Das Tierwohl im Fokus

Hoftötung auch für Kleinwiederkäuer möglich

Es war noch dunkel, als ich an diesem frühen Morgen das Haus verliess und mich auf den Weg nach Oberdorf BL machte. Noch vor Sonnenaufgang erreichte ich schliesslich meinen Zielort und wurde von Sonja Züllig-Morf herzlich empfangen. Sie und ihr Mann Robert halten Stiefelgeissen, sind seit Jahren KAGfreiland-Mitglieder und haben sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt; sie möchten ihren Tieren die Hoftötung ermöglichen.

Bereits der eindrückliche Ziegenstall, der an diesem Morgen in hellem Scheinwerferlicht erstrahlte, bringt die Leidenschaft von Robert und Sonja für ihre Tiere zum Ausdruck. Im grosszügigen und artgerecht strukturierten Laufhof können die Ziegen während den Wintermonaten ihren Bewegungsdrang ausleben. Der innere Stallbereich ist ebenfalls für die geschickten Kleinwiederkäuer konzipiert. Verschiedene Ebenen, Etagen und Nischen bieten den Tieren zahlreiche Kletter- und Rückzugsmöglichkeiten

Vom Stall, der Haltung und dem Herzblut von Sonja und Robert war ich sehr beeindruckt, allerdings war das nicht der eigentliche Grund für meinen Besuch. Diverse Utensilien, sowie der vor dem Stall positionierte Anhänger der Platzhirsch Hofschlachtungen GmbH erinnerten mich daran, dass an diesem Morgen schweizweit die erste Hoftötung einer Ziege anstand.

Artgerecht strukturierter Ziegenstall von Sonja und Robert Züllig-Morf

Die Vorbereitung ist elementar

Zum Zeitpunkt meiner Ankunft waren bereits sämtliche Vorbereitungen abgeschlossen, alle benötigten Maschinen, Gerätschaften und Dokumente standen bzw. lagen bereit. Der Ablauf wurde bereits am Vortag geprobt, damit an diesem Morgen jeder Handgriff sitzt. Der Aufwand zahlte sich aus, dank der vorbildlichen Vorbereitung blieb genug Zeit, um auch noch die letzten Details ausführlich zu besprechen.

Nach dem Eintreffen des zuständigen kantonalen Veterinärs wurde es ernst, der Ablauf und die geltenden Bestimmungen wurden nochmals erläutert, danach begab sich jeder auf seinen Posten. Die Ziege liess sich genüsslich das Fell bürsten; danach führte Robert sie aus dem Stall. Das Tier war sich offensichtlich intensiven Kontakt zu Menschen gewohnt und zeigte keinerlei Scheu oder Anzeichen von Stress. Mischa Hofer, Geschäftsführer der Platzhirsch Hofschlachtungen GmbH brachte sich mit dem Bolzenschussgerät in Position und wartete den optimalen Moment ab, um die Betäubung zielgenau zu setzen.

Die mobile Schlachteinheit von www.hofschlachtung.ch steht am frühen Morgen bereit.

Direkt nach dem Bolzenschuss stürzte die Ziege nieder. Innerhalb von 20 Sekunden muss bei Kleinwiederkäuern der Schnitt gesetzt werden, damit das Tier ausbluten kann. Die Stoppuhr des Veterinärs mass zwischen Betäubung und Entblutung eine Zeitspanne von 13 Sekunden. Ein Wert, mit dem alle involvierten Parteien sehr zufrieden waren. Danach wurde die Ziege mit Hilfe eines kleinen Heckladers die wenigen Meter bis zur mobilen Schlachteinheit transportiert, darin abgelegt und transportgerecht fixiert. Zu diesem Zeitpunkt tickte bereits die nächste Uhr, denn innerhalb von 45 Minuten nach der Tötung musste das Tier in einem zertifizierten Schlachtlokal ausgeweidet werden. Also nichts wie los!

Im Konvoi fuhren wir durch das hügelige Land in Richtung Schlachtlokal. Dort angekommen, wurde die Ziege direkt aus dem Anhänger an den Metzger übergeben, der unmittelbar damit begann, das Tier fachgerecht zu verarbeiten. Dieser Prozess wurde ebenfalls vom kantonalen Veterinär überwacht und beurteilt. Auf meine Nachfrage hin, zog er eine positive Bilanz und bestätigte, dass alle Anforderungen erfüllt und die Zeitlimiten eingehalten wurden. Nun galt es noch die letzten Papierarbeiten zu erledigen und so langsam liess die Anspannung bei allen Beteiligten merklich nach. Bevor wieder jeder seines Weges ging, wurde die gesamte Situation in einer kurzen Nachbesprechung reflektiert und analysiert.

