbeitet wurden, das Saatgut statt bestimmte Sorten zu beschaffen. Firmen wie Sheffields verschicken weltweit, auch mit den nötigen Pflanzenpässen und Dokumenten.

Überlegungen zu wuchernden Pflanzen und Invasivität

Viele der von Patrick verwendeten Pflanzen wie der Sanddorn oder wurzelechte Pflaumen bilden stark Ausläufer. Um diese kontrollieren, setzt er solche Pflanzen nur an Standorte, die eine seitliche Begrenzung aufweisen. Beispielsweise kann Sanddorn in einer Böschung, die unten vom Weg und oben z.B. von einer Mähwiese begrenzt wird, sich nicht unkontrolliert ausbreiten. Innerhalb der Böschung ist die Wurzelbrut ein Vorteil, da sich die Pflanze dadurch beständig selbst vermehrt und verjüngt. Wächst sie hingegen ins Kulturland hinaus, wird sie den Schnitt, der in diesen Flächen vier bis fünfmal pro Jahr erfolgt, kaum überleben. Gleichzeitig landen die abgemähten Jungtriebe im Tierfutter und ergänzen dieses mit ihrem Laub. Auf die Frage hin, ob er wirklich so stachlige Pflanzen im Tierfutter will, antwortet Patrick, dass er zuerst auch nicht vorhatte, stachlige oder dornige Pflanzen zu setzen. Aber dadurch wären so viele interessante Arten von vorneherein ausgeschlossen worden, dass er seine Meinung änderte.

Bei anderen Pflanzen, die sich auch (oder vor allem) über ihre Samen invasiv verbreiten, hofft Patrick darauf, dass in der Zukunft sterile Pflanzen erhältlich sind. Beispielsweise sind die Vorteile der Robinie mit ihrem hochwertigen Holz und als Nektarpflanze so bedeutend, dass ein Verzicht auf eine Nutzung sehr schade wäre.

Zukunftsmusik…

Wie Patrick all diese Elemente genau kombinieren will, wenn er den Betrieb übernimmt, kann er noch nicht genau sagen. Dafür muss er noch zu viel ausprobieren. Sicher ist, dass die Vermehrung von Pflanzen eine wichtige Rolle spielen wird. Da seiner Ansicht nach in den nächsten Jahren die Bedeutung von Agroforst stetig zunehmen wird, dürfte auch die Nachfrage nach passendem Pflanzmaterial steigen. “Und dann kann ich die Landwirte mit Pflanzen versorgen, die bereits unter Schweizer Bedingungen getestet wurden.”

In erster Linie soll die gepflanzte Vielfalt der Selbstversorgung dienen. Wenn sich aber eine Pflanze als gut marktfähig entpuppt, wird Patrick gerne auch mehr davon anbauen, um die Früchte zu verkaufen. “Aber das werden wir ja sehen.”, sagt Patrick und lacht.

Laura Gisler, 2025

Kontakt: Weitere Auskünfte bei Patrick unter +41 76 502 06 89

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Oberschwelli
Menzingen
Familie Barmet
Patrick's Eltern arbeiten beide zusammen 180 % auf dem Betrieb
16 ha
6 ha
Milchvieh mit eigener Aufzucht, Mastschweine
150 Hochstamm-Obstbäume
16 Milchkühe mit eigener Aufzucht, 60 Mastschweinplätze, Hühner, Hunde und Katzen
700 m ü. M.
Schwere Lehmböden über sandig-lemigem Moränenmaterial. Darunter mächtige Kiesschichten
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