Kein Lebendtiertransport, kein Stress für die Tiere

Weide- und Hofschlachtung
Früher war das Betäuben, Entbluten und Schlachten auf dem Bauernbetrieb eine ganz normale Sache. Die Selbstversorgung der Menschen mit Fleisch gehörte zum Leben der Tiere auf dem Betrieb. Dabei war es selbstverständlich, dass die Nutztiere zuerst Milch oder Eier produzierten oder im Falle der Schweine auch Abfälle frassen. Die weiblichen und vor allem die männlichen Tiere, die nicht für die Nachzucht verwendet wurden, konnten und mussten geschlachtet werden. Dabei war es für alle Mitglieder der Bauernfamilien klar, dass alle Teile der Tiere verwertet wurden. Nose to tail, die Verwendung von Kopf bis Fuss, war normal; es gab auch kein Kükentöten oder Entsorgen der männlichen Kälber. Alte Legehennen wurden als Suppenhühner gegessen. Geschlachtet wurde auf dem Hof für die Familie oder im Dorf im Schlachthaus für die übrige Bevölkerung. Das Schlachten war sozusagen öffentlich.
Die industrialisierte Tierhaltung und Schlachtung hat diese sinnvolle lokale und regionale Wirtschaft in Masthallen und grosse Schlachthöfe verbannt. Aus den Augen, aus dem Sinn und aus der Wahrnehmung. Die vegetarische und vegane Bewegung ist neben anderem eine Folge dieser Entfremdung und der Wohlstandsgesellschaft. Die 500 Mio. einfachen tierhaltenden Bauern weltweit in den ariden oder Berggebieten, die mit und von ihren meist Wiederkäuern leben, können sich eine vegetarische oder vegane Lebensweise schlicht und einfach nicht leisten, ohne zu verhungern. Wir müssen nicht kein Fleisch mehr essen, sondern genau hinschauen, wie viel und welches Fleisch.

Nachhaltige Tierhaltung und -schlachtung

Meiner Meinung nach gehört zu einer schonenden Schlachtung ohne Tiertransport auch die vorgängige nachhaltige Tierhaltung. Die Nutztiere sollten ohne Ackerland gefüttert werden. Die Wiederkäuer sollten nur mit Gras oder Graskonserven gefüttert werden. Die Haltung der Nichtwiederkäuer müsste massiv sinken. Das würde die Nutztierhaltung in den westlichen Landwirtschaften umkrempeln. Heute braucht es weltweit für die intensive Nutztierhaltung 1/3 des weltweiten Ackerlandes. Und wir reden vom Welthunger. Das billige Massenfleisch geht auf Kosten der Nutztiere und Menschen in der industrialisierten Wertschöpfungskette. Tönnies lässt grüssen. So kann und darf es nicht weitergehen. Die Konsumenten hätten es in der Hand. Die Firmen der industriellen Mast und Verarbeitung werden nicht handeln, ohne den Druck der KonsumentInnen.

Offizielle Regelung in der Schweiz

Die Schweiz ist das erste Land in Europa, das die Hof- und Weidetötung zur Fleischgewinnung für alle Nutztiere gesetzlich offiziell geregelt hat. Jeder Betrieb in der Schweiz kann nun ein Gesuch einreichen. Wenn er die Bedingungen erfüllt, kann er das Fleisch verkaufen. Das FiBL Schweiz hat ein Merkblatt verfasst, das die Grundlagen der Hof- und Weidetötung zur Fleischgewinnung aufzeigt. Eine Stiftung unterstützt das FiBL mit der Interessengemeinschaft für die Hof- und Weidetötung, um eine kostenlose Beratung für die Umsetzung auf den Betrieben anbieten zu können.
Der Gesetzesänderung ist ein 10-jähriger Kampf vorausgegangen. Der richtige Vorkämpfer war Hermann Maier aus Balingen in Schwaben, der sich diese Bewilligung erkämpfte, leider nur für ganzjährig im Freiland gehaltene Rinder. Das schliesst alle stallgehaltenen Nutztiere aus.

120 Betriebe haben Genehmigung beantragt

Bis jetzt haben in der Schweiz 120 Betriebe und zehn Metzgereien ihr Interesse für die Hof- und Weidetötung angemeldet. Sechs Betriebe hatten schon vor der Gesetzesänderung eine Bewilligung. Die gesetzliche Grundlage war aber wackelig. Die meisten Betriebe, die ihr Interesse angemeldet haben, sind Direktvermarkter von Fleisch. Es sind Höfe, die die Verantwortung für den letzten Akt in der Fleischgewinnung wieder selber in die Hand nehmen wollen und diese nicht in die Anonymität der Schlachthöfe und Fleischverarbeiter delegieren wollen. Es geht um Ethik den Nutztieren gegenüber. Diese Betriebe wollen die Achtung den Tieren gegenüber wieder auf die Höfe zurückholen. Gewissermassen wird das Töten wieder öffentlich.
Dieser Diskussion müssen wir uns stellen. Wir können das, wenn die ganze Wertschöpfungskette nachhaltig und verantwortungsbewusst arbeitet.

Sorgfältiges Vorgehen

Nun geht es an die praktische Arbeit. Jeder Betrieb muss in seinem Gesuch genau erklären, wie er das machen will. Es ist ähnlich wie eine Baubewilligung. Die meisten Betriebe wollen die Hoftötung mit Bolzenschuss anwenden. Sie müssen das Tier in einem Fanggitter einsperren. Das Tier muss vorher daran gewöhnt sein. Sonst ist die ganze Stressvermeidung für die Katz. Vor dem Betäuben braucht es eine Lebendtierschau durch den Amtstierarzt. Dann kommt der Metzger und betäubt das Tier im Fanggitter mit dem Bolzenschuss. Innerhalb von 60 Sek. muss aufgezogen und entblutet werden. Das ist die Tötung des Tieres. Dann wird das Tier im Fell ins Schlachthaus gefahren und es werden dort innerhalb von 45 Min. die Eingeweide entnommen. Es kommen schon verschiedene Fanggitter und Anhänger auf den Markt, die den ganzen Vorgang ermöglichen.
Wichtig scheint mir, dass jeder Betrieb sich das Ganze sehr gut überlegt und mit grosser Überzeugung, Verantwortung gegenüber dem Tier und sich selber den Tötungsakt vollzieht. Alles muss mit grösster Genauigkeit, Konzentration und Respekt erfolgen. Es dürfen keine Fehler begangen werden, sonst leiden Tier und Mensch. So können wir wieder die Verantwortung und die ganzheitliche Tierhaltung bis zum Schluss auf unsere Betriebe und die Verarbeitung in die Region zurückholen, weg von der Fliessband-Produktion, -Tötung und -Verarbeitung.

Eric Meili, eric.meili@fibl.org, IG Hof- und Weidetötung, +41 (0)79 236 47 18.

Dieser Artikel ist bereits in Kultur und Politik 2/2020, Zeitschrift des Bioforums erschienen. Es wurden Zwischenüberschriften von der terrABC.org-Redaktion ergänzt.

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