Schweinefütterung damals und heute: Grünfutter & Weide

Grünfutter spielte früher in der Schweinefütterung eine grosse Rolle, insbesondere in Zeiten, in denen Kraftfutter wie Getreide oder gekochte Kartoffeln entweder teuer oder nicht in ausreichender Menge verfügbar waren. Historische Quellen nennen eine Vielzahl von möglichem Grünfutter:

  • Alpenblacken (Rumex alpinus)
  • Brennnesseln (Urtica dioica)
  • Einjähriges Rispengras (Poa annua)
  • Wurzeln der Kohl- und Ackergänsedistel (Sonchus oleraceus, Sonchus arvensis)
  • Blätter und Wurzeln der Sonnenblume (Helianthus annuus)
  • Blätter und Knollen von Topinambur (Helianthus tuberosus)
  • Klee, Luzerne, Esparsette, Wicken (Trifolium-Arten, Medicago sativa, Onobrychis viciifolia, Vicia-Arten)
  • Zichorie (Cichorium intybus)
  • Erbsen und Bohnenstroh
  • Lein- und andere Spreu
  • Gartenunkräuter wie junge Disteln, Vogelknöterich
  • Kohl- und Salatblätter

Neben der reinen Nahrungsaufnahme hat das Grünfutter auch eine gesundheitsfördernde Rolle. Raufutter gibt den Tieren ein Sättigungsgefühl und Beschäftigungsmöglichkeiten. Über den genauen Nährwert der Raufutter bei Schweinen ist noch zu wenig bekannt, da die Werte, die für Wiederkäuer ermittelt wurden, nicht auf Schweine übertragen werden können. Jedoch ist bekannt, dass mit dem Alter der Tiere die Verwertung von Raufutter zunimmt. Weil die Raufutter-Verdauung vor allem mikrobiell im Dickdarm passiert, ist es zudem wichtig, bereits Ferkeln Raufutter zur Verfügung zu stellen. (Mehr Info dazu im FIBL-Merkblatt unter dem Abschnitt Raufutter.)

Grün- und Raufutter wurden früher oft ad libitum (zur freien Verfügung) gegeben. Der deutsche Agronom August Gottfried Schweitzer beschreibt die um 1840 übliche Fütterungspraxis wie folgt:

„Uebrigens geschieht die Fütterung der Schweine, wie aller landwirthschaftlichen Hausthiere, am beßten in drei Hauptmahlzeiten, früh, Mittags und Abends, wovon jede wieder, nach Befinden der Umstände, in zwei bis drei Unterabtheilungen zu bringen ist. Im Winter gibt man sehr häufig bei jeder Mahlzeit zuerst ein dickes, brei-ähnliches Futter, und dann ein dünneres Saufen; im Sommer dreimal des Tages ein nahrhaftes Saufen, und dann Grünzeug den ganzen Tag über, wie man dazu kommt, nicht zu viel auf einmal.“


Schweitzer, August Gottfried: Kurzgefasstes Lehrbuch der Landwirthschaft : zum Gebrauche bei Vorlesungen über dieselbe. Dresden ; Leipzig : Arnoldische Buchhandlung, 1842. ETH-Bibliothek Zürich, Rar 36861, https://doi.org/10.3931/e-rara-87925 / Public Domain Mark

Somit erhielten Schweine besonders im Sommer viel frisches Grün, während im Winter ein gehaltvollerer Brei im Vordergrund stand. Das Verfüttern in kleineren Portionen über den Tag verteilt, könnte dazu gedient haben, Futterverluste zu minimieren. Dies, da Schweitzer die Bedeutung der Sauberkeit in der Schweinehaltung stark betont und dazu anhält, den Futtertrog vor jeder Futtergabe sauber auszuschrubben. Der englische Tierarzt Youatt berichtet um 1850, dass verschiedenes Grünzeug oft vermischt mit Schlempe verfüttert wurde.

Alpenblacken und ihre Konservierung

Eine Besonderheit des Alpenraums ist die Konservierung der Alpenampfer (Rumex alpinus) als eine Art Silage. Die ausführlichste Beschreibung dieser Praxis findet sich bei Carl Schröter in seinem Buch Das St. Antönierthal im Prättigau in seinen wirtschaftlichen und pflanzengeographischen Verhältnissen. Dort schreibt der Autor:

Fast jedes Haus besitzt einen kleinen Garten. Die Hauptrolle darin spielen allerdings nicht die Blumen, sondern — das Schweinefutter, nämlich die Blakten (Rumex alpinus). Diese mastige Pflanze, die einen fetten und „nahrhaften” Boden liebt, wird hier, wie in vielen Bündner-Bergdörfern, für den Winter als Schweinefutter eingemacht. Die halb-mannshohen Blätter werden „gestraupft”, d. h. mit der Hand einzeln abgerissen, damit auch das Beste daran, die Blattbasis oder der „Speck” mitkommt; dann werden sie mit Wasser gekocht und die Suppe dann aus dem Kessel über eine hölzerne Rinne in die sogenannte „Blakenstande” hinübergeschoben, wo sie, mit Brettern zugedeckt und mit etwa zwei Centnern Steinen beschwert, aufbewahrt wird. Die erste Blakenernte liefert die besten Blaken und findet im Juni statt, die zweite, die Grummetblaken, wird im September gestraupft; die dritte Ernte, die Weidblaken, ist sehr gering. Verfüttert werden sie mit Kartoffeln oder mit Ömdblumen; die letzten werden durch Ausreiben des Ömdes auf einem Sieb („Bluemertteri”) gewonnen1.
1 vergleiche über die „Ömdblumen” den Artikel von Dr. Stebler in der Schweiz. landw. Zeit-schrift XXNl. Jahrgang 1895, 1. Heft, Seite 6. Danach ergab eine chemische Analyse von St. Antönier Ömdblumen einen sehr guten Nährstoffgehalt ( 19 % Roheiweiss).

Das St. Antönierthal im Prättigau in seinen wirtschaftlichen und pflanzengeographischen Verhältnissen. [Bern] : [Verlag nicht ermittelbar], [18–]. ETH-Bibliothek Zürich, Rar 4944, https://doi.org/10.3931/e-rara-20909 / Public Domain Mark

Auch Friedrich Tschudi erwähnt in seinem Landwirtschaftlichen Lesebuch ein Einstampfen in Standen, allerdings für Futterrübenblätter. Somit wurden verschiedene Grünfutter als eine Art Silage konserviert und im Winter verfüttert.


Blackenstande und Blackenkessel, abgebildet im Buch von Carl Schröter (Bildquelle:
Das St. Antönierthal im Prättigau in seinen wirtschaftlichen und pflanzengeographischen Verhältnissen. [Bern] : [Verlag nicht ermittelbar], [18–]. ETH-Bibliothek Zürich, Rar 4944, https://doi.org/10.3931/e-rara-20909 / Public Domain Mark)

Welche Pflanzen wurden auf der Weide gerne gefressen?

Im Buch Die Alpen-Futterpflanzen […] werden Brennnesseln (Urtica dioica) als gute Futterpflanze für Schweine aufgeführt. Auch wird angegeben, dass das Einjährige Rispengras, welches sich auf Alpen besonders an den Lägerstellen ausbreitet und vom Vieh verschmäht wird, von Schweinen gefressen wird. Weiter werden die Wurzeln der Acker- und Kohl-Gänsedisteln (Sonchus arvensis, Sonchus oleraceus) und die Wurzeln und Blätter der Sonnenblume werden von verschiedenen Autoren als gute Futterpflanzen für Schweine aufgeführt. Hier scheinen Schweine also Pflanzen zu fressen, die wir derzeit eher als Unkraut wahrnehmen. Dieses Wissen könnte auch heute noch wertvoll sein, beispielsweise wenn Schweine in der Fruchtfolge oder in Mischweiden eingesetzt werden sollen. Durch ihr Wühlen können die Schweine Lägerfluren aufbrechen und so deren typische Flora zurückdrängen. Die Sonnenblume als Futterpflanze für Schweine könnte hingegen interessant sein, da diese in einigen Gründüngungsmischungen vertreten ist.

Weidehaltung – Chancen und Grenzen

Schweine im Kleegras (Bildquelle: www.oekolandbau.de/ Copyright BLE/ Dominik Menzler)

In historischen Quellen wird häufig darauf hingewiesen, dass Schweine im Sommer auf die Weide getrieben wurden. Schweitzer beschreibt dies folgendermassen:

Sehr häufig werden die Schweine den Sommer hindurch geweidet. Ohne Zuschuß an anderem Futter ist es jedoch nur selten möglich, dieselben bis zur Ernte bloß auf diese Weise erhalten zu können; die Weiden müßten denn von einer sehr guten, ihnen besonders zusagenden Beschaffenheit sein. Nach der Ernte dagegen, wo sie viel auf den Feldern finden, wird es möglich, sie bloß auf der Weide zu ernähren.

Schweitzer, August Gottfried: Kurzgefasstes Lehrbuch der Landwirthschaft : zum Gebrauche bei Vorlesungen über dieselbe. Dresden ; Leipzig : Arnoldische Buchhandlung, 1842. ETH-Bibliothek Zürich, Rar 36861, https://doi.org/10.3931/e-rara-87925 / Public Domain Mark

Diese Aussage zeigt, dass reine Weidehaltung nur begrenzt möglich war – zumindest bis zur Ernte, wenn Schweine sich von Ernteresten ernähren konnten oder wenn sehr gute Futterquellen zur Verfügung standen, wie der englische Tierarzt Youatt sie beschreibt.

Es wurde bereits angeführt, wie nützlich es für Schweine jedes Alters sey, auf der Waide zu laufen, und daß permanente Waiden die besten seyen. Das Waiden der Thiere auf gemähten Feldern ist ebenfalls vortheilhaft und wird häufig ausgeführt, wo sich Gelegenheit dazu darbietet. Das beste Grünfutter besteht aus Klee, Luzerne, Cichorie, Esparsette, Wicken, Bohnen und Erbsenstengeln. Einige füttern ihre Schweine mit diesen Stoffen auf dem Felde; […] Zweckmäßiger ist es, diese Stoffe klein zu schneiden, einzusalzen und mit Kleie oder Mehl oder Wurzeln zu mischen, mit Spülicht anzufeuchten und gähren zu lassen.
Klee, Heu, getrocknete Wicken, kann man den Schweinen ebenfalls geben, nachdem man sie klein geschnitten und mit Spülicht vermischt hat; Klee und Luzerne sind für Schweine sehr nährend. […]

Weiß, C. F. H.: Das Schwein : seine Eigenschaften, Zucht und Behandlung im gesunden und kranken Zustande, und Geschichte seiner Racen : nebst einer Anleitung zum Einsalzen und Räuchern […]. Stuttgart : Verlag der J.B. Metzler’schen Buchhandlung, 1852. ETH-Bibliothek Zürich, Rar 36735, https://doi.org/10.3931/e-rara-80972 / Public Domain Mark

Mit den aufgezählten Leguminosen scheint eine gute Grundversorgung der Tiere mit Protein möglich. Doch trotzdem spricht einiges dagegen, die Tier weiden zu lassen.

Problematik des Wühlverhaltens

Schweine neigen dazu, den Boden aufzugraben – ein Verhalten, das auf Äckern gern gesehen wurde, auf dem Grünland hingegen nicht:

Ist man im Besitz von entsprechenden Weiden, so wird die Haltung der Schweine viel wohlfeiler als bei der Stallfütterung.
Einen besondern Werth haben die Waldweiden in denjenigen Jahrgängen, wo die Eicheln und Bucheln gedeihen, mit welchen die Schweine gemästet werden können. In Oberschwaben werden die Schweine auf den Aeckern geweidet, wo sie besonders zur Zerstörung von Wurzelunkraut, von Insekten und Würmern vortheilhaft beitragen. […] Des Morgens und Abends erhalten die Weideschweine eine Futterportion auf dem Stalle. Auf Wiesen und Kleeäcker dürfen die Schweine nicht getrieben werden, weil sie den Boden gerne aufwühlen.

Schlipf, Johann Adam: Populäres Handbuch der Landwirthschaft : für den praktischen Landwirth nach dem gegenwärtigen Standpunkte der Fortschritte im Acker-, Wiesen- und Weinbau, in der Obstbaumzucht, der Rindvieh-, […]. Reutlingen : Druck und Verlag von J.C. Mäcken, Sohn, 1847. ETH-Bibliothek Zürich, Rar 37130, https://doi.org/10.3931/e-rara-81431 / Public Domain Mark

Hier zeigt sich ein Konflikt: Während Weidehaltung im Wald oder auf den Äckern gut möglich und wirtschaftlich sinnvoll war, führte sie auf dem Grünland zu Kulturschäden. Gleichzeitig aber wuchsen auf dem Grünland viele wertvolle Futterpflanzen, wie Klee oder Luzerne. Eine historische Methode, um das Wühlen zu unterbinden, war das Anbringen eines Nasenrings. Dadurch konnten Schweine auch auf Grünland gelassen werden, ohne grössere Schäden anzurichten. Allerdings ist dies aus tierschutzrechtlicher Sicht problematisch, da die empfindliche Schweinenase ein wichtiges Sinnesorgan ist. In der Schweiz ist das Anbringen von Nasenringen heute verboten.

Das Idaho Pasture Pig – Eine Alternative?

Eine moderne Herangehensweise besteht darin, Schweinerassen zu züchten, die weniger wühlen. Ein Beispiel dafür ist das Idaho Pasture Pig, eine noch junge Rasse, die in den USA aus Duroc, Berkshire und Kunekune gezüchtet wurde. Diese Schweine haben eine kürzere, nach oben gebogene Schnauze und neigen eher dazu, den Pflanzenbestand abzugrasen, anstatt nach Wurzeln zu graben. Dadurch eignen sie sich besonders für die Weidehaltung, ohne die Grasnarbe zu zerstören. Allerdings scheint auch bei dieser Rasse unter gewissen Umständen ein Wühlverhalten aufzutreten. Ein sorgfältiges Weidemanagament ist also auch hier unumgänglich.

Ein Idaho Pasture Pig, bei dem die kurze Schnauze deutlich erkennbar ist (Bildquelle: idahopasturepigsregistry/ Jodi Cronauer).

Eine gänzlich andere Philosophie ist es, das Wühlverhalten als Chance zu begreifen. So können die Schweine zur Bekämpfung von Problempflanzen eingesetzt werden. Auch zum Aufbrechen von artenarmen Beständen wie Lägerfluren oder Adlerfarnflächen sind die Schweine geeignet. Untersuchungen haben gezeigt, dass unter bestimmten Bedingungen und in einigen Lebensräumen sogar die Artenvielfalt von einer Beweidung durch Schweine profitieren kann. Besonders für konkurrenzschwache Arten sind die Lücken, die die Schweine schaffen, von Vorteil.


Laura Gisler, 2025


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