Hoftötung – für uns der Königsweg

Wir sind der Meinung, dass der Mensch, wenn er ein Tier für seine Zwecke nutzt, für dieses die Verantwortung trägt und ihm ein artgerechtes und würdevolles Leben schuldet. Es ist unsere Aufgabe, Angst und Leid möglichst von ihm fernzuhalten – von seiner Geburt bis zum Tod. Und mit dem Transport zum Schlachthof, war er auch noch so kurz, gelang uns gerade eben dies in den letzten Minuten seines Lebens nicht vollständig. Deshalb waren wir seit Jahren auf der Suche nach einer Lösung. Diese haben wir nun gefunden mit der Hoftötung. Wenn unsere Tiere mit zwei Jahren schlachtreif sind, wird ihnen mit der Hoftötung der Lebendtransport in den Schlachthof erspart.

Bisherige Schlachtmethode

Bisher mussten wir unsere Rinder für die Schlachtung einzeln von der Herde separieren, in einen Anhänger verladen und sie in den 10 Minuten entfernten Schlachthof fahren. Dort wurden sie in unserem Beisein im Anhänger mit Bolzenschuss betäubt und in den Schlachträumen der Metzgerei aufgehängt, entblutet und der Schlachtkörper zerlegt und weiterverarbeitet. Dies war für uns bisher die schonendste Methode, die gesetzlich erlaubt war. Aber es hat sich für uns nie ganz stimmig angefühlt, da es für die Tiere mit Stress verbunden war. Nach einem langen und aufwendigen Bewilligungsverfahren haben wir nun vom Veterinärdienst die Erlaubnis für die Hoftötung.

Stress beim Rind im Rahmen der Schlachtung

Rinder sind Flucht- und Beutetiere. Sie versuchen, eine Verletzung oder einen Erschöpfungszustand vor ihren Jägern zu verbergen, denn laute Schmerzäusserungen würden deren Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Diese typische Eigenschaft der Beutetiere führt leider oft dazu, dass ihr Leiden unterschätzt und ihre Leidensfähigkeit überstrapaziert wird. Es besteht ein gesellschaftlicher Konsens, dass das Tierwohl zu achten und der Stress der Tiere zu minimieren sei. Dies gilt auch, oder unserer Ansicht nach insbesondere für die Schlachtung. Denn das Separieren eines Einzeltieres von ihm bekannten Artgenossen, das Verladen auf den für die meisten Rinder unbekannten Viehtransporter, der Verlust der vertrauten Umgebung, der Transport in den Schlachthof, das Zusammentreffen mit unbekannten Artgenossen und Menschen sowie einer neuen Umgebung lösen bei Rindern Stress aus. Untersuchungen zeigen, dass das Verladen von sämtlichen Prozessschritten vom Hof bis in den Schlachthof den grössten Stress auslösen. Der Blutcortisolwert und die Herzfrequenz können dabei um über 80 % ansteigen. Der Stress, den die Tiere vor der Schlachtung erleben, wirkt sich negativ auf das Tierwohl aus. Zugleich kann er sich auch negativ auf die Qualität des Fleisches, insbesondere die Zartheit, auswirken. Ein schonender Umgang mit den Schlachttieren ist somit nicht nur aus ethischen, sondern auch aus qualitätsbezogenen Überlegungen notwendig.

Stressreduktion durch Tötung auf dem Bauernhof

Die Schlachtung auf dem Bauernhof ist der Königsweg dafür, den Stress der Tiere vor der Schlachtung zu reduzieren. Eine Praxisstudie des FiBL untersuchte das Stichblut von Schlachtrindern, die auf ihrem Heimbetrieb mittels Kugelschuss betäubt und getötet wurden, im Vergleich zu ihren Artgenossen, die wie für direktvermarktende Betriebe typisch, einzeln an einen Regionalschlachthof angeliefert wurden. Untersucht wurde als stressanzeigender Parameter die Cortisolkonzentration im Blutserum. Die auf dem Heimbetrieb getöteten Tiere wiesen mit durchschnittlich 0.75 μg/dl deutlich weniger Cortisol im Stichblut auf als die im Schlachthof getöteten Tiere mit durchschnittlich 4.77 μg/dl. Dank einer Änderung der Verordnung über das Schlachten und die Fleischkontrolle ist in der Schweiz seit 1. Juli 2020 die Hof- und Weidetötung wieder zulässig. Zugelassen sind drei verschiedene Verfahren. Die Weidetötung, bei der das Tier mittels Gewehrschuss auf der Weide betäubt wird, die Hoftötung, bei der das Tier im Fressfanggitter mittels Bolzenschuss betäubt wird und die Hofnahe Tötung, bei der das Tier im Fanggitter einer mobilen Schlachteinheit mittels Bolzenschuss betäubt wird. Für uns ist die Hoftötung die passende Methode, da unsere Rinder zahm und an das Fressgitter gewöhnt sind.

Eine positive Mensch-Tier-Beziehung ist wichtig.

