Ammengebundene Kälberaufzucht (Hof Bigler)

Die Kälber werden bei uns entweder auf der Weide oder in einer Abkalbebox geboren. Sie bleiben eine Woche mit der Mutter zusammen. Diese ist den halben Tag beim Kalb in der Box und den halben Tag in der Herde. In dieser Zeit sind wir als Menschen auch häufig beim Kalb, sprechen mit ihm und streicheln es. Diese erste Woche ist sehr wichtig für den Aufbau der Bindung zwischen Kalb und Mensch. 

Kälberauslauf im Milchviehstall

Anschliessend kommt das Kalb in die Kälbergruppe, die in einem mit Panelen abgetrennten Teil des Milchkuh-Laufstalls untergebracht ist. Zwei Mal am Tag, zu den Melkzeiten, lassen wir die vier Ammen-Milchkühe in dieses Abteil. Etwa für eine halbe Stunde trinken die Kälber und die Kühe fressen. Es ist auch die Zeit für Ablecken, Fressen vormachen und Ausweichen lernen. Der Mensch ist immer dabei und so wird auch die Beziehung zwischen Mensch und Tier weiter vertieft. Nach etwa zwei Stunden gehen die Kühe wieder in die Herde zurück.

Zwei Kühe sind immer Ammenkühe und dann werden nach Bedarf noch zwei weitere ausgewählt, die für eine Laktation erst ihr eigenes und ein weiteres und nach 4-6 Monaten noch mal fremde Kälber tränken. Eine Kuh, die gerade Amme ist, bleibt dies für eine ganze Laktation.

„Wir haben für den Moment das Ammenmodell für uns gewählt, weil unsere Kühe die Milch im Melkstand nicht gut geben, wenn sie selber ein Kalb tränken“, erläutert Alexandra. Und es funktioniert gut so. Die Kälber sind vital und auch die Ammen sind in Form. Sie fühlen sich verantwortlich für die Kälber und stehen am Morgen und am Abend jeweils schon am Tor vor dem Kälberabteil. Die anderen Kühe können ihr Kalb durch das Panel hindurch besuchen, aber nicht mehr tränken. Sie können sehen und spüren, dass es ihm gut geht. Das erleichtert die Entwöhnung.

Zusammenarbeit mit dem Tier

Doch dieses System klappt nur, wenn der Mensch es möchte und bereit ist, sich auf die Zusammenarbeit mit dem Tier einzulassen und Zeit zu investieren. Insbesondere bei der Gewöhnung des Kalbs an die Amme braucht es einiges an Aufmerksamkeit, Feingefühl und Klarheit. Je nach Charakter der Kuh mehr oder weniger. Magdalena, Lehrfrau im letzten Lehrjahr: „Je nach Kuh gilt es erstmal abzuwarten oder entsprechend einen Schubs zu geben. Ich muss genau beobachten und wissen, wann und wie ich eingreife, damit die Kuh das Kalb annimmt und das Kalb trinkt.“ Und dies nicht nur in den ersten zwei Tagen, sondern auch danach gilt es genau zu beobachten. Hat das jüngere Kalb genug abbekommen? Sind alle satt? Ist das Euter leer?

Das Gute an diesem Modell ist auch, dass die Kälber den Menschen gewöhnt sind; sie sind vertrauensvoll und zutraulich. Das zahlt sich aus in der Zukunft, wenn aus den weiblichen Kälbern Milchkühe geworden sind.

Vorteile dieser Aufzucht sind eine gute Kälbergesundheit, natürliches Tränken und zufriedene und vitale Kälber. Und wir können einigen der Milchkühe ermöglichen ihr Muttersein zu leben.

Hof Bigler, Oberholz, Kanton Bern, 2020

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Hof Bigler Maier
Oberholz bei Bern
Martin Bigler (47) und Alexandra Maier (51)
Vater Fritz Bigler (80) Lehrlinge Magdalena (28) und Lia (18)
30 ha
16 ha
Demeter
Milchviehhaltung
6ha Ackerland (Weizen, Dinkel, Waldstaudenroggen, Emmer, Einkorn, Hafer, 40 Aren Kartoffeln und 15 Aren Rüebli)
5ha Fächen im Naturschutzgebiet und
3ha Ökoflächen
alles arrondiert
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Ammengebundene Kälberaufzucht
3 Sauen und Ferkelverkauf bzw. zum Teil Schweinemast
590 m ü. M.
Lieferung der Milch an Biomilk
Verkäsung eines Teils der Milch auf dem Hof
Direktvermarktung von Kartoffeln, Rüebli und Getreide, Käse
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Schweine an andere Bauern und einen Metzger
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