Bevor das kantonale Veterinäramt einem Betrieb die definitive Bewilligung erteilt, begleitet es die ersten fünf Hoftötungen vor Ort. Ein erster Grundstein, um dieses Ziel zu erreichen, wurde an diesem Morgen gelegt. Bis Sonja und Robert Züllig-Morf ihre Vision in die Realität umsetzen können, werden noch vier weitere Hoftötungen folgen.

Auch auf dem Hof Rüttmatt sind fünf begleitete Hoftötungen durchzuführen, bevor die definitive Bewilligung erteilt wird. (Bild rüttmatt.ch)

Fazit aus erster Hoftötung bei Kleinwiederkäuern

Die Ziege zeigte zu keinem Zeitpunkt Anzeichen von Stress und war sich den Umgang mit Menschen gewohnt. Diese Zutraulichkeit ermöglichte auch ein gezieltes Ansetzen des Betäubungsgeräts, was für eine gute Betäubungsqualität entscheidend ist. Zudem haben die Tierhalter den ganzen Ablauf akribisch geplant und geprobt. Die vorbildliche Vorbereitung zahlte sich schlussendlich aus. Für die entsprechende Ziege war es im Vergleich zum Lebendtiertransport sicherlich die schonendere Methode.

Aus ökonomischer Sicht wäre es zuträglicher, wenn jeweils gleich mehrere Kleinwiederkäuer nacheinander betäubt und entblutet werden könnten. So würde sich der Aufwand, wie beispielsweise die Anfahrtskosten, auf mehrere Tiere verteilen. Da der Betrieb allerdings nur über einen kleinen Tierbestand verfügt, werden Sonja und Robert Züllig-Morf auch zukünftig selten mehr als eine Ziege pro Schlachttag verarbeiten.

Die Kooperation zwischen Tierhalter, Dienstleister und Schlachtlokal war aus meiner Sicht sehr gut koordiniert. Es kam zu keinen Verzögerungen, die einzelnen Phasen der Hoftötung gingen nahtlos ineinander über.

Fazit der Tierhalter

Sonja und Robert Züllig-Morf waren ebenfalls zufrieden mit ihrer ersten Hoftötung. Ihr grosses Engagement und die vorbildliche Planung garantierten an diesem Tag einen reibungslosen Ablauf. Grundsätzlich ziehen sie eine positive Bilanz.

Einzig das Bewilligungsverfahren ist sehr aufwändig. Sie sind der Meinung, dass gerade wenn mit einem professionellen Dienstleister; beziehungsweise mit einem modernen «Störmetzger» zusammengearbeitet werde, könne das Bewilligungsverfahren deutlich vereinfacht werden. Schliesslich verfüge dieser über Routine, Knowhow, die vorgeschriebenen Ausbildungen, sowie die notwendige Ausrüstung.

«Darf es etwas mehr sein?»

Diese Frage wird sich beim Verkauf der Fleischprodukte nach der Hoftötung einer einzelnen Ziege kaum stellen. Gemäss Robert Züllig-Morf liegen ihm zum aktuellen Zeitpunkt weder die Abrechnungen vom Amt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen Baselland, noch der Metzgerei vor. «Trotzdem kann davon ausgegangen werden, dass das teuerste Ziegenfleisch seit Menschengedenken produziert wurde» sagt Robert. Seiner Meinung nach wird es schwierig sein, bei Kleinwiederkäuern die Mehrkosten auf das Produkt zu übertragen.

«Damit die Hoftötung von Kleinwiederkäuern eine echte, wenn auch teure Alternative wird, müssen Synergien bei der Schlachtung gezielt genutzt und das Bewilligungsverfahren deutlich vereinfacht werden.» fordert Robert Züllig-Morf.

Marco Staub, KAGfreiland 2021

Dieser Text erschien im KAGMagazin von KAGfreiland, Mai 2021.

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Hof Rüttmatt
Oberdorf BL, Schweiz
Sonja und Robert Züllig-Morf
2.5 ha
2 ha
0.5 ha
ProSpecieRara-Gütesiegel
Weidenanbau
10 Stiefelgeissen, davon zwei Melkziegen, und 8 Bienenvölker
530 m ü. M.
Kompetenzzentrum für Weiden: www.salicetum.ch
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