Muttergebundene Kälberaufzucht auf dem Brüederhof
Im grosszügig angelegten Laufstall des Brüederhofs in Dällikon bei Zürich können die rund 40 horntragenden Milchkühe ihre Kälber jederzeit am Kälberstall-Gitter besuchen. Der Brüederhof arbeitet seit 1994 nach seinem System der Muttergebundenen Kälberaufzucht. Beim Melken werden die säugenden Kühe zuletzt gemolken. Im Warteraum vor dem Melkstand dürfen die Kälber bis sie 100 Tage alt sind jeweils morgens und abends rund eine Stunde bei ihren Müttern trinken. Kurz bevor die Mütter zum Melken gehen, werden alle Kälber zusammen wieder zurück in den Kälberstall getrieben. Mit diesem System findet der Milcheinschuss nur zweimal am Tag und kurz vor dem effektiven Melken statt. Wäre das Kalb ganztags bei der Mutter, so wären die Zellzahlen der Milch höher weil bei jedem Milcheinschuss die im Euter verbleibende Milch vom Kuh-Körper als „Fremdkörper“ angeschaut werde.
Kaspar Günthardt, der pensionierte Betriebsleiter hat die Muttergebundene Kälberaufzucht auf dem Brüederhof etabliert. Er ist überzeugt, dass ihm sein System der muttergebundenen Kälberaufzucht enorm viel Arbeit spart.
„Die aufwändige „Tränkerei“ fällt weg, dafür habe ich gesunde Kälber und zufriedene Kuhmütter. Die frühe Sozialisierung der Aufzuchtkälber macht sich ausserdem später in einem gesunden Herdenverhalten der Kuh bemerkbar.“
Diese von Günthardt beschriebenen Vorteile der Muttergebunden Kälberaufzucht hat auch das Forschungsinstitut für Biologischen Landbau Schweiz (FiBL) bereits wissenschaftlich belegt. Bei der Untersuchung verschiedener Modelle der muttergebundenen Kälberaufzucht fand das FiBL heraus, dass die Tiere sich besser entwickeln, es zu einem früheren Erstkalbealter sowie einer besseren Milchleistung in der ersten Laktation komme (Quelle: FiBL Merkblatt: Muttergebundene Kälberaufzucht in der Milchviehhaltung, 2012).
Nach Kaspar Günthardt sei es, um mit seinem System erfolgreich zu sein, sehr wichtig, einen guten Kontakt zu den Tieren zu haben, wahrzunehmen, was in der Herde vorgeht und die Kälber gezielt an den Menschen zu gewöhnen. Es sei schon vorgekommen, dass ein Kalb zu viel Milch trinke und dann Durchfall habe. In solchen Fällen habe er Ammenmütter eingesetzt, die dann den ganzen Tag bei den Kälbern sind und mehrere Kälber betreuen.
Zur Herausforderung gehört ein guter Kontakt zu den Tieren zu haben, wahrzunehmen, was in der Herde vorgeht und die Kälber gezielt an den Menschen zu gewöhnen. Manchmal trinke ein Kalb zu viel Milch und habe dann Durchfall. In solchen Fällen hätten sie auch schon Ammenmütter eingesetzt, die dann den ganzen Tag bei den Kälbern sind. Die Einbussen in der Milchmenge schätzt er auf rund 1000 Liter pro Kuh und Jahr. Als Vergleich: im konventionellen Landbau darf ein Kalb in 100 Tagen 400 bis 600 Liter Milch geniessen. Die durchschnittliche Jahresmilchleistung des Brüederhofes liegt mit der kraftfutterfreien Fütterung bei 5.500 Liter.
„Die genannten Vorteile gleichen diesen grösseren Verlust beim Milchgeld aber aus und so geht die Rechnung für uns auf“
Mit hohem Tierwohl auf dem Gratweg
Der Brüederhof bewegt sich mit seinem tierfreundlichem System auf dünnem Eis. Es gibt ein altes Schweizer Gesetz, das besagt, dass der Milchbauer all seine Milch an die Molkerei abgeben muss. Es stammt noch aus Zeiten, in denen einzelnen Landwirte die letzte Milch im Euter, die besonders reichhaltig ist, in die eigene Kanne melkten und für die Rahmherstellung benutzten. Dem Käser wurde die dünne Milch gegeben. Diese Problematik besteht heute nicht mehr, doch das Gesetz existiert weiterhin und führt dazu, dass Systeme wie das von Kaspar, bei dem ein Teil der Milch an die Kälber abgegeben wird, sich in einer Grauzone des Rechts bewegen.
Kritiker der muttergebundenen Kälberaufzucht führen an, dass keine ausreichende Hygiene gewährleistet sei, wenn die Kälber auch am Euter trinken. Oder dass der Trennungsschmerz nach 100 Tagen deutlich grösser sei als nach ein paar Stunden oder Tagen. Das stimmt sicher. Aber in der Zwischenzeit konnten die Tiere sich in ihre Kälbergruppe eingewöhnen und haben durch den täglichen Kontakt mit ihrer Mutter in den ersten 100 Tagen eine gute Basis gewonnen. Die Trennung von der Mutter verkraften sie vor diesem Hintergrund dann gut, meint Kaspar Grünhardt.
Interview mit Kaspar Günthardt führten Sonja Korspeter & Livia Baumgartner
Feingemüsegärtnerei (1,2 ha bewirtschaftet durch Gerd Kessens)
Nachzucht (KB) mit Schweizer Fleckvieh (bio & weidetauglich), Mast (KB) mit Limousin
5000-6000 L Milch pro Kuh & Jahr, durchschnittlich 4 Laktationen
Mastschweine, Hennen
Graslandbasierte Fütterung (Bodenheu/Silage), kraftfutterfrei
Produktvermarktung: Hofladen, lokale Molkerei, PicoBio, Farmy.ch
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