Platz da! Laufstall für Hornträgerinnen

Für Vreni und Willi Ambauen gab es verschiedene Gründe für einen Stallneubau. Der alte Anbindestall entsprach nicht mehr ihren Vorstellungen bezüglich Tierwohl. Auch die Arbeitsbelastung für Fütterung, Melken und Stallreinigung war sehr hoch. Als sie schliesslich die Möglichkeit erhielten, zusätzliche Nutzfläche zu pachten, wurde die Planung eines grösseren Stalls angegangen. Die schlechte Bausubstanz des bestehenden Gebäudes erlaubte jedoch keine Stallerweiterung. Deshalb entschieden sie sich für den Neubau eines modernen Laufstalles für 28 behornte Milchkühe.

Nach einer intensiven Planungsphase starteten sie im Februar 2021 mit dem Neubau. Bereits im Juli konnte wieder Futter im neuen Stall eingebracht werden und im November zogen die Kühe ein. Während der Bauzeit konnten sie das Vieh auf dem gepachteten Nachbarbetrieb einstallen.

Licht & Luft, Wasser

Der Auslauf befindet sich auf der Südseite und der Laufstall ist gegen diese Seite offen. Auf der Nordseite gelangen dank einem aufrollbaren Windschutz viel Licht und bei Bedarf auch Luft in den Stall. Wenn es heiss ist, kann man bergseitig (Ostseite) das Tor öffnen. Dadurch gelangt abends dank Bergwind kühle Luft in den Stall.
Die Laufgänge sind ausgesprochen breit und mit Gummimatten belegt. Es sind vier grosse Tränken vorhanden, so dass auch die rangniedrigste Kuh ganz bestimmt ihren Wasserbedarf decken kann.

Die offene Südfront und die grosszügige Raumhöhe sorgen für ein angenehmes Stallklima mit genügend Luft und Licht.

Freiheit beim Fressen

Der Fressstand ist erhöht und die Fressplätze haben keine seitlichen Abtrennungen. Aus Willis Erfahrung gibt es trotz dem erhöhten Fressstand manchmal Störungen von hinten. Es kann auch sein, dass eine ranghöhere Kuh mal ein paar fressende Kühe ‘abräumt’, indem sie auf dem Fressstand einmal quer durchläuft.

Die Fressplätze sind mit speziellen Selbstfanggittern für behornte Kühe ausgerüstet. Willi hat sich für das Fressgitter der Firma Meyer, Rothenburg entschieden. Bei dieser Variante ist das Nackenrohr noch 20 cm höher liegend als bei anderen Systemen. Die Kühe hätten damit weniger Schürfstellen am Nacken.

Selbst für die Kälber funktionieren die speziellen Fressgitter (Foto: Willi Ambauen)

Wiederkäuen / Liegen

Die Kühe liegen auf einer Strohmatratze. Die Liegeboxen sind bewusst quer zur Fressachse angelegt. So kommen Kühe, die sich hinlegen oder aufstehen, den Tieren am Fressstand nicht in die Quere. Es gibt weniger Konfliktpotential.
Zwischen zwei Reihen der Liegeboxen hat es Platz für Kälber. Sollte eine Kuh in der Liegebox von hinten bedrängt werden, kann sie diesen Bereich auch als Fluchtraum nutzen. Da der Stall nicht voll belegt ist, konnte für die Kälber und Galtkühe ein grosser Tiefstreubereich eingerichtet werden.

Den Tiefstreubereich nutzen Kälber und Galtvieh gemeinsam. (Foto: Willi Ambauen)

Die Umrahmungen der Liegeboxen sind unten nicht ganz abgedichtet. Deshalb kann manchmal an dieser Stelle etwas Wasser reinziehen, so dass die Boxen nicht mehr vollständig trocken sind. Aus diesem Grund würde Willi die Liegeboxen heute auf einem paar Zentimeter höheren Sockel platzieren. Alternativ könnten die Umrahmungen am Boden komplett abgedichtet werden.

Willi sagt, dass er seine Kühe nie putzt. Trotzdem sind sie ausgesprochen sauber. Dies ist auf das konsequente Management der Liegeboxen und den Putzroboter zurückzuführen. Mit dem Roboter ist Willi zufrieden, warnt aber davor, dass der Aufwand für das Programmieren der Reinigungswege nicht zu unterschätzen ist.

Um Schmierschichten zu vermeiden, benetzt der Mistroboter die Flächen mit Wasser. Im Winter stellt Willi das Wasser zum Schutz der Maschine vor Frostschäden oder zur Vermeidung vereister Flächen ab. Jedoch reicht der Harn der Kühe im Winter aus, damit die Flächen nicht schmierig werden.

Melken: (fast) der ganze Stall ist Warteraum

Während der Melkzeit dient der gesamte Auslauf und der Liegebereich als Warteraum. D.h. Willi trennt lediglich die Fressachse ab. Dadurch gibt kein Herumstehen, kein Gedränge und keine Konflikte im Warteraum. Die Kühe können sogar liegend auf das Melken warten. Mit dem kleinen Nachteil, dass er manchmal eine Kuh persönlich von der Liegebox in den Melkstand holen muss.

Gemolken wird am 4er Tandem-Melkstand (Occasion). Willi findet das die beste Variante für behornte Kühe, weil sie sich nicht gegenseitig stören können.

Der Melkstand hat zwei Ausgänge, einen zum Fressbereich und einen anderen direkt in die Abkalbebox/Krankenbox. So kann Willi z.B. stierige Kühe ganz einfach separieren. Nach dem Melken werden die Kühe jeweils im Fressgitter eingesperrt.