Umsetzung der Hoftötung auf der Obermettlen


Aufbau Mensch-Tier-Beziehung

Uns ist ein liebevoller Umgang mit unseren Tieren extrem wichtig. Durch regelmässiges Striegeln und Streicheln haben wir eine enge und positive Mensch-Tier-Beziehung zu jedem einzelnen Tier. Dies kommt uns nun bei der Hoftötung zu Gute. Denn Voraussetzung für eine stressfreie Hoftötung sind ruhige Tiere, die den Kontakt mit Menschen und ihre Berührung gewohnt sind. Im Winter verbringen wir viel Zeit mit ihnen im Laufstall und im Sommer besuchen wir sie regelmässig auf der Weide. Dadurch sind sie gut an Menschen gewöhnt. Zudem achten wir bewusst darauf, dass wir die Tiere von Geburt an regelmässig an der Stirn streicheln, damit sie an die Berührung am Kopf gewöhnt sind. Dies ist wichtig, damit sie später beim Bolzenschuss den Kopf möglichst ruhig halten und nicht ausweichen.

Vorbereitung des Tieres auf den Schlachttag

Wir bereiten unsere Tiere auf die Schlachtung vor. Dafür trennen wir für das Schlachttier im vorderen Teil des Laufstalles ein Bereich ab. Ausserhalb des Stalles bauen wir einen temporären Laufhof, in dem ein speziell für die Hoftötung von Horntieren angefertigtes Fressgitter eingebaut ist.

Ein speziell für die Hoftötung von Horntieren angefertigtes Fressgitter.

Dies dient als Aussenfressplatz für das Schlachttier, während der Rest der Tiere im Stallinnern fressen kann. Zwei bis drei Wochen vor dem Schlachttermin stallen wir das Schlachttier in diesen Schlachtvorbereitungsbereich um, der Sicht- und Körperkontakt zum Rest der Herde durch das Abtrenngitter hindurch bleibt aber weiter möglich. Bei der Fütterung wird für das Schlachttier beim Aussenfressplatz Futter vorgelegt, der Rest der Herde frisst im Stallinnern. Während dem Fressen wird das Schlachttier im Fressgitter fixiert. So wird das Tier über mehrere Tage an den Aussenfressplatz und die Fixierung gewöhnt. Als Belohnung erhält es während jeder Fütterung zerkleinertes hartes Brot aus dem Brotkessel, wodurch es die Fütterung in diesem Fressgitter als positiv wahrnimmt.

Ablauf Hoftötung

Vor jeder Schlachtung wird vom Amtstierarzt oder einem Veterinär eine Lebendtierschau durchgeführt, an der überprüft wird, dass das Tier gesund ist. Anschliessend wird das Schlachttier, wie geübt, mit Futter angelockt und im Fressgitter fixiert. Während wir das Tier ablenken, indem wir ihm mit dem Brotkessel hartes Brot zum Fressen hinhalten, wird es vom Metzger mittels Bolzenschuss betäubt. Nach dem Bolzenschuss ist das Tier bewusstlos. Mittels Spezialverschluss wir das Fressgitter nach unten geöffnet. Anschliessend wird am Hinterbein des Tieres eine Kette befestigt und das Tier mit einem Teleskoplader aufgezogen. Am hängenden Tier wird vom Metzger der Entblutungsschnitt ausgeführt und das Tier in eine Auffangwanne entblutet. Durch das Entbluten tritt der Tod ein. Zwischen Betäubung und Entblutungsschnitt dürfen nicht mehr als 60 Sekunden vergehen. Nach dem Ausbluten wird der Schlachtkörper auf einen Spezialanhänger, einen T-Trailer, verladen und in den Schlachthof gebracht. Dort wird der Schlachtkörper gehäutet und ausgeweidet. Die Dauer zwischen Entblutungsschnitt und Ausweidung des Tieres darf aus hygienischen Gründen 45 Minuten nicht überschreiten. Anschliessend wird der Schlachtkörper zu wertvollen Lebensmitteln verarbeitet.

Das Tier wird über mehrere Tage an den Aussenfressplatz und die Fixierung gewöhnt.

Fleisch – Das wertvollste Lebensmittel der Welt

Wir haben mit dem Projekt Herbstzeitlose eine neue Form der Landwirtschaft aufgebaut, verantwortungsvoll mit unseren Tieren und der Natur, Hand in Hand mit unseren Konsumenten. Wir haben unseren Bauernhof Schritt für Schritt verändert in die Richtung, in die unsere Herzen weisten. Doch noch vielmehr hat der Bauernhof uns verändert. Mit der Hoftötung schliesst sich der Kreis und aus dem Gras, das auf unseren Wiesen und Weiden wächst, wird das wertvollste Lebensmittel überhaupt. Wir können gar nicht anders, als es mit anderen Augen zu sehen. Unendlich dankbar und wertschätzend!

Marlen und Stephan Koch-Mathis “s’Chochä”, Mai 2021

Marlen und Stephan geben ihre Erfahrungen und ihr Wissen gerne direkt an interessierte Landwirtinnen und Landwirte weiter.

https://www.obermettlen.com

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