Abtränken auf dem Milchviehbetrieb

Bänz Glauser und Claudia Schneider bewirtschaften den Hof Tiefmoos in Tägertschi. Mit ihren 25-30 Simmentaler und Swiss Fleckvieh Kühen wird Milch produziert. Vor einigen Jahren haben sie auf die Kälberaufzucht an der Kuh umgestellt. Anstatt die Kälber nach wenigen Wochen als Tränker an einen Mastbetrieb weiter zu geben, werden die Kälber auf ihrem Milchviehbetrieb abgetränkt.

Motivation

Die Produktion von Milch ist an die Produktion von Fleisch gebunden, abgesehen von den Nachzuchttieren wird mit den Kälbern Fleisch produziert. Auf dem Hof Tiefmoos ist die Motivation hoch, die Situation der Kälber auf dem eigenen Milchviehbetrieb, aber auch nach dem Verkauf zu verbessern. Als Zweinutzungstiere sind die Kälber wert- und sinnvoll.

Damit die Kühe Milch geben, müssen sie ein Kalb zur Welt bringen.

Spezialisierte Milchviehbetriebe haben normalerweise keine Infrastruktur zum Abtränken der Kälber. Deshalb wird diese Aufgabe von Aufzucht- resp. Mastbetrieben übernommen. Dabei sind es vor allem folgende Punkte, die für Bänz und Claudia bei diesem Ablauf unbefriedigend sind:

  • Die Kälber verlassen den Betrieb nach wenigen Wochen, wenn das Immunsystem noch nicht voll ausgebildet ist. Sie kommen oft gleichzeitig von verschiedenen Betrieben auf den Aufzucht-/Mastbetrieb und treffen dort auf die Tiere und Krankheitskeime anderer Betriebe. Da das Immunsystem der Kälber noch nicht komplett aufgebaut ist, sind die Tiere wenig widerstandsfähig.
  • Mit dem Verkauf als Tränker ist das Ziel des Verzichtes auf Antibiotika nicht erreichbar, weil die Kälber auf den konventionellen Mastbetrieben häufig z.B. über das Futter mit Antibiotika behandelt werden, damit sie nicht krank werden oder abgehen. Im Tiefmoos wird hingegen möglichst wenig Antibiotika eingesetzt, bei den Kühen schon seit vielen Jahren nicht mehr.
  • Die Kälber von Bio- und Demeter-Betrieben kommen oft in den konventionellen Vertriebskanal.
  • Die Kälber sollen nicht als Kalb geschlachtet werden, sondern möglichst lange leben.

Ziele

  • Die Kälber, welche nicht für die Nachzucht benötigt werden, werden auf dem Betrieb abgetränkt und haben ein gestärktes Immunsystem, wenn sie den Betrieb verlassen. Dadurch wird der Antibiotikaverbrauch in der Fleischproduktion gesenkt.
  • Die Kälber ernähren sich artgerecht.
  • Die Kälber lernen das Sozialverhalten von den erwachsenen Kühen in der Herde.
  • Die Kälber sollen nach dem Abtränken auf einem Weidebetrieb wesensgemäss gehalten werden, das ganze Jahr Auslauf haben und auch die Hörner behalten können.
Die Kälber lernen das Sozialverhalten in der Herde. (Bild Claudia Schneider)

Umsetzung – das Abtränken an der Kuh

Zuerst brauchte es auf dem Hof Tiefmoos mehr Platz, für den Kälberbereich mit Tiefstreu für alle Kälber und für das Säugen der Kälber an den Ammenkühen. Idealerweise ist dieser für die Ammenkühe vom Laufstall her zugänglich. Mit dem Anbau eines Heustockes gab es neben dem Melkstand Möglichkeiten dafür.

Eine Abnehmerin für die Mastremonten wurde ganz in der Nähe (30 km) gefunden. Dort werden die Tiere bis ca. 2-jährig gehalten und als Bio Weiderinder vermarktet.

Auf dem Betrieb Tiefmoos werden Simmental x Simmental oder Swiss Fleckvieh x Simmental gekreuzt. Die Simmentaler haben gemäss Bänz Glauser einen starken Muttertrieb. Die Aufzucht mit Ammen bietet sich an, damit die Problematiken der Milchabgabe beim Melken und des Trennungsschmerzes nicht überwiegen

Abgekalbt wird jeweils von November bis April. Die Kälber sind nach der Geburt einen bis wenige Tage bei der Mutter. Es ist wichtig, die Kälber mit der Kolostralmilch versorgen zu können, deshalb wird nach der Geburt immer gemolken und das Kalb bekommt so viel Kolostrum, wie es trinken mag. Die Neugeborenen verbringen dann noch einige Nächte neben der Mutter, aber in einem abgetrennten Bereich. In dieser Zeit werden die Kälber von Hand getränkt. Danach werden sie an die Ammenkühe herangeführt, mit dem Ziel, an jeder Amme zwei bis drei Kälber säugen zu lassen. Immer wenn die Milchkühe zum Melken gehen, werden die Ammen zu den Kälbern geführt, wo diese trinken können. Nach dem Säugen werden die Euter der Ammen gefettet und gelichzeitig geprüft, ob alles in Ordnung ist und die Euter leergetrunken sind.

Die Kälber bekommen zusätzlich Raufutter zu Fressen und gehen auf die Weide. Nach ca. fünf Monaten sind sie abgetränkt und können ausschliesslich mit Raufutter ernährt werden. Ihr Immunsystem ist nun genügend ausgebildet und sie kommen nach ca. 6 Monaten auf den Weidemastbetrieb.

Die Simmentaler haben einen starken Muttertrieb.

Bänz Glauser

Auf dem Hof Tiefmoos hat es fünf verschiedene Weiden für die Kälber, welche in einem Turnus beweidet werden. Auf diese Weise konnten die Probleme mit Weideparasiten minimiert werden.

Auf einem bestehenden Milchviehbetrieb ist es eine Herausforderung, für die Kälber einen geeigneten Platz zu finden.

Herausforderungen

Mehraufwand: Die Haltung der Kälber auf dem Milchviehbetrieb bedeutet Zusatzaufwand. Ziel muss es sein, den Mehrwert des verbesserten Tierwohls bei der Vermarktung ausloben zu können und einen besseren Preis zu erzielen.

Infrastruktur / Platz: Für die Haltung und das Tränken der Kälber braucht es drinnen und draussen Platz und eine gewisse Infrastruktur. Die Ansprüche der Kälber an die Haltungsbedingungen sind hoch. Deshalb ist es eine Herausforderung, in den bestehenden Strukturen einen geeigneten Platz für die jungen Tiere zu finden. Einfache und kostengünstige bauliche Lösungen sind schwierig zu finden, aber meistens möglich.

Wo die Kälber zum Trinken auf die Ammen treffen: der Saugeraum. Links oben der Zugang vom Laufhof für die Ammen.

Milchabgabe: Bei der muttergebundenen Kälberaufzucht geben die Mutterkühe nach dem Säugen ihres Kalbes manchmal am Melkstand weniger oder keine Milch mehr. Sie wollen die Milch für ihre Kälber behalten. Dabei verbleibt die fettreiche Milch, die am Ende des Melkprozesses gegeben wird, im Euter. Deshalb setzen einige Bauern das Hormon Oxytocin ein, um von den Müttern beim Melken alle Milch zu erhalten. Bei der Ammenhaltung besteht dieses Problem nur punktuell (z.B. bei der Milchkontrolle, beim „Absetzen von den Kälbern“), da die Ammen durch die zwei bis drei säugenden Kälber leergetrunken werden.

Angewöhnung geeigneter Ammen: Es braucht Zeit und Geduld, Kühe als Ammen anzugewöhnen. Es gibt aber auch Kühe, die es nicht gerne machen oder deren Zitzenhaut zu stark unter der Beanspruchung leidet. Solche Kühe sollten keine Ammen sein.

Aussichten

Wie eingangs erwähnt, hängen Milch- und Fleischproduktion zusammen; die Kühe geben nur Milch, nachdem sie ein Kalb zur Welt gebracht haben. In der Bio-Tierhaltung sollte es das Ziel sein, die gemeinsame Vermarktung von Milch und Fleisch zu erreichen. Das verbesserte Tierwohl bei der kuhgebundenen Kälberaufzucht muss im Handel und bei den Konsumenten weiter kommuniziert und in Wert gesetzt werden. Damit in Zukunft alle Bio-Milchviehbetriebe ihre Kälber selber aufziehen können.

Film Ammengebundene Kälberaufzucht

Ein Film von Thomas Alföldi und Claudia Schneider (FiBL) zur Ammengebundene Kälberaufzucht (Betrieb Glauser & Schneider, Tägertschi/BE) :

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Siehe zu diesem Thema auch das FiBL Merkblatt zur Mutter- und ammengebundenen Kälberaufzucht in der Milchviehhaltung.

Bänz Glauser und Claudia Schneider geben interessierten Bäuerinnen und Bauern gerne Auskunft über ihr Haltungssystem der kuhgebundenen Kälberaufzucht.

Hubert Würsch, 2021

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Hof Tiefmoos
Tägertschi (CH)
Bänz Glauser & Claudia Schneider
1 Angestellter (60 %)
6 ha
9.8 ha
2.2 ha
Demeter
Milchkühe mit Mutter-/Ammengebundener Kälberaufzucht
Weizen, Mais, Gemüse, 80 Hochstamm-Obstbäume
30 Kühe mit Kälber, 1 Stier, 70 Zweinutzungshühner, 150 Kücken (Aufzucht + Mast), Bienen, Katzen
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