Mehrere grosse Tränkebecken, breite Laufgänge, Gummimatten am Boden und der erhöhte Fressstand sind Merkmale des Stalls von Willi Ambauen.

Futterlager

Der Stall hat drei Heustöcke, davon sind zwei belüftet. Dadurch hat der Betrieb genügend Lagervolumen und auch die nötige Flexibilität zum Umschichten, wenn im Sommer das Heu der Ökoflächen getrocknet werden muss. Das Betonsilo von 120 m3 wird für Grassilage genutzt. Das Silo dient als Puffer und wird v.a. im Frühling und Herbst befüllt, wenn das Gras nicht mehr auf dem Feld getrocknet werden kann.
Mit den Solarpanels auf dem Stalldach wird nicht nur Solarstrom hergestellt. Zwischen Dach und Panels befinden sich Luftkanäle zur Kühlung der Solarmodule. Die Luft nimmt Wärme auf und wird zur Heubelüftung eingesetzt.

Handarbeit

Ein Entmistungsroboter reinigt die Laufflächen und auch der Heukran leistet gute Dienste. Trotzdem muss noch Hand angelegt werden:
• Vor dem Fressen den Fresstand reinigen
• Stroh das der Roboter in den Auslauf schiebt, mit der Schubkarre auf den Misthaufen befördern
• Boxenpflege (Kuhfladen rausnehmen, Löcher auffüllen, Stroh verteilen)
• In den Boxen werden Effektive Mikroorganismen (EM) und Biolit eingesetzt
• Willi ist auch interessiert daran, Kohle in den Boxen einzusetzen (macht er aber noch nicht)

Im Übrigen setzt der Betrieb EM auch in den Tränken der Kühe, in der Silage und in der Gülle ein. Früher waren die Schwemmkanäle regelmässig verstopft. Seit Willi ab und zu EM in die Schwemmkanäle gibt, kommen Verstopfungen praktisch nicht mehr vor.

Das sagt Stallbau-Beraterin Claudia Schneider zum Projekt Leimi:
Grundsätzlich wurde von Anfang an grosszügig geplant und der Stall damit für die Bewegung der Hornkühe gut geeignet: keine schmalen, langen Gänge, was natürlich durch das kammartige Konzept erleichtert wird. Der Auftritt am Fressgitter funktioniert in behornten Herden auch immer wieder gut und hat sich bewährt, würde ich sagen. Weil Platz auch immer Kosten verursacht und horngeeignete Ställe deshalb einen schwereren Stand haben ist die Offenfront-Lösung dienlich. Laufhof und Laufgang sind kombiniert, das Futter ist im Trockenen und die Luft ist gut. Im Sommer, bei hohem Sonnenstand, bleibt der Stall schattig und kühl, im Winter kann die Sonne von Süden in den Liegebereich hineinscheinen.
Was mir wichtig war und woran auch etwas gegrübelt wurde, war der flexible Tiefstreu-Bereich im hinteren Stallbereich, der erst gar nicht geplant war. Wenn man kuhgebunden aufziehen möchte, weiss man am Anfang nicht genau, welches System sich «am Ende» (wenn es das «Ende» überhaupt gibt) für den eigenen Betrieb am besten bewährt, und der Stall sollte für verschiedene Systeme nutzbar sein. Deshalb wurde dieser Tiefstreubereich geplant, bei dem mir ganz wichtig war, dass beim Abtrennen gewährleistet ist, dass jeder Bereich Zugang zu Futter, Wasser und vor allem auch zum Laufhof haben muss, damit der Stall den RAUS Vorgaben entspricht.
Und was auch eine Frage von mir am Anfang war: hat es einen Kälberstall für alle Kälber? Schön fand ich am Stall, dass die Liegefläche für die Kälber bei den Kühen geplant wurde. Sonst «besetzen» die Kälber die Liegeboxen und schlimmstenfalls ist die Liegefläche nicht mehr für alle Tiere genügend gross, nicht mehr tierschutzkonform. Aber ebenso wichtig finde ich, dass alle Kälber im Kälberstall Platz haben, damit eine Trennung von Kühen und Kälber möglich ist. Oft findet ja eine zeitweise Trennung statt, so dass sich die Kälber zurückziehen können und dort auch kälbergeeignete Ressourcen vorfinden.
Claudia Schneider ist u.a. Fachberaterin für mutter- und ammengebundene Kälberaufzucht, sowie für Laufstallhaltung behornter Kühe am Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL) und unterstützte Willi Ambauen bei seinem Stallprojekt.

Flexibilität

Der Stall, vorab der Tiefstrohbereich, ist flexibel gestaltet, was viele Möglichkeiten offen lässt. Ebenfalls könnte bei Bedarf bereits morgen der Stall mit Mutterkühen benutzt werden, ohne eine Anpassung. Die Boxenbügel mit «Pilz Form» sind aus Chromstahl und gut passierbar für die Kälber, wie sie in der Mutterkuhhaltung Anwendung finden.

Der Planer Roger Trütsch, Rigi Holzplan GmbH hat uns einen Querschnitt und zwei Grundrisse des Stalls zur Verfügung gestellt. Herzlichen Dank!

Querschnitt des Stalls. Die Pläne können als PDF heruntergeladen werden.

Hubert Würsch, 2024

Willi Ambauen gibt interessierten Bäuerinnen und Bauern gerne Auskunft zu seinem Stallprojekt für behornte Kühe (willi.ambauen@bluewin.ch).

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Leimi
Grafenort, Engelberg
Willi Ambauen
19.7 ha
0.5 ha
BioSuisse
Milchwirtschaft
19 Kühe und Jungvieh
714 m ü. M.
1600 mm
Schwerer Boden, Humusgehalt 4,2 %
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