Hofschlachtung unserer Rinder

Mein Mann und ich beschäftigen uns seit einigen Jahren mit der Betäubung auf dem eigenen Betrieb. Immer wieder war es kein gutes Gefühl, mit einem Tier zum nahe gelegenen Schlachthaus zu fahren, um es dort zu betäuben und zu töten. Immer wieder waren die Tiere nervös, wenn sie vor dem Schlachtlokal im Anhänger oder in der unbekannten Wartebucht warten mussten bis sie an der Reihe waren. Bevor es zur Schlachtung kam, musste das Tier auf den zuständigen Veterinär warten, welcher nach der Lebendbeschau das OK für die Schlachtung unterzeichnete. Schliesslich und endlich völlig irritiert und manches Mal mit verzweifeltem Angstblick, bekam das Tier dann endlich den Bolzen an die Stirn.

Unsere Schlachtungen verliefen in der Regel immer noch relativ reibungslos im Gegensatz zu denen mancher anderer Bauern, die ihre Tiere im Schlachthof anlieferten. Vielleicht lag es daran, dass mein Mann die Betäubung immer selbst durchführte. Unsere Tiere kennen ihn und waren daher vielleicht etwas entspannter als die anderen Tiere, die von einer ihnen fremden Person betäubt wurden. Doch nach jeder Schlachtung fühlten wir uns mit einem grossen Leidensdruck beladen, der uns schliesslich zwang umzustrukturieren.

Wir haben immer wieder Entscheidungen getroffen, um das Leben für die Tiere zu verbessern, in der Fütterung, in der Haltung, in der Pflege. Wir haben uns fortgebildet, wie man Tiere stressfrei von der Herde absondern, verladen und transportieren kann. Trotzdem belastete uns stets die Art, wie die Tiere ihren letzten Schritt gehen mussten. Das Elend begann am Schlachthof. Es ist wahrscheinlich der Geruch von Tod und Angst anderer Tiere und der beteiligten Menschen. Egal wie gut man alles einrichtet und putzt, die Tiere spüren viel instinktiver und schneller als wir Menschen, dass etwas nicht in Ordnung ist. Den Schlachthof kann man einfach nicht grundlegend verändern.

Seit August 2018 – nach vierjähriger Prozedur mit den Ämtern – dürfen wir nun unsere eigenen Rindviecher auf dem Hof betäuben und stechen. Dies ist heutzutage etwas ungewöhnlich, doch es tut sich immer mehr in dieser Richtung. Schon seit längerem sind wir nicht mehr die einzigen in der Schweiz, die diese Art “legal” praktizieren. Wir sind froh, dass wir, zusammen mit dem Veterinäramt, eine praktikable und entspanntere Lösung gefunden haben.

Als ersten Schritt gewöhnen wir das entsprechende Rind mindestens drei Tage vor dem Schlachttermin an den Betäubungsplatz. Bei Bedarf können wir das Tier auch für einige Tage am Betäubungsplatz lassen. Dort gibt es eine Liegebox, einen Auslauf und einen Fressbereich; gleichzeitig ist es gemeinsam mit den anderen Artgenossen an der Achse vom Futtertisch und hat immer Sicht und beschränkten Körperkontakt mit Artgenossen. In diesen Tagen ist es wichtig, das Tier zu desensibilisieren. Das heisst, man gewöhnt es daran, während des Fressens jeweils fixiert zu sein sowie am Kopf mit einer Bolzenschussgerät-Attrappe berührt zu werden. Wenn das Tier die Handgriffe kennt, hilft es ihm, im Moment des tatsächlichen Bolzenschusses entspannt zu bleiben.

Dann ist es soweit: Der Tag der Schlachtung ist da. Fünf Minuten vor der Schlachtung kommt ein Amtsveterinär zur Lebendbeschau und verbleibt bis zur vollendeten Ausblutung zur Protokollierung des Ablaufes dabei. Mit dem Bolzenschussgerät wird das Tier im speziell umfunktionierten Selbstfanggitter mit Untenauslass betäubt. Dieser Moment ist für mich persönlich der schlimmste. Eine Gradwanderung zwischen Leben und Tod. Furchtbar! Ich muss mich jedes Mal dermassen konzentrieren, damit ich im Moment, in dem das Tier zusammensackt, funktioniere. Alles muss ganz schnell gehen. Einschlaufen, Anketten und mit Hilfe eines Teleskop-Krans hängend über das externe Schlachtlokal drehen. Denn per Gesetz darf zwischen Betäubung und Bruststich nur eine Minute vergehen. Bevor der Bruststich gesetzt wird, muss mit einem anderen Messer die Brusthaut entfernt werden. Meist schaffen wir es in 40 – 45 Sekunden.

Gestochen wird nicht im Stall, sondern hängend über dem Schlachtlokal. Das Schlachtlokal ist ein spezieller Schlachtanhänger (ISS) entwickelt von Lea Trampenau. Für jede Schlachtung ist mein Mann offiziell von einem Schlachthof beauftragt, das Tier bei uns zu töten. Nach erfolgreicher Entblutung wird das Tier im Anhänger rücklings auf eine Schräge gelegt, fixiert und zugedeckt. Jetzt bleiben in der Regel noch 25 Minuten Zeit um zum Schlachthof zu fahren, wo das Tier spätestens 45 Minuten nach dem Bolzenschuss ausgenommen sein muss.

Wir haben schon viel erreicht, doch mit dem Tod müssen wir uns weiterhin auseinandersetzen, wenn auch auf eine für uns bessere Art. Immerhin können wir viel mehr selbst bestimmen und individueller auf jedes Tier eingehen. Ob dies DIE Lösung ist, wissen wir nicht. Vielleicht gibt es in der Zukunft noch bessere Lösungen. Wir bleiben dran. Doch klar ist für uns: ein zurück gibt es nicht mehr! Wir spüren, dass unsere Rinder ruhiger und entspannter sind. Und wir sind es auch.

Lena Bürgi, www.silberdistel-kost.ch, Solothurn, 2020

Dieser Text ist auch erschienen in Kultur und Politik 2/2020, https://www.bioforumschweiz.ch/kultur-und-politik/aktuelle-ausgabe/

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im Jura
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34 ha
10 ha
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0,2 ha Gemüsebau
30 Rote Angus-Mutterkühe plus 40-50 Tiere Nachzucht, 1 Stier

20-30 Burenziegen, 1 Bock